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Politik Backstage: Bablers letzte Bastion

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SPÖ-Chef und Vizekanzler Andreas Babler verliert allmählich die Unterstützung seiner Länderchefs.

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Verfallende Umfragewerte, bald alle SPÖ-Landeschefs gegen sich: Wie Andreas Babler den ÖGB als einzig verbliebene rote Machtbasis umgarnt und um seine Wiederwahl als Parteichef Anfang März 2026 pokert.

Das Faktum erregte medial weitaus weniger Aufsehen als zuletzt die zwei Gegenstimmen von Neos-Abgeordneten zum mühsam paktierten Ja der drei Regierungsparteien zur polizeilichen Überwachung von Messengerdiensten im Internet. Ende Oktober gingen zwei SPÖ-Abgeordnete in Opposition zu einem Regierungsbeschluss mit hunderttausendfach mehr Betroffenen: Alle Pensionen über 2.500 Euro werden 2026 nur um zwei Prozent und damit unter der Inflationsrate erhöht.

Die SPÖ Burgenland machte nicht nur öffentlich gegen diesen „klaren Pensionsraub“ mobil. Bei der Abstimmung im Bundesrat votierten deren beide -Abgeordnete jüngst auch entgegen dem Koalitionsabkommen mit Nein. 

Im Regierungsviertel löste das jüngste Kapitel im Grabenkampf zwischen der Babler- und der Doskozil-Partie in der roten Partei nachhaltig Nervosität aus. Im Lager der Pinken war auch eine Prise Genugtuung zu registrieren. Deren Pakttreue war nach dem Nein aus ihren Reihen hinter den Kulissen von Rot und Türkis immer wieder in Frage gestellt worden. „Jetzt wird sich Babler erklären müssen, was das für die Zukunft heißt“, moniert ein Neos-Spitzenmann. 

Auch für die ÖVP sind die jüngsten SPÖ-Bebenwellen ein Grund mehr, die Zuverlässigkeit des Regierungspartners und die Aussichten auf Bestand der Koalition kritisch ins Visier zu nehmen.

Neue Folge „Politik Backstage - der Podcast“

Weniger SPÖ-Wähler, mehr Babler-Gegner

„Die Neigungsgruppe der Babler-Gegner um Doskozil wird größer statt kleiner“, resümiert ein ÖVP-Spitzenmann. Die neuen SPÖ-Landeschefs in Kärnten und Oberösterreich, Daniel Fellner und Martin Winkler, haben beide öffentlich mit dem SPÖ-No-Go Richtung FPÖ gebrochen und halten sich die Option Blau-Rot unverblümt offen. Sie werden gemeinsam mit dem Chef der SPÖ-Steiermark, Max Lercher, und dem niederösterreichischen Landeschef Sven Hergovich dem Lager der Babler-Gegner zugerechnet. In Salzburg findet sich ein Jahr nach dem Rücktritt von David Egger noch immer niemand, der die Führung der Landespartei übernehmen will, sie wird von einem Interimstrio geleitet. Vorarlberg hatte im roten Lager nie wirklich Gewicht. Die SPÖ Tirol ist nach dem Parteiausschluss des „bunten Hundes“ Georg Dornauer dabei, in der Wählergunst Richtung Einstelligkeit zu verfallen.

Auch Wien, berichten Parteiinsider, lässt als letzte Bastion innerhalb der SPÖ für Babler zunehmend aus. Nach der Babler-Skeptikerin der ersten Stunde, der Wiener Strippenzieherin und dritten Nationalratspräsidentin Doris Bures, geht auch Wiens SPÖ-Chef und Bürgermeister Michael Ludwig immer öfter auf Distanz zum ehemaligen Traiskirchner Kollegen. Die SPÖ-Granden der großen Wiener Flächenbezirke von Floridsdorf bis Simmering hielten Babler von Anfang an als Parteichef für eine Fehlbesetzung.

„Hinter Babler steht halbwegs geschlossen nur noch die Gewerkschaft“, sagt ein roter Insider. Der 52-jährige Linke hegt und pflegt daher seine einzige noch belastbare rote Machtbastion in einem Ausmaß, das intern schon länger skeptisch beäugt wird. Bablers Kabinettschefin Sandra Breiteneder, eine ehemalige Mitarbeiterin Wolfgang Katzians, hat eine Standleitung zum ÖGB-Chef, sagen rote Regierungsinsider.

Zuletzt löste zudem eine mehr als ungewöhnliche Personalentscheidung Bablers zugunsten der Gewerkschaft auch beim Koalitionspartner von Stirnrunzeln bis Kopfschütteln breites Unverständnis aus. Nach dem Wechsel des langjährigen SPÖ-Wirtschaftssprechers Christoph Matznetter vom National- in den Bundesrat war dessen Funktion im Parlamentsklub neu zu besetzen. Matznetter brachte als früherer Inhaber einer Steuerberatungskanzlei und langjähriger Wirtschaftskammer-Vizepräsident entsprechende Expertise mit.

Spitzengewerkschafter als Wirtschaftssprecher

Mit der Kärntner Mandatarin Petra Oberrauner und der Niederösterreicherin Melanie Erasim hätte Partei- und Klubchef Babler gleich zwei Frauen zur Auswahl gehabt, um den Matznetter-Job qualifiziert neu zu besetzen, so ein SPÖ-Fraktionskenner. Oberrauner verfüge aus ihrer Zeit als Unternehmensberaterin und Managerin über reichlich Wirtschaftserfahrung. Erasim hatte erst Anfang des Jahres ein eigenes Brautmodengeschäft eröffnet. 

Babler betraute mit der Funktion des roten Wirtschaftssprechers freilich erstmals einen Spitzengewerkschafter: Reinhold Binder, Chef der größten und mächtigsten Arbeitergewerkschaft innerhalb des ÖGB, der Pro-Ge. Die Abkürzung steht für Produktionsgewerkschaft, hervorgegangen aus der Fusion der einstigen Metaller- und Textilarbeitergewerkschaft. Ein Gewerkschafter als Repräsentant des ohnehin überschaubaren roten Wirtschaftsflügels – das überstieg laut Parlamentsflurfunk bislang selbst die Fantasie langjähriger Praktiker in Regierungs- und Sozialpartner-Kreisen. 

Babler sieht die Sache wie oft ganz simpel als Gegengeschäft, resümieren SPÖ-Insider. Er wertet damit die Gewerkschaft innerhalb der SPÖ noch stärker auf und erhofft sich davon
im Gegenzug mehr Unterstützung im hinter den Kulissen entflammten SPÖ-Machtkampf. 

Im neuerdings wieder wachsenden Lager seiner Gegner wurde so auch die Reaktion der Parteizentrale auf die beiden roten Gegenstimmen im Bundesrat aus dem Burgenland als hoch-nervös interpretiert. In den vergangenen Monaten wurden kritische Manöver aus dem Doskozil-Lager von der Truppe um Babler ohne jede wahrnehmbare Reaktion quittiert, aus Sicht der Bundespartei also mit Ignoranz gestraft.

Das Nein aus dem Burgenland zum Deckel bei der Inflationsabgeltung in Sachen Pensionen löste aber geharnischte Telefonate zwischen Wien und Eisenstadt aus. Noch blieb es bei gegenseitigen Drohungen, die bislang nicht wahr gemacht wurden.

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Spitzengewerkschafter Reinhold Binder ist neuer roter SPÖ-Wirtschaftssprecher – ein klares Signal an die Babler-Unterstützer.

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Zankapfel Lebensmittel-Preisdeckel

Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben ist ein auch koalitionsintern weitaus brisanteres Streitthema, das spätestens Anfang des Jahres wieder auf die Tagesordnung kommen könnte.

Angesichts immer schlechterer Umfragen, ungebrochen hoher Inflationswerte und zuletzt besonders starken Gegenwinds am Boulevard suchte Babler Anfang Oktober mit einem Vorstoß positive Schlagzeilen zu machen: Der Multiminister plädierte für eine Halbierung der Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln.

Der Vorschlag war weder mit dem Koalitionspartner noch mit dem parteieigenen Finanzminister abgesprochen, der sich einen Einnahmenentfall von rund einer Milliarde Euro weder leisten kann noch will. Am Auslöser, einer überdurchschnittlichen Inflationsrate von vier Prozent, hat sich zwar weiterhin nichts geändert. Bablers Verlangen wurde aber im Regierungsviertel rasch wieder schubladisiert.

SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer gab zur Beruhigung der internen Lage die Parole aus: Sollte die Inflation auch kommendes Jahr tatsächlich nicht in Richtung des von Stocker & Co. ausgegebenen Zielwerts von zwei Prozent sinken, könnte das heiße Eisen wieder aufs Tapet kommen. In Frage komme gegebenenfalls freilich nur eine Mehrwertsteuersenkung auf eine Handvoll Grundnahrungsmittel wie Brot, Milch, Nudeln, Reis und Gemüse. 

Im Regierungsviertel wird dieser Tage auch vor diesem Hintergrund die jüngste Umfrage von IFDD-Chef Christoph Haselmayer für die „Krone“ mit besonderer Sorge registriert, die für die SPÖ einen weiteren Absturz auf historisch einmalige 17 Prozent ausweist. 

Da half offenbar auch eine seit Monaten laufende und mit großem Aufwand betriebene Kampagne „Leistbares Wohnen“ via Plakat, Social Media und die Inszenierung eines einschlägigen kleinen Parteitags („Themenrat“) zur Propagierung von Mietpreisdeckeln nichts.

Strategen in- und außerhalb des Regierungsviertels richten sich daher schon auf die Bekanntgabe der Jänner-Inflationsrate in den ersten Februartagen ein. Sollte die Inflation bis dahin nicht nachhaltig fallen, scheint neuer scharfer Konfliktstoff am Ministerratstisch garantiert: ein neuer Vorstoß des SPÖ-Chefs für eine Streichung der Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln. 

Denn für Andreas Babler zählen seit Monaten nur eine Zahl und ein Datum: Wie schafft er seine am 7. März fällige Wiederwahl als Parteichef – ohne Gegner in letzter Minute und ohne massiven Gegenwind an Stimmstreichungen?

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