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Sturm, Vertrauen, Erfolg – Was Segeln über starke Teams verrät

In Kooperation mit Edlinger & Partner Consulting.
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11 min
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Auf See zeigt sich Führung wie unter dem Brennglas: Druck macht ängstlich, Unterstützung macht handlungsfähig. Als die Crew unter Lautstärke stockte, half erst der Haltungswechsel – zu Sicherheit, Orientierung und geteilter Verantwortung. Der Beitrag zeigt, wie Rollenklärung entlastet, wie Selbstorganisation trägt (mit Sinn, Regeln, Vertrauen) und warum externe Perspektiven in Turbulenzen den Kurs neu setzt. So wird aus einem Segelmanöver eine Lernfolie für Teams: weniger Kommandos, mehr Klarheit – gemeinsam zurück auf Linie.

Führung à la Kontrollverlust.

Ende September, Ionisches Meer. Acht Menschen, ein 48-Fuß-Katamaran. Drei Minuten Einschulung. Wir legen ab. Regen prasselt auf das Deck. Der Skipper zieht sich das Ölzeug an, drückt den Autopilot-Knopf – klack. Der Automat klemmt. Das Boot steuert seinen eigenen Kurs – mitten im Kanal, umringt von unzähligen Segelbooten – in die falsche Richtung. Der Skipper ringt mit dem Steuer, ruft Kommandos, die keiner versteht.

Das erste Anlegemanöver, in einer wunderschönen Bucht, wird zum Desaster. Kein Plan, keine Rollen, keine Ansagen. Acht Menschen, acht Meinungen, zehn Stimmen gleichzeitig. Fender fliegen, Leinen verheddern sich, Chaos pur. Die Crew blickt ratlos umher. Nebenan beschwert sich eine Yacht über den Lärm. Der Skipper ruft zurück: „You can leave if you want!“

Am nächsten Tag dasselbe Spiel. Und am dritten Tag – der Höhepunkt: Wir liegen schlecht. Ein neuer Anlegeversuch, spät abends. Keiner weiß, was der Skipper eigentlich will. Die Mooring verfängt sich in der Schiffsschraube, das Boot ist manövrierunfähig. Sturmwarnung. Hektik. Stimmen, Bewegung, Chaos. 23:00 Uhr.

Ein 72-jähriger Nachbarskipper taucht auf – angezogen vom Lärm. Kein Wort zu viel, kein Ärger, keine Schuldzuweisung. Er schaltet den Motor ab, erklärt ruhig, wie wir vorgehen. Eine Stunde später liegen wir sicher vertäut. Dieselbe Crew, dieselbe Aufgabe – aber plötzlich Struktur, Ruhe, Vertrauen.

Diese Szene war mehr als ein Segelabenteuer. Sie war ein Live-Experiment in Teamdynamik. Aber hey: Es war ein perfekter Törn. Traumhafte Buchten. Tolles Team. Super viel Spaß. Viel gelernt.

Vertrauen ist die Basis jeder erfolgreichen Zusammenarbeit.

Stephen CoveyBestseller-Autor von Selbsthilfe-Büchern

Zwischen Chaos und Klarheit

Projektteams in Unternehmen sind Crews auf einem Segelboot erstaunlich ähnlich: temporär zusammengestellt, unter Zeitdruck, mit wechselnden Bedingungen und begrenzten Ressourcen. In beiden Kontexten gilt: Erfolg hängt weniger von individuellen Fähigkeiten ab als von der Qualität der Zusammenarbeit.

Der britische Forscher Bruce Tuckman beschrieb schon 1965 die Phasen jeder Teamentwicklung: Forming, Storming, Norming, Performing, Adjourning.

Unser Boot befand sich anfangs mitten im Storming: Orientierungslosigkeit, Machtfragen, Konflikte. Erst durch die Intervention des Nachbarskippers entstanden Struktur, Vertrauen und Klarheit – und wir wechselten ins Norming, also in die Phase, in der Rollen, Erwartungen und Abläufe abgestimmt sind.

Im Projektkontext passiert das Gleiche: Ohne bewusste Begleitung bleiben viele Teams im Storming stecken – es herrscht Aktivität, aber keine Wirksamkeit.

Führung bedeutet, Menschen zu ermutigen, über sich hinauszuwachsen.

Gerald HütherNeurobiologe

Führung als Beziehung, nicht als Anweisung

Der Hirnforscher Gerald Hüther betont, dass Menschen ihr Potenzial nur dann entfalten, wenn sie sich als Teil einer vertrauensvollen Gemeinschaft erleben. Diese Haltung steht im Gegensatz zu klassischen Führungsmodellen, die auf Kontrolle, Anweisung und Bewertung setzen.

Auch auf unserem Boot zeigte sich: Der Skipper, der über Druck und Lautstärke führte, löste Angst, Ratlosigkeit und Passivität aus. Der erfahrene Nachbarskipper dagegen verkörperte das, was der Hirnforscher Hüther „Supportive Leadership“ nennt – Führung, die Sicherheit bietet, Orientierung schafft und Verantwortung teilt.

Für Projektteams bedeutet das: Führung ist weniger eine Rolle als eine Funktion, die situativ entsteht. In komplexen Umfeldern übernehmen Menschen Führung, wenn sie Expertise, Überblick oder Ruhe einbringen. Entscheidend ist nicht, wer führt, sondern wie.

Gute Führung bedeutet, Ruhe zu bewahren, wenn alle um dich herum in Bewegung sind.

Winston ChurchillBritischer Staatsmann

Rollenklärung als Anker

Der britische Forscher Meredith Belbin fand heraus, dass erfolgreiche