
Was Mock, Vranitzky und Ederer (rechtes Bild) mit der EU-Beitrittseuphorie vor 30 Jahren gelang, muss die amtierende Koalition Babler, Stocker und Meinl-Reisinger erst hinkriegen.
©photonews.at / picturedesk.com, picturedesk.com/Reuters/Leonhard FoegerWie ein beinahe letaler Budget-Krach in Salzburg zum Fanal fürs ganze Land wird. Warum eine große Kompetenzreform schon vom Start weg im Interessen-Schlamm feststeckt. Wie die türkis-rot-pinken Spitzen den Karren nun wieder flott machen wollen.
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Karoline Edtstadler hatte sich ihr Startjahr als Salzburger Landeshauptfrau anders vorgestellt. In den ersten Wochen wurde die von Wilfried Haslauer Anfang Jänner aus dem Hut gezauberte Nachfolgerin noch allerorten hofiert. Im Juli vom Landtag installiert, ging es erst nur von Premiere zu Premiere, von Empfang zu Empfang, von Galadinner zu Galadinner bei den Salzburger Festspielen. Zwischendurch machten die Amts- und Würdenträger des Landes im Chiemseehof, der vornehmen Residenz der Salzburger Landesspitze, artig ihre Aufwartung.
Sobald der letzte Vorhang im Salzburger Festspielhaus gefallen war, ging es freilich hinter den Kulissen bald ans Eingemachte der Budgetpolitik. Für die in Salzburg aufgewachsene, den Niederungen der Lokalpolitik aber längst entwachsene 44-Jährige ist das eine bittere Lektion.
Die ehemalige Verfassungs- und Europaministerin hatte bei ihren regelmäßigen Aufenthalten in Brüssel Gefallen daran gefunden, an den größeren Rädern der Politik zu drehen. Gemäß dem Motto, das auch im Wiener Regierungsviertel zu Zeiten der Kanzler Kurz, Schallenberg und Nehammer noch bis vor Kurzem galt: Koste es, was es wolle. Damit ist es auch in der Heimat von Jahrhundertgenies wie Wolfgang Amadeus Mozart und Denkmälern einmaliger barocker Pracht endgültig vorbei.
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Edtstadlers Pleite-Moment
In Zeiten gähnend leerer Kassen, in denen immer mehr Gemeinden ohne weitere Länderunterstützung Pleite anmelden müssten, hatte Karoline Edtstadler ihr erstes Budget als Landeshauptfrau zu schnüren. Zusätzliches Handicap: Der in Budgetfragen schon unter ihrem Vorgänger gewichtige Landesrat Josef Schwaiger war Anfang Oktober aus gesundheitlichen Gründen als tragende Stütze ausgefallen. Zum finalen Budgetpoker raffte sich der 60-Jährige noch einmal an den Verhandlungstisch auf, erlitt danach einen Herzinfarkt und ist Mitte dieser Woche verstorben.
„Die Karo hat sich hineingetigert, um sich perfekt für die Verhandlungen vorzubereiten. Sie ist dennoch wiederholt an ihre Grenzen gestoßen, und es ist Spitz auf Knopf gestanden“, berichtet ein teilnehmender Beobachter.
ÖVP-intern gab es heftige Auseinandersetzungen mit schwarzen Ortskaisern. Regierungsintern macht ihr das FPÖ-Gegenüber das Leben schwer. In einer finalen gut zwölfstündigen Marathonsitzung einigten sich Schwarz-Türkis und Blau auf einen Landeshaushalt, der wie bislang kein anderes Budget im Staatsgefüge dramatisch und breit sichtbar macht, unter welchem Motto bald allerorten Politik gemacht werden könnte: Blut, Schweiß und Tränen.
Den Pflegekräften, zu Zeiten von Corona mit einem 15. Gehalt belohnt, wird dieses wieder gestrichen. Ein Aus gibt es auch für Zuschüsse für Kinderkrippenplätze. Ein bereits ausverhandeltes Gehaltspaket für die Salzburger Landeskliniken wird seitens des Arbeitgebers Land gecancelt. „Wir können volkswirtschaftlich nicht das erwirtschaften, was wir im Sinne des Wohlfahrtsstaats bräuchten“, gestand Edtstadler Co-Verhandler ÖVP-Landesrat Schwaiger kurz vor seinem überraschenden Ableben offen ein.
Trotz dieses Kraftakts muss Edtstadler beim Budgetvollzug irgendwie noch 37 Millionen zusammenkratzen, um die kostspielige Neuverschuldung unter die festgezurrte Schuldenobergrenze von 350 Millionen Euro zu drücken. Die von der Neo-Landeshauptfrau ausgerufenen „schmerzhaften Einschnitte“ sind nicht nur in Salzburg erst der Anfang.
Für Parteifreunde und vor allem für die Koalitionspartner im Bund kam es dennoch überraschend, dass Edtstadler wenige Tage nach dem beinahe letalen Budgetkrach abrupt wieder in die Offensive wechselte. Im Ö1-Interview schlug sie einen großen Machtabtausch vor: Die Kompetenzen für Gesundheit sollen komplett in Bundeshand kommen, die Zuständigkeiten für Bildung vom Kindergarten bis zum Gymnasium allesamt den Ländern zufallen.


Im eigenen Bundesland budgetär in die Enge getrieben, schlug Salzburgs Landeshauptfrau
Karoline Edtstadler einen Machtabtausch vor: Gesundheit an den Bund, Bildung an die Länder.
Milliardenpoker ohne Masterplan
Eine Staatsreform war nie eine akademische Veranstaltung, bei der sich Verfassungsrechtler und Politiker am Reißbrett ihr ideales Modell des künftigen Miteinanders von Bund, Ländern und Gemeinden zimmern. Sie steht in Zeiten von immer größeren Budgetlöchern im Zeichen zweier Kardinalfragen: Wer kommt künftig für wie viele Milliarden für Schulen, Spitäler, Kranken- und Pensionskassen auf? Wer schafft in der Folge auch an, wo es wie langgeht?
Hinter der von Edtstadler entzündeten Debatte steckt aber alles andere als ein fertiger Masterplan, bedauern Insider im Regierungsviertel. Das machte auch das umgehend einsetzende höchst dissonante Meinungskonzert der Landesgewaltigen sichtbar. Zuvorderst Wiens Michael Ludwig deponierte sein Njet zum Edtstadler-Plan ungewöhnlich klar und deutlich. „Die vielen Träger des Wiener Gesundheitssystems haben schon immer die Zusammenarbeit schwierig gemacht“, sagt ein Kenner der dschungelartigen Sozialversicherungslandschaft.
Die von Türkis-Rot-Pink ausgerufene Reformpartnerschaft steht sieben Monate nach Regierungsstart auf tönernen Füßen. „Alle bekennen sich dazu, dass wir hier bis Ende 2026 etwas liefern müssen. Wir sind über die Benennung der Hauptverhandler und erste Schnupperrunden aber noch nicht hinausgekommen“, gesteht ein ÖVP-Regierungsinsider ein, der mit Edtstadlers Vorstoß inhaltlich durchaus sympathisiert.
Die Newcomer im Regierungsgeschäft geben sich noch unverdrossen, den ganz großen Wurf beim Staatsumbau zu wagen – freilich anders als zuletzt Karoline Edtstadler. Dieser Tage stellen die Pinken einen Leitantrag zur Vorabdebatte für die Mitte November fällige Neos-Mitgliederversammlung online, der fordert: Bildung zum Bund, Spitäler zu den Ländern.
Ein großer Kompetenzabtausch, dessen Umsetzung nicht ganz uneigennützig wäre: Der Pinke Christoph Wiederkehr wäre so der erste Ressortchef, der nicht mit einem Titel ohne Mittel ausgestattet ist: Ein Bildungsminister, der für jeden Fehler in den Schulen haftbar gemacht wird, aber vor Ort so gut wie null zu reden hat.
Wie auch immer ein großer Machtabtausch auch enden könnte, eine Sichtweise teilen Strategen aller drei Lager: „Wir bräuchten dringend einen Mondlandungsmoment wie den EU-Beitritt Österreichs.“
Haslauer übernimmt Bürokratie-Rodung
Für das vielfach beschworene, aber noch sehr diffuse Projekt „Reformpartnerschaft“ gibt es zwar seit Kurzem eine fixe Verwendungszusage. Salzburgs Ex-Landeshauptmann Wilfried Haslauer hat nun endgültig zugesagt, für die ÖVP eines der vier Kapitel führend zu verhandeln: eine Verfassungs- und Verwaltungsbereinigung bei der Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, um unnötige Doppelgleisigkeiten und gewachsenen Bürokratiedschungel zu roden. Dafür gibt es schon ein Bündel an Vorschlägen vor allem von Bezirkshauptleuten und von Haslauer selbst. Die großen Reformbrocken Gesundheit, Bildung und Energie harren jedoch noch politischer Herkules-Ambitionen.
Nach dem von Karoline Edtstadler angerissenen dissonanten Vorspiel sehen sich nun zuvorderst die Parteichefs gefordert. Dieses Wochenende wollen sich Christian Stocker, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger zusammensetzen, um bei diesem Megaprojekt der Koalition das Steuerruder spät, aber doch in die Hand zu nehmen.
Teilnehmer der mehrmals wöchentlich tagenden Runde der Koalitionskoordinatoren spüren schon seit Wochen Sand im Getriebe. „Wenn es darum geht, für die Öffentlichkeit ein mehr mitreißendes Bild des großen gemeinsamen Ganzen zu zeichnen, scheitert das bisher an gegenseitigem Misstrauen und ideologischen Vorbehalten“, resümiert ein Regierungsinsider. „Dort, wo in Maßnahmenkatalogen Dinge abgetauscht werden und jeder vom anderen unbehelligt etwas durchbringen kann, funktioniert die Koalition weiterhin halbwegs.“
Zuletzt hakt es freilich auch beim alltäglichen Interessenabtausch, so ein erfahrener Regierungsmann: „Wenn in Sparzeiten immer öfter ein Vertreter des Finanzministeriums beigezogen werden muss, endet das immer öfter lautstark, aber ergebnislos. Markus Marterbauers Leute pochen auch gegenüber den eigenen Ministern eisern auf Einhaltung der Budgetdisziplin.“
