
Andreas Babler (links) 2017 im Gleichtritt mit Christian Kern (r.). Tritt der Ex-SPÖ-Kanzler nun parteiintern gegen Babler an?
©APA-Images/APA/Andy WenzelAndreas Bablers Ablöse scheint aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Im Regierungsviertel wird weiter vorsorglich Christian Kerns Plan A studiert. Altkanzler Franz Vranitzky plädiert in Sachen Babler-Ersatz für einen Plan B.
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Als Christian Kern Montag vor einer Woche gegen Ende eines durchgetakteten Tages in Berlin sein Smartphone zur Hand nimmt, findet er sechs Anrufe in Abwesenheit vor – alle von derselben Nummer, dem Handy von Andreas Babler.
Die Gründe für die vielen Versuche einer Kontaktaufnahme sind dieser Tage in Zeitungen und Newslettern nachzulesen. Kritiker des SPÖ-Chefs lassen unter vier Augen wissen: „Es gibt bei uns in den Bundesländern so gut wie niemanden mehr, der mit der Performance Andreas Bablers zufrieden ist.“ Jüngster Anstoß für die rote Babler-Verdrossenheit: Umfragen, die die SPÖ bereits deutlich unter 20 Prozent der Stimmen sehen. „Wenn wir jetzt nicht die Notbremse betätigen, dann zieht uns der Babler bei den nächsten Wahlen in den Bundesländern auf das politische Existenzminimum hinunter.“
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Acht von neun Bundesländern für Kern-Comeback
Eine wachsende Gruppe von Spitzenfunktionären setzt daher alles daran, Babler am kommenden Bundesparteitag am 7. März mit einem attraktiven Gegenkandidaten zum Rückzug zu zwingen. „Einer, auf den sich acht von neun Bundesländern sofort einigen könnten, ist Christian Kern”, sagt einer der Strategen der roten SOS-Truppe.
Nachdem dieses Vorhaben Montag vor einer Woche im Newsletter „Selektiv“ von Kern-Kenner Rainer Nowak besonders extensiv ausgebreitet worden war, schmiss der glücklose Roten-Chef sichtlich die Nerven. Der SPÖ-Chef bombardierte seinen Vorvorgänger Kern, mit dem er bislang praktisch null Kontakt hatte, mit Anrufen.
Bablers Nervosität zusätzlich entfacht hatte ein Termin, den er unmittelbar danach im Kalender stehen hatte: Ein Interview mit profil. Der in eigener Sache sehr medienscheue Medienminister hatte selbstredend auch Fragen zur immer öfter kolportierten Ablöse als SPÖ-Chef zu erwarten.
Als Kern am Morgen nach der Anrufsalve pflichtgemäß zurückrief, hatte Babler nur ein Thema: die einschlägigen Zeitungsberichte über Kerns mögliche Gegenkandidatur am Parteitag. Dieser reagierte freundlich ausweichend und beschwichtigend, machte in den Tagen danach im Kern-Lager die Runde.
Bablers hypernervöse Gegenoffensive
Den genauen Wortlaut kennen nur die beiden Gesprächspartner. Babler nutzte das vertrauliche Telefonat, um im profil-Interview zu proklamieren: „Ich habe in manchen Medien von vielen verschiedenen angeblichen Alternativkandidaten zu mir gelesen. Ich habe erst kürzlich mit Christian Kern telefoniert, der die Gerüchte auch als absoluten Blödsinn bezeichnet hat.“
Eine Version des Gesprächs, an die sich nur Andreas Babler wortwörtlich so erinnert.
Unzweifelhaft gesichert ist der Eindruck: Babler ist ob des massiv wachsenden Gegenwinds in der eigenen Partei hypernervös. Denn er fürchtet, sein jüngster Schachzug zur Absicherung seines wackeligen Chefsessels könnte in letzter Sekunde noch durchkreuzt werden. Obwohl der nächste SPÖ-Parteitag samt Wahl des Vorsitzenden erst Ende kommenden Jahres fällig wäre, stellte Babler mehr als ein Jahr davor alle Weichen für seine Wiederwahl. Mit einer Mitte September überfallsartig angesetzten Abstimmungsprozedur in den obersten SPÖ-Gremien überrumpelte er so fürs Erste seine Kritiker und Gegner. Diese glaubten, noch ausreichend Zeit für ihre Umsturzpläne zu haben.
Der Parteitag wurde von der aktuellen SPÖ-Führung nach Start der Herbstsaison blitzartig für 7. März 2026 angesetzt, Babler in den SPÖ-Gremien als einziger Kandidat nominiert. Eine Vorgangsweise, die im Parteivorstand für einen nur mühsam camouflieren Eklat gesorgt hatte. Fast die Hälfte der Parteivorstandsmitglieder schwänzte die Sitzung – die einen aus chronischem Frust, die anderen aus akutem Protest gegen diese Vorgangsweise. Nachträgliche Debatten, ob die durchgedrückte Nominierung Bablers überhaupt gültig sein könne, beendete Parteigeschäftsführer und Babler-Mann Klaus Seltenheim mit dem knappen subjektiven Befund: Die Nominierung Bablers als alter und neuer SPÖ-Chef-Kandidat sei statutenkonform erfolgt.
Spitzenfunktionäre in den Bundesländern sind nicht die Einzigen, die die Sorge vor dem endgültigen Niedergang der Sozialdemokratie umtreibt. Auch Altkanzler und Ex-Parteichef Franz Vranitzky ist nach einem zweiten persönlichen Treffen mit seinem amtierenden Nachfolger diesen Herbst mehr denn je überzeugt, dass es einen Wechsel an der Spitze der Partei braucht, berichten enge Vertraute.
Er sondierte erst jüngst in einem Vieraugengespräch mit Wiens SPÖ-Chef und Bürgermeister Michael Ludwig das Terrain.


Altkanzler Franz Vranitzky macht Stimmung für einen Alternativkandidaten zu Babler: Der neue SPÖ-Vorsitzende in Oberösterreich, Martin Winkler.
Zauderkönig Ludwig
Die größte Hürde für einen baldigen Parteichef-Wechsel auf dem SPÖ-Spielfeld: Ludwig hat es der derzeit einzigen breit möglichen Babler-Alternative Kern bis heute nicht verziehen, dass dieser 2018 über Nacht den Parteivorsitz hinschmiss und Pamela Rendi-Wagner als Nachfolgerin durchdrückte. Ludwig war wie viele andere von Anfang an überzeugt, dass „Pam“ der Job eine Schuhnummer zu groß sei. Als sein Intimfeind Hans Peter Doskozil aber Rendi-Wagner stürzen wollte, reagierte der Wiener Parteichef wie meist bei Konflikten: Im Zweifel setzt der rote Zauderkönig auf den Erhalt des Status quo. Nur nicht anecken, nichts riskieren, das Erreichte absichern. Als heute nur gequält lachender Dritter ging aus dem Duell Doskozil/Rendi-Wagner Andreas Babler hervor.
Im Vorfeld des März-Parteitages gibt es so auch null Indizien, dass der Wiener Bürgermeister Babler fallen lassen könnte. Im Parteivorstand hatten die Vertreter der Wiener SPÖ geschlossen für dessen Wiederwahl gestimmt. Die Statuten lassen es zwar zu, dass im Parteivorstand spätestens Mitte Februar ein zusätzlicher Kandidat nominiert wird. „Wer dafür ist, wird es aber sehr schwer haben, das schlüssig zu begründen, nachdem er vor Kurzem noch ganz anders gestimmt hat“, sagt ein SPÖ-Insider mit heißem Draht ins Rathaus. Nachsatz: „Wir sollten mehr über Inhalte und nicht über Personen diskutieren.“
Die Wiener SPÖ ließ so jüngst Stadtrat Peter Hacker ausrücken, der den strikten Sparkurs in Sachen Gesundheit und Soziales als „idiotisch“ geißelte: „Wieso akzeptieren wir, dass Rüstungsausgaben aus den Maastricht-Kriterien ausgenommen sind, aber die Investitionen in Spitäler und Schulen nicht?” Sprich: Wiens SPÖ will den Unmut auf die „neoliberalen“ Vorgaben der EU umlenken, um Babler aus der Schusslinie zu nehmen und den Unmut der Genossen mit der Regierung zu besänftigen.
Altkanzler Franz Vranitzky macht derweil weiter unverdrossen Stimmung für einen Alternativkandidaten zu Babler, der SPÖ-intern prima vista nicht auf Widerstand, aber auf Skepsis trifft: Der neue SPÖ-Vorsitzende in Oberösterreich, Martin Winkler, bringt als Ex-Juso-Chef sozialdemokratischen Stallgeruch, als ehemaliger Unternehmer Wirtschaftskompetenz und als umtriebiger Promotor der NGO Respekt.Net auch Reputation in der Zivilgesellschaft mit. In der harten Politwährung Wahlerfolg ist er freilich erst nach den Landtagswahlen in Oberösterreich 2027 bewertbar.
Zunehmend mehr SPÖ-Kenner gehen aktuell daher davon aus, dass der Sturz von Andreas Babler vom roten Thron nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben ist. „Nachdem sich derzeit nicht alle auf einen anderen Kandidaten einigen können, wird Babler auch den kommenden Parteitag überleben“, sagt ein langjähriger SPÖ-Spitzenmann und Kenner des roten Innenlebens. „Fix ist, dass die SPÖ nicht mit Andreas Babler in die nächsten Wahlen gehen kann und wird“, sekundiert ein anderer Spitzengenosse.
Kern für Neustart nach Neuwahl
Last, but not least winkt intern auch Christian Kern zunehmend für ein Comeback ab. Seine Analyse im kleinen Kreis ist nüchtern und ernüchternd zugleich: In die Dreierkoalition und deren Programm kann und wird es keine großen Erwartungen mehr geben. Für einen Neustart werde man radikaler denken müssen. Sprich: inklusive Neuwahl und mit einem neuen Regierungsprogramm.
Der eine oder andere Koalitionspartner kalkuliert freilich aus Vorsichtsgründen nach wie vor damit, dass Christian Kern schon demnächst als Austauschspieler für Babler im Regierungsviertel einlaufen könnte. Kerns berühmter Plan A wurde zuletzt in einigen Politikerbüros sehr häufig gegoogelt und intensiv studiert.
