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Othmar Karas: „Innere Aufbruchsstimmung“

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Othmar Karas

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Das Forum Alpbach hat begonnen: Der neue Alpbach-Präsident Othmar Karas spricht über Kommunikationsfehler, die dringend notwendige Ergebnisorientierung des Forums, prominente CEOs und erforderliche Gegengewichte zu Putin, Trump & Co.

trend: Womit soll man die Ära Karas beim European Forum Alpbach (EFA) später einmal verbinden?

Othmar Karas: Das Forum ist ebenso wie die Europäische Union nie fertig. Es ist „work in progress“. Was bleiben soll, ist die Interdisziplinarität: Zusammenhänge erkennen und verstehen. Und der intergenerationale Dialog. Daher die Weiterentwicklung des Stipendienprogramms. Wichtig ist der Ausbau der ganzjährigen Tätigkeit unserer Alpbach-Clubs, die es in 34 Ländern gibt, ganz im Sinne von EFA 365. Was ich mir wünsche, ist, dass wir lösungsorientierter werden und Antworten auf die Fragen unserer Zeit geben.

trend: Ihr Vorgänger Andreas Treichl wollte Silos einreißen und die früher nach Disziplinen strikt getrennten Fachgespräche zusammenführen. Dabei bleibt es?

Ja. Der Silo ist im Widerspruch zur Interdisziplinarität. Es gibt ja wahnsinnig viele reine Netzwerkveranstaltungen, wo sich immer nur die jeweilige Community trifft. Der große Wert von Alpbach besteht darin, dass man bei uns mit anderen Zugängen als den eigenen konfrontiert ist. In der Kommunikation der Auflösung der Silos haben wir aber sicher Fehler gemacht, es gab einen Mangel an Klarheit.

trend: Das hat dazu geführt, dass sich die Innovationscommunity mit den Technology Talks im September ein eigenes Forum geschaffen hat. Wollen Sie die zurückgewinnen?

Technologie sollte eigentlich die Lösung für alle Ziele sein, die wir erreichen wollen: keine Erreichung der Klimaziele ohne Weltmarktführerschaft bei grünen Technologien. Keine Sicherheitsunion, keine Energieeinsparung ohne einen Boost an technologischem Fortschritt. Technologie ist eine Querschnittsmaterie. Niemand ist ausgeschlossen. Als Signal habe ich deshalb Sabine Herlitschka von Infineon als Vize präsidentin des Forums vorgeschlagen. Und einer meiner ersten Besuche in meiner Funktion war bei den Führungskräften des Austrian Institute of Technology (AIT). Viele von ihnen werden dieses Jahr in Alpbach sein.

trend: Das diesjährige Generalmotto „Recharge Europe“ deutet ja schon an, dass Europas Batterien nicht oder nicht richtig geladen sind. Welche Ladestationen schlagen Sie vor?

Der Ort Alpbach selbst und der Spirit sind bereits eine der Ladestationen. Wo auch immer ich in der Welt hinkomme, treffe ich Menschen, die schon einmal in Alpbach waren und voll Begeisterung erzählen, wen sie dort getroffen haben. Die zweite Ladestation sind die Menschen selbst. Jeder Erfolg hängt von ihnen ab. Das gilt auch für negative Entwicklungen: Der Krieg in der Ukraine trägt einen Namen: Putin. Viele geopolitische Veränderungen auch: Trump.

trend: Nicht unbedingt Vorbilder.

Es geht um Entscheidungen, die von diesen Menschen getroffen werden, und die Frage, was das für alle bedeutet. Das ist ja die Debatte, die sich etwas verändert und auch bei der KI stellt: Entscheidet jemand anderer über mich oder versuche ich selbst, in der Entscheidungskette als Mensch zu handeln?

trend: Weitere Ladestationen?

Nur wenn wir eine gemeinsame europäische Haltung und Position haben, spielen wir in der geopolitischen Veränderung eine Rolle. Es geht jetzt aber in erster Linie darum, dass wir die Dinge, die wir beschlossen und versprochen haben, auch umsetzen und vollenden, etwa den gemeinsamen Binnenmarkt oder die Klimaziele. Derzeit bürokratisieren und blockieren wir noch zu viel.

trend trifft Alpbach

trend: Sie haben in einem APA-Interview gesagt, man müsse „eine Aufbruchsstimmung entwickeln“. So etwas entwickelt man doch nicht im Labor eines Thinktanks, oder?

Ich hätte gerne, dass jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer, egal wie lange sie oder er in Alpbach war, für sich selbst mit einer inneren Aufbruchsstimmung nach Hause fährt. Und dass diese Stimmung, diese Erkenntnis, dieser Bewusstseins-Change, der vielleicht stattgefunden hat, weiter weiterentwickelt wird.

trend: Alpbach hatte immer den Ruf eines groß dimensionierten alpinen Debattierclubs, bei dem unklar bleibt, was bei den Entscheidungsträgern unten im Tal ankommt. Wie können Sie dieses Image verbessern?

Es ist uns diesmal gelungen, die Zahl der Spitzenpolitiker, der CEOs und der EU-Kommissare deutlich zu erhöhen. Wir haben 17 Mitglieder der österreichischen Bundesregierung da, wenn man die Staatssekretäre dazuzählt. Die Diskussionen kommen ganz direkt an.

trend: Und diese Spitzenrepräsentanten sollen dafür sorgen, dass die Alpbach-Botschaften verbreitet werden?

Wir wollen natürlich forcieren, dass die Themen in den Regionen und Ländern vor- und nachbereitet werden. Wir wollen ergebnisorientierter sein. Mir schwebt vor, dass man am Ende des Forums eine Ergebniszusammenfassung hat, die wir jedem Teilnehmer mitgeben.

trend: Ein Beispiel?

Wir hatten letztes Jahr das Verteidigungs-Lab. Mit den Ergebnissen und der Weiterentwicklung der Ergebnisse hatten wir dann einen Side Event bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Wir hatten einen Side Event beim NatoGipfel in Den Haag. Wir haben eine Jugendstudie mit Thinktanks in Brüssel durchgeführt. Wir waren in Warschau. Wir versuchen, die Dinge also auch in die Umsetzung zu bringen und uns verstärkt in die öffentliche Diskussion einzubringen Auch dieses Jahr gibt es wieder ein Verteidigungs-Lab.

trend: Kommen auch FPÖ-Politiker, die Alpbach traditionell kritisch bis feindlich sehen?

Ich weiß nicht, wer sich angemeldet hat. Die Entscheidung, ob man kommt, treffen die Menschen selbst. In jedem Fall kommt der Bundeskanzler mit einem Staatsgast, dem belgischen Ministerpräsidenten. Auch der Herr Bundespräsident kommt und die Frau Außenministerin. Wir haben viele aktuelle CEOs vor Ort, von der Erste Group bis hin zu Bayer, den ÖBB und dem Verbund, um nur einige zu nennen.

trend: Wir haben in diesem Heft eine hochinteressante Umfrage (siehe Seite 6). Die befragten Österreicher:innen sehen Europa in Sachen Kultur und Mentalität klar überlegen, aber bei Wirtschaft und Zukunftstechnologien ist China eindeutig vorn, bei der Verteidigung die USA. Aus Museen lässt sich aber kaum Zukunft bauen, oder?

Das Ergebnis überrascht mich überhaupt nicht. Die Frage ist, was die Ursachen und die Konsequenzen dieses Meinungsbildes sind. Bei den Ursachen würde ich sagen: mangelndes Selbstbewusstsein und eine mangelnde Debatte über die Stärken Europas und Österreichs. Die EU hat 450 Millionen Bürgerinnen und Bürger, Nordamerika hat 360 Millionen. Als wir Österreicher der EU beigetreten sind, war es eine EU der zwölf Mitgliedstaaten. Heute sind es 27. Wir sind einer EU mit unterschiedlichen Währungen beigetreten, ohne Schengen, ohne Grundrechtecharta. Wir können also auch stolz sein auf das, was erreicht wurde. In vielen Fällen waren wir aber sicher auch zu bequem und zu naiv, etwa in der Frage der Energieabhängigkeit von Russland bei Öl und Gas.

trend: Und was sind die Konsequenzen, von denen Sie gesprochen haben?

Den Binnenmarkt vollenden, nicht weiter fragmentieren und bürokratisieren. Das wollen wir anhand dreier Themen vertiefen: die Energieunion, die Kapitalmarktunion und die Verteidigungsunion.

trend: Apropos vollenden und umsetzen: Der Investor Hermann Hauser hält den AI Act der Union für „europäischen Selbstmord“. Sollte man da und dort vielleicht rückbauen, noch bevor man ans Umsetzen geht?

Ich bin immer ein Gegner davon gewesen, den Status quo gegenüber der Zukunft zu verteidigen. Wir müssen uns, und das ist ja der Geist von Alpbach, ständig weiterentwickeln, als Menschen und legistisch. Ich sehe es nur nicht so schwarz-weiß. Wir hatten während der Entstehungsgeschichte des AI Acts so viele Anfragen aus anderen Teilen der Welt wie noch nie. KI verlangt ja mehr, nicht weniger kritisches Denken. Und ich bin davon überzeugt, dass nur ein starkes Wertegerüst die Grundlage dafür ist, die Chancen von KI optimal zu nutzen und auch richtig zu bewerten. Ich würde also nicht sagen, dass jede Regel eine Behinderung ist.

trend: Es geht ja nicht um die Regeln an sich, sondern um den Wettbewerbsvorteil, den die anderen lukrieren können, wenn man selbst früher zu regulieren beginnt.

Herr Trump hat vor einigen Tagen gesagt, dass das gesamte Datenmaterial, das die KI abschöpfen kann, kostenlos sein soll: Medieninhalte, Kunst etc. Was bedeutet das für das Urheberrecht? Frau von der Leyen hat hingegen gesagt, es braucht eine Art Rat der Vereinten Nationen für KI-Fragen, wo jeder seine Erkenntnisse einbringt. Auch ich halte so etwas für notwendig. Man könnte es so sehen: In der Frage der KI-Regulierung ist die EU schneller als die anderen. Das war nicht immer so.

Zur Person

Das Interview ist in der trend.EDITION vom 8. August 2025 erschienen.

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