
ÖVP-Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer und SPÖ-Finanzminister Marterbauer feilschen ums abgabenfreie Trinkgeld.
©trend/Lukas IlgnerWerden Trinkgeld-Bezieher von allen Steuern und Abgaben entlastet? Hält das Junktim „Grünes Licht für Messenger-Überwachung“ gegen „Aus für Justizministerin als Weisungsgeberin“ zwischen Türkis und Pink & Rot? Wer bestellt und kontrolliert die künftigen Bundesstaatsanwälte? Vier Tage vor dem dreitägigen Sitzungsmarathon kommende Woche im Parlament sind selten viele heikle Fragen noch offen.
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- Neue Folge „Politik Backstage“ - der Podcast
- Messenger-Überwachung: Mehr Hürden in letzter Minute
- Gegengeschäft Bundesstaatsanwalt
- Nehammer ignorierte Kurz-Plan
- SPÖ-Justizchefin Sporrer prescht vor
- Grauzone Parteijob & Regierungsamt kommt teuer
- Peinliche Selbstbedienung von Grünen & Co. platzt
- ÖVP-Wirtschaftsminister: Staat soll beim Trinkgeld nicht weiter die Hand aufhalten
Im Lokal 5 des Hohen Hauses, das seit der Generalsanierung des Parlaments den Namen des Philosophen Ludwig Wittgenstein trägt, war die Erleichterung bei einigen Beteiligten nicht zu übersehen. Diesen Mittwoch Nachmittag nahm kurz vor 16 Uhr ein Prestigeprojekt von Innenminister Gerhard Karner die vorläufig letzte Hürde: Die Abgeordneten der drei Regierungsparteien gaben grünes Licht für die „Messenger-Überwachung“.
Der im Innenministerium angesiedelte Geheimdienst, der auf den sperrigen Namen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) hört, darf künftig nicht nur auf reine Verkehrsdaten am Handy zugreifen, also wer wann mit wem und wie lange telefoniert hat. Künftig dürfen die Staatsschützer auch beim Senden und Empfangen von unverschlüsselten und verschlüsselten Nachrichten auf WhatsApp, Telegram oder einem der anderen Messenger-Dienste mitlesen – das freilich nur in besonderen Fällen und mit hohen juristischen Hürden.
Neue Folge „Politik Backstage“ - der Podcast
Hier geht es zur neuen Podcastfolge von Politik Backstage - erzählt von der KI-generierten Stimme von trend-Kolumnist Josef Votzi.
Messenger-Überwachung: Mehr Hürden in letzter Minute
Die Messenger-Überwachung ist, so die Koalitionäre, ausschließlich für die Abwehr besonders schwerwiegender verfassungsgefährdender Angriffe als Ultima Ratio gedacht. Wird jemand vom DSN als Gefährder eingestuft, muss ein Drei-Richter-Senat grünes Licht für die Überwachung seiner digitalen Kommunikation geben. Die Zahl der Zugriffe ist mit dreißig pro Jahr gedeckelt. Sehen die Staatsschützer darüber hinaus Bedarf, muss der Geheimdienst-Ausschuss des Parlaments konsultiert werden.
Zusätzlich zum Drei-Richter-Senat, der jede Überwachung freigeben muss, soll auch ein unabhängiger Rechtsschutzbeauftragter unterstützt von IT-kundigen Mitarbeitern den Datenzugriff begleitend kontrollieren und Missbrauch verhindern. Um Kritikern möglichst viel Wind aus den Segeln zu nehmen, wurde last minute nicht nur ausreichend technisches Personal für die begleitende Rechtsschutz-Kontrolle garantiert: Aus einem Genehmigungsrichter wurde zudem ein Drei-Richter-Senat.
Grünes Licht für die Messenger-Überwachung gilt daher nur noch als reine Formsache. Mit Stephanie Krisper und Nikolaus Scherak wollen zwar zwei Neos-Abgeordnete dagegen votieren. Die Mehrheit von Türkis-Rot-Pink bleibt aber ausreichend.


Ex-Justizministerin Alma Zadić (Die Grünen) promotete die Bundesstaatsanwaltschaft.
© APA/Tobias SteinmaurerGegengeschäft Bundesstaatsanwalt
Im Koordinationsausschuss der Koalition wurden dieser Tage die Weichen so gestellt, dass auch das hinter den Kulissen ausverhandelte Gegengeschäft zeitgleich in die Gänge kommt. Vor allem die Pinken, aber auch die Roten verknüpften ihr endgültiges Ja zum ÖVP-Prestigeprojekt Messenger-Überwachung damit, dass auch eines ihrer Wunschprojekte Fahrt aufnimmt: die Installation eines Bundesstaatsanwalts statt des bisherigen Weisungssystems, dessen Spitze im Justizministerium liegt.
Das Vorhaben ist zwar im Koalitionsabkommen fixiert, wesentliche Detailfragen waren aber offen. Auch ein Zeitplan zur Umsetzung fehlte. Noch vor Beginn der Nationalratssitzung, die kommenden Mittwoch die Messenger-Überwachung freigibt, soll Mittwoch früh der Ministerrat eine gemeinsame Regierungsvorlage für den Bundesstaatsanwalt in die Begutachtung schicken.
Über offene Fragen wird bis zuletzt zwischen den drei Koalitionsparteien verhandelt. Weil das Vorhaben teilweise eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordert, muss auch eine vierte Partei ins Spiel kommen. Aller Voraussicht nach die Grünen, zumal deren ehemalige Justizministerin Alma Zadić die zentrale Promotorin des Projekts war.
Dabei kam der grünen Ministerin die Gunst der Stunde zu Hilfe. Nach der spektakulären ersten Hausdurchsuchung bei einem amtierenden Finanzminister, nämlich bei Gernot Blümel im Februar 2021, suchte die Kurz-ÖVP ihr Heil in der Vorwärtsverteidigung. Nach jahrelangem Njet machten die Türkisen eine Dauerforderung anderer Parteien zu ihrer eigenen: Statt des interventionsanfälligen Systems, dass am Ende der jeweilige Justizminister über Anklage oder Nicht-Anklage entscheiden kann, sollte künftig ein unabhängiger Bundesstaatsanwalt das letzte Wort haben.


Unter Ex-Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kam es nicht zur Bundesstaatsanwaltschaft - trotz ursprünglicher türkiser Begeisterung.
© APA/Helmut FohringerNehammer ignorierte Kurz-Plan
Die Ministerin nahm die ÖVP beim Wort und setzte eine mit Praktikern und Theoretikern besetzte Arbeitsgruppe ein. Als Zadić ein Jahr danach deren Bericht vorlegte, hieß der Kanzler Karl Nehammer. Die kurzfristige türkise Begeisterung für den Bundesstaatsanwalt hatte sich verflüchtigt. Statt eines gemeinsamen Kraftakts gruben sich Türkis und Grün in ihren Positionen bei wesentlichen Umsetzungsfragen ein. Die ÖVP präferierte das Modell eines Bundesstaatsanwalts, der vom Parlament eingesetzt und von diesem auch laufend kontrolliert wird. Kritiker sahen darin die Fortsetzung der jetzigen politischen Weisungsspitze mit anderen Mitteln.
Die grüne Justizministerin präferierte ein Modell, das sich davon in zwei Punkten substanziell unterscheidet: Bestellt werden soll der oberste Weisungsgeber nicht durch die Politik, sondern durch einen „Rat der Gerichtsbarkeit“, also allein durch die Justiz. Und diese soll keine einzelne Person, sondern ein Kollegialorgan küren. Begründung: Wenn das wieder nur eine Person sei, bestehe die Gefahr von persönlichem Druck und politischen Angriffen. Was damals in Expertenkreisen und Politik niemand laut aussprechen wollte, aber sehr wohl meinte: Bei einem Kollegialorgan bestehe auch nicht die Gefahr des Comebacks eines Schatten-Justizministers à la Christian Pilnacek.
SPÖ-Justizchefin Sporrer prescht vor
Der Gesetzesentwurf, den die neue SPÖ-Justizministerin Anna Sporrer ihren Regierungskollegen übermittelte, ist ein Kompromissvorschlag aus den zuletzt unverrückbar bezogenen gegensätzlichen Positionen. Die Bundesstaatsanwaltschaft besteht aus drei gleichberechtigten Juristen. Ausgewählt werden sie von honorigen Vertretern der Justiz. Über diesen Vorschlag befindet dann aber eine Mehrheit im Parlament. Am Ende entscheidet also das Hohe Haus, wer Bundesstaatsanwalt wird, im Fall grob pflichtwidriger Verstöße kann es diesen auch – ähnlich wie einen Ressortchef per Ministeranklage – sanktionieren.
Grauzone Parteijob & Regierungsamt kommt teuer
Noch nicht auf der Tagesordnung des Parlaments stehen gleich mehrere Vorhaben, die Türkis-Rot-Pink beim nächstwöchigen Kehraus im Hohen Haus vor Start der Sommerferien unbedingt in trockene Tücher bringen will.
Weil sie zu Strafen von mehr als 200.000 Euro verdonnert worden waren, hatten sich die Parteimanager von Türkis, Rot, Pink und Grün rasch darauf verständigt, das Parteiengesetz zu ihren Gunsten zu reparieren. Social-Media-Accounts von Spitzenpolitikern differenzieren nicht zwischen Partei- und Regierungsjob und weisen zudem meist die jeweilige Partei als Inhaber aus. Das hatte jüngst dazu geführt, dass Postings von Ministeriumsmitarbeitern in Regierungsangelegenheiten als Parteispende qualifiziert wurden.
Die Vermischung zwischen Partei- und Regierungsagenden bleibt auch auf anderen Ebenen eine Grauzone: Werden Christian Stocker, Andreas Babler oder Beate Meinl-Reisinger zum Sommergespräch eingeladen, dann nicht als Regierungsmitglieder, sondern – analog zu ihren Oppositionskollegen – als Parteichefs. Vorbereitet werden solche Auftritte von Kanzler und Ministerin in der Regel aber von den PR-Leuten in ihren Ämtern, zumal sich auch die Fragen nicht nur an den Parteichef richten.
Peinliche Selbstbedienung von Grünen & Co. platzt
Im Fall der Social-Media-Accounts soll diese Grauzone nun mit einer klaren Regelung repariert werden: Die Absender des Postings (Partei oder Regierungsamt) sollen künftig klar ausgeschildert werden. Zuvorderst die Grünen, so ein teilnehmender Beobachter, hätten darauf gedrängt, dass die Gesetzesreparatur rückwirkend gilt und damit die saftigen Strafen obsolet sind: „Denn die knapp 100.000 Euro Strafzahlung würden den Grünen als Oppositionspartei besonders weh tun.“
Dass nun just die Grünen die Flucht nach vorne antraten und proklamierten, das mit der Rückwirkung sei nie so gemeint gewesen und dass sie keinen Straferlass gewollt hätten, wertet der Vertreter einer Regierungspartei „als echte Chuzpe. Dieses Verhalten der Grünen werden wir nicht vergessen. Die sind aufgeschrieben.“


ÖVP-Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer und SPÖ-Finanzminister Marterbauer feilschen ums abgabenfreie Trinkgeld.
© trend/Lukas IlgnerÖVP-Wirtschaftsminister: Staat soll beim Trinkgeld nicht weiter die Hand aufhalten
Vollkommen offen ist noch, ob und wie das Tauziehen innerhalb der Regierung in Sachen Trinkgeld ausgeht. Die ÖVP, allen voran Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, will eine vollständige Steuer- und Abgabenbefreiung für alle Trinkgeld-Bezieher. Die SPÖ-Riege, angeführt von Finanzminister Markus Marterbauer und Sozialministerin Kora Schumann, drängt darauf, dass dieses Körberlgeld weiterhin sozialversicherungspflichtig ist und damit auch für die Höhe der Pension relevant bleibt.
Nach der Sitzung der Nationalratspräsidenten gemeinsam mit den Klubobleuten, die diesen Donnerstag die Tagesordnung für die drei Kehraus-Tage im Hohen Haus von Mittwoch bis Freitag fixieren sollte, ließ die sogenannte „Präsidiale“ daher lapidar verlauten: „Sollten weitere Vorlagen rechtzeitig plenumsreif werden, könnte die Tagesordnung noch entsprechend angepasst werden.“