
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger im Luftschutzbunker bei Fliegeralarm in Odessa.
©APA/AUSSENMINISTERIUM/MICHAEL GRUBERWie sich die ÖVP bei einer Geheimklausur für den Politherbst rüstete. Warum das Njet von Klubchef Wöginger nicht nur die Neos massiv irritiert. Wo die Regierung angesichts sinkender Umfragen und steigender Inflation mehr denn je ein Rezept für einen Stimmungsaufheller sucht.
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- Neue Folge „Politik Backstage“ - der Podcast
- Regierung signalisiert Dauereinsatz trotz Ferien
- Stockers drei Tage „Dolce vita“ in Grado
- ÖVP-Geheimklausur und Unmut hinter den Kulissen
- Mr. Message Control mit überraschender Botschaft
- Wögingers teurer Stammtisch-Seismograph
- „Das blaue Bild vom Zaun gegen Migration wirkt“
Beate Meinl-Reisinger machte dieser Tage einmal mehr als reiselustige Außenministerin Schlagzeilen. Nach gemeinsamen Familienurlaubstagen in ihrem Zweitwohnsitz in Bad Aussee und einem routiniert abgespulten ORF-Sommergespräch machte sich die Neos-Chefin zu einem Arbeitsbesuch zum EU-Beitrittskandidaten Moldau auf. Meinl-Reisinger nutzte den Aufenthalt in Chisinau auch für einen Abstecher in die Hafenstadt Odessa und landete bei ihrer dritten Ukrainereise ungewollt live im Krieg.
Unmittelbar nach ihrer Pressekonferenz wurde Fliegeralarm ausgelöst. Die pinke Außenamtschefin musste samt Entourage in einen Luftschutzkeller, weil russische Jets in den ukrainischen Luftraum eingedrungen waren.
Neue Folge „Politik Backstage“ - der Podcast
Hier geht es zur neuen Podcastfolge von Politik Backstage - erzählt von der KI-generierten Stimme von trend-Kolumnist Josef Votzi.
Regierung signalisiert Dauereinsatz trotz Ferien
Markus Marterbauer, der seinen Job medial auffällig enthaltsam anlegt, postete zeitgleich ausnahmsweise Privates. Sein Instagram-Account bietet einen Ausblick vom alpinen Balkon seines aktuellen Ferienquartiers auf wolkenumspielte Berggipfel. Auf dem Balkontisch liegt ein wirtschaftspolitischer Sammelband mit dem Aufkleber „Bibliothek des Finanzministeriums“ mit dem staubtrockenen Titel „Wirtschaftsstandort Österreich: Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung“ drapiert mit handschriftlichen Exzerpt-Notizen aus der Feder des bekennenden SPÖ-Linken. „Zum einen Langkofel & Plattkofel, zum anderen den Wirtschaftsstandort im Blick. Sommer im Grödnertal…“, betextet Marterbauer sein Ferien-Posting. Subkutane Botschaft: Der Finanzminister bleibt auch im Sommer im Dienst.
Hauptsächlich mit Dienstreisen macht auch ÖVP-Chef Christian Stocker diesen Sommer von sich reden. Erst eine Stippvisite in Serbien und Montenegro, dann ein Besuch beim nächsten EU-Vorsitzland Zypern, davor Festspiel-Events meist in Begleitung von Staatsgästen und zwischendurch Bürgertage vor allem in der niederösterreichischen Heimat.
Stockers drei Tage „Dolce vita“ in Grado
Der Kanzler ließ schon kurz nach Start der allgemeinen Sommerferien im kleinen Kreis wissen: Heuer gehe sich nur eine Prise „Dolce Vita“ aus – auch weil im Wunschziel Grado das Lieblingshotel längst ausgebucht war und für die Stockers samt den auch im Urlaub unerlässlichen Cobra-Personenschützern in einer Ausweichdestination nur noch für drei Tage ausreichend Zimmer zu haben waren. Stocker-typischer extra dry Nachsatz: „Vielleicht gehen sich noch ein paar vollkommen private Tage in meinem Haus in Wiener Neustadt aus. Mein Garten ist von allen Seiten uneinsehbar.“


ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti
ÖVP-Geheimklausur und Unmut hinter den Kulissen
Bevor die Regierung Ende Juli den Rollbalken offiziell zumindest auf Halbmast setzte, zog sich Stocker mit seinen Parteifreunden noch für einen Tag zu einer Art politischem Kassasturz zurück. Die gesamte Regierung geht erst in zehn Tagen, am 2. und 3. September, im Kanzleramt in sich. Mit einer Klausurtagung vor TV-Kameras und Journalisten läutet das Kabinett Stocker, Babler und Meinl-Reisinger öffentlichkeitswirksam den Auftakt zur Herbstarbeit ein.
Die Geheimklausur des schwarz-türkisen Teils der Dreierkoalition ging am letzten Freitag im Juli in den Räumen des ÖVP-Klubs im Parlament über die Bühne. ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti präsentierte die neuesten Umfragen, die für die Kanzlerpartei nach wie vor durchwachsen ausfallen: Die ÖVP büßt weiterhin drei bis vier Prozentpunkte gegenüber dem Wahlergebnis von 26 Prozent ein. Die FPÖ kommt vornehmlich auf Kosten der Schwarz-Türkisen klar jenseits der 30 Prozent zu liegen.
Mr. Message Control mit überraschender Botschaft
ÖVP-Kommunikationschef Gerald Fleischmann, nach Kurz nun auch unter Stocker „Mister Message Control“, überraschte in seinem Klausur-Referat mit der Botschaft: Im Zeitalter von „Politics by Video“ auf Tiktok, Instagram und Facebook dürfe die ÖVP die klassischen Medien nicht vernachlässigen. Denn die Social-Media-Kanäle lebten primär vom Content, der von klassischen Medien produziert werde.
Social Media verstärke bei ausreichend spitz platzierter Message zwar die Aufmerksamkeit. Was digital aufbereitet wird, haben aber wie in alten Zeiten zuvorderst Journalisten in Zeitung, Funk und Fernsehen in der Hand. Hauptbotschaft von Mister Message Control Fleischmann an die versammelten ÖVP-Minister, Parlamentarier, Partei- und Kabinetts-Spitzenleute: Die ÖVP tue daher gut daran, für ihre Botschaften mehr denn je die Bühne jener Medien zu nutzen, die zu Unrecht bereits totgesagt werden.
In Sachen konkreter Regierungspolitik ging es dann aber hauptsächlich um den Stand von bereits laufenden Vorhaben. Sprich: Was derzeit bis zur endgültigen Erledigung im Hohen Haus noch offen ist oder bereits in der parlamentarischen Pipeline steckt. „Diese Klausur war vor allem auch eine Gelegenheit, sich ohne öffentlichen Erwartungsdruck einmal intern ausgiebig auszutauschen“, so ein ÖVP-Insider. Der Tag der ÖVP-Geheimklausur klang so auch mit einem gemeinsamen Abend beim Heurigen Wolff in Wien-Neustift aus.
Der ÖVP-interne Unmut, den Klubchef August Wöginger mit seinem Njet in einem APA-Interview zu jeder weiteren Debatte über Anhebung des Pensionsalters wenige Tage zuvor ausgelöst hatte, kam nicht auf die offizielle Klausuragenda. Auch jene Wirtschaftsbund-Abgeordneten, die deswegen hinter den Kulissen heftig den Kopf schüttelten, scheuten den offenen Konflikt. „Es wollte keiner die aufgeräumte Vorurlaubsstimmung stören“, sagt ein prominenter ÖVP-Wirtschaftsbündler. „Dass Wöginger ohne Not ein Ende der Pensionsdebatte ausgerufen hat, ist aber alles andere als hilfreich.“


Mr. Message Control Gerald Fleischmann
© APA/Roland SchlagerWögingers teurer Stammtisch-Seismograph
Der „Gust hat wohl wieder einmal bei seinem Stammtischbesuch am Wochenende eine kritische Stimmung zum Thema Pensionen aufgeschnappt und dachte, darauf sofort reagieren zu müssen“, merkt ein anderer prominenter ÖVP-Mann sarkastisch an. Wögingers persönlicher „Stammtisch-Seismograph“ im oberösterreichischen Sigharting, einer Gemeinde mit knapp eintausend Einwohnern, habe schon zu Zeiten von Türkis-Grün bisweilen nachhaltig „teuer“ auf den Staatshaushalt durchgeschlagen, so der ÖVP-Wirtschaftsbündler: „Der Gust hat von seinem Sonntagsstammtisch am Montag oft eine neue Idee für eine neue Beihilfe oder soziale Förderung mitgebracht.“
„Das blaue Bild vom Zaun gegen Migration wirkt“
Für die kommende Herbstarbeit mahnen so vor allem wirtschaftsnahe ÖVP-Strippenzieher ein, dringend ein paar Gänge bei der Regierungsarbeit hochzuschalten. „Wir haben bisher viele Einzelmaßnahmen gesetzt, die vor allem technokratischer Natur sind. Da ist kein Funke auf die Bevölkerung übergesprungen. Das hat nicht das Horuck-Gefühl und die Aufbruchstimmung erzeugt, die wir dringend bräuchten.“
Der Wirtschaftsflügel der ÖVP ist überzeugt, dies könne vor allem in den eigenen Reihen nur dadurch gelingen, „dass wir unser Profil als Wirtschaftspartei wieder schärfen“.
Kritik kommt ÖVP-intern dieser Tage aber auch an einer Politik-Front auf, die von Innenminister Gerhard Karner zuletzt besonders intensiv als Damm gegen weiteren Wählerschwund Richtung Blau beackert wurde.
Als Beispiel für technokratische, aber politisch wenig strahlkräftige Einzelmaßnahmen führt ein gewichtiger Schwarz-Türkiser just ein Projekt an, für das sich die gesamte ÖVP-Führung zuletzt wochenlang auf die Schienen geworfen und dessen Umsetzung als besonderen Erfolg als „Sicherheitspartei“ gefeiert hatte.
Die Messenger-Überwachung sei und bleibe „ein blutleeres Projekt, das vielleicht im Polizeiapparat, aber nicht in der Bevölkerung positive Emotionen auslöst“, so der ÖVP-Spitzenmann: „Die Wähler warten weiter auf ein klares Signal, wie ein weiterer Zustrom von Migranten verhindert wird. Das blaue Bild vom Zaun wirkt, auch wenn es unrealistisch ist. Wir müssen als Regierung ein ähnlich klares Bild erzeugen.“
Die größte Herausforderung für die Dreierkoalition bleibt unausgesprochen nicht der jeweils andere Koalitionspartner, sondern derjenige, der last minute der ÖVP deren ausgestreckte Regierungshand verschreckt verweigert hatte: der selbst darob bisher von jedem Wählerfrust unangekränkelte Möchtegern-Volkskanzler a.D. Herbert Kickl.