Das Kreuz mit dem Geld: Die Kirche ist der drittgrößte Immobilienbesitzer des Landes
Die Kirche steckt wieder in einer Krise. Finanziell sind die Diener Gottes aber aus dem Schneider: Trotz Austritten steigt der Kirchenbeitrag, das Immobilienvermögen ist beträchtlich, und die Kirchenbank schreibt Gewinne.
Mit Slogans wie Trotz Speiben bleiben oder Aufbauen statt Abhauen versucht die Katholische Jugend der momentanen Krise der Kirche mit einer humoristischen Note zu begegnen. Denn viel zu lachen hatte die Kirche in den letzten Wochen wahrlich nicht: Die Eskapaden von Holocaust-Leugner Richard Williamson, die Bestellung des umstrittenen Weihbischofs Gerhard Maria Wagner und der hilflose Umgang der Kirche mit diesen Themen haben dazu geführt, dass viele Gläubige das Weite suchten.
Wagnersche Austrittswelle
Das trifft die katholische Kirche nicht nur in ihrer Ehre und Gesinnung, sondern vor allem im Klingelbeutel. Denn seit Jahresbeginn hat die Zahl der Kirchenaustritte rasant zugenommen: In Wien, der größten Diözese, kehrten bis Mitte Februar fast 1.600 Leute der Kirche den Rücken das ist um fast 15 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. In Oberösterreich verdrei- oder vervierfachten sich die Austritte in manchen Regionen gar. Insgesamt dürften heuer bundesweit schon deutlich mehr als 5.000 Katholiken ihre Zahlungen eingestellt haben. Damit könnte der historische Topwert bei Austritten von 51.731, jener aus dem Jahr 2005, als der Sexskandal im Priesterseminar St. Pölten das Land erschütterte, heuer eingestellt werden. Österreichweit tragen die Kirchenbeiträge sie machten 2008 insgesamt 386 Millionen Euro aus rund 81 Prozent zu den Einnahmen der Kirche bei. Der Rest setzt sich aus Beiträgen des Staates und sonstigen Einkünften wie Miet- oder Pachteinnahmen zusammen.
Der Griff zum Sparstift
Ganz kampflos will sich die katholische Kirche ihre Haupteinnahmequelle aber nicht abgraben lassen und wirbt auf ihren Homepages mit Frühzahlerboni und zahlreichen sinnvollen Verwendungsmöglichkeiten des Kirchenbeitrags von der Krankenhausseelsorge bis zur Renovierung von Orgeln. 150 Millionen Euro im Jahr werden für die Erhaltung der 12.000 religiösen Gebäude verwendet, erläutert Josef Weiss von der Finanzkammer der Erzdiözese Wien. Daran hingen auch zahlreiche Handwerksbetriebe und somit viele Jobs im KMU-Bereich. Weiss macht klar: Gibt es weniger Beiträge, gibt es auch weniger Aufträge für die Firmen. Überhaupt habe man in der katholischen Kirche in den letzten Jahren mit dem Ansteigen der Kirchenaustritte zum Sparstift greifen müssen: Seit 2003 gibt es einen Optimierungsprozess. Wir haben alle Bereiche durchforstet und die Anstellungen reduziert, berichtet Weiss. Rund zehn Prozent der fixen Anstellungen wurden so eingespart. Und der Säckelwart der Kirche schließt nicht aus, dass es in Zukunft in dieser Tonart weitergeht: Bei 20 Prozent weniger Beiträgen müssen wir eben einige Aufgaben einstellen. Noch haben wir für heuer keine Projekte abgeblasen, das kann aber noch kommen, sieht Weiss schwarz. So könnte etwa der geplante Bau einer Kirche auf dem Flugfeld Aspern verschoben werden, und auch Kurzarbeit ist in manchen Bereichen nicht ausgeschlossen: Das ist nicht ganz an den Haaren herbeigezogen, vor allem im Verwaltungsbereich kann es zu Einsparungen kommen (Weiss).
Über der Inflationsrate
Für Hans Peter Hurka, Vorstand der Plattform Wir sind Kirche, der jüngst zum Boykott des Kirchenbeitrags aufgerufen hat, sind derlei Überlegungen unverständlich. Warum sollen Laien-Angestellte die Zeche zahlen? Wir lassen es uns jedenfalls nicht umhängen, dass wir die Verursacher von Einsparungen sind, kritisiert Hurka. Denn die Kirche habe genug Einnahmen, darunter auch solche, die sie nicht einmal offenlegt. Immerhin hat es die katholische Kirche in den letzten Jahren verstanden, die Kirchensteuer trotz steigender Kirchenaustritte zu erhöhen: Waren es 2005 noch 356 Millionen Euro, so sind es heuer immerhin 386 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr gelang sogar eine Erhöhung von 4,1 Prozent, also deutlich über der ohnehin schon hohen Inflationsrate von 3,2 Prozent. Am tiefsten ins Börsel greifen müssen bundesweit die Salzburger Katholiken mit durchschnittlich 118 Euro pro Kopf jährlich, am wenigsten berappen die Kärntner mit 87 Euro. In der Kirche denkt man auch nicht daran, sich von Vermögensteilen sie ist immerhin der drittgrößte Grundbesitzer des Landes zu trennen. Erich Ehn, rechtlicher Berater der Diözese Wien, formuliert es so: Die Kirche hat bei Immobilien einen eher traditionellen Zugang: Kaufen und Verkaufen ist nicht das Geschäft, sondern eher das langfristige Halten der Objekte. In Wien hat das dazu geführt, dass die Kirche nach den Versicherungen der zweitgrößte Immobilienherr ist: Ich schätze den Marktanteil der Kirche auf rund zehn Prozent, sagt Immobilienmakler Ernst Karl Plech.
Geringfügige Krisenschäden
Der traditionelle Zugang dürfte auch für Finanzgeschäfte der Kirche gelten, denn die Finanzkrise hat die Kirche in Österreich nicht hart getroffen: In der Erzdiözese Wien rechnet man für 2008 gar nur mit Wertberichtigungen in der Höhe von drei Prozent. Während die Kirche in Deutschland vor allem durch die Lehman-Pleite Verluste hinnehmen musste, sind in Österreich derlei Spekulationsverluste bislang nicht zu beklagen. Gänzlich verschont hat die Krise die kirchlichen Finanzen aber nicht, denn in der Kirchenbank Schelhammer & Schattera rechnet man für 2008 mit einem Gewinneinbruch von 40 bis 50 Prozent (siehe
Interview
). Dieser trifft aber weniger die Diözesen als die Orden bzw. die Superiorenkonferenz der Orden, die der Haupteigentümer der Bank ist. Wie überhaupt die Orden und Stifte, die ja keine Kirchenbeiträge bekommen, risikofreudiger sind als die Diözesen. Einige Stifte neigen durchaus zum Zocken, wie etwa Admont, das einige Zeit rund 50.000 Aktien des Sportwettenanbieters bwin besaß. Das niederösterreichische Stift Geras wurde durch zu viel Experimentierfreudigkeit des dortigen Abtes vor einigen Jahren sogar an den Rand des finanziellen Ruins getrieben. Durch Expansion und unglückliche Immobiliengeschäfte entstanden Schulden in Höhe von zehn Millionen Euro. Erst kürzlich konnte die Entschuldung des Stiftes bekannt gegeben werden.
Muster-Wirtschafter Stift
Ansonsten aber sind die meisten Klöster und Stifte aufbauend auf meist enormem Immobilienbesitz Musterbeispiele für erfolgreiches Wirtschaften: Etwa das Stift Klosterneuburg, in dem Diversifizierung großgeschrieben wird. Wir haben viele Geschäftsfelder, deswegen wird sich die Wirtschaftskrise auf uns nicht so stark auswirken, sagt Peter Schuster, Pressesprecher des Stiftes, das zuletzt 25 Millionen Euro Umsatz gemacht hat. Die Palette der Geschäftsfelder reicht von Weinbau über Immobilienverwaltung, Forstwirtschaft, einen Verlag, ein Fernheizwerk und eine Gärtnerei bis zur Landwirtschaft. Insgesamt hat das Stift 4.000 Pachtverträge abgeschlossen und besitzt 700 Mietobjekte. Das soziale Element kommt nicht zu kurz: Ist ein Pächter unverschuldet in Not geraten, gewähren die Ordensbrüder einen Pachtnachlass. Außerdem fließen zehn Prozent ihrer Gewinne in Sozialprojekte. Deutlich mehr Umsatz erzielt man im steirischen Admont mit 49 Millionen Euro, allein aus der Holzindustrie, die jetzt allerdings lahmt: Derzeit wachsen wir nicht, 2009 möchten wir den Umsatz halten, meint Helmuth Neuner, der Wirtschaftsdirektor des Stiftes. Auch über Kurzarbeit wird nachgedacht. Ähnlich ergeht es den Heiligenkreuzer Mönchen, die schrumpfende Holzumsätze mit Tourismus und Singen wettmachen. Pater Josef Riegler, rechte Hand von Abt Gregor Henckel-Donnersmarck, gibt sich trotz der Hitparaden-Erfolge von Chant bescheiden: Wir verdienen an der CD nur ein paar Hunderttausend Euro pro Jahr. Allerdings hat die Bekanntheit der Mönche weltweit wurden schon mehr als 500.000 CDs verkauft dazu geführt, dass der Tourismus im Stift Heiligenkreuz boomt. Für eine Nacht im Stift muss man ein Jahr im Voraus buchen, rund 150.000 Touristen werden jährlich gezählt. Da lässt es sich auch verkraften, dass die Brüder letzte Woche den begehrten deutschen Pop-Preis Echo nur um ein Haar verpassten.
Verstecktes Bischofsvermögen
Zu den offiziell bestätigten Einnahmen kommt aber noch ein beträchtliches nicht veröffentlichtes Vermögen der Bischöfe. Gemeint sind sogenannte Mensalgüter, die in keiner Kirchenstatistik aufscheinen und deren Einkünfte nur den Bischöfen zugutekommen. So verfügt etwa der Wiener Erzbischof über Wälder und Forstbetriebe im südlichen Niederösterreich und ein Haus im ersten Wiener Gemeindebezirk. Der Gedanke dahinter: Die Existenz eines Bischofs soll gesichert sein, ohne auf die offiziellen Kircheneinnahmen zurückgreifen zu müssen. Es ist kein Thema, diese Einkünfte zu den allgemeinen Kircheneinkünften dazuzurechnen, stellt Weiss klar. Über diese Einnahmen gibt es nur Schätzungen. Die sind allerdings spektakulär und reichen bis zur Höhe der Kirchenbeiträge, also rund 350 Millionen Euro.
Von Angelika Kramer und Barbara Nothegger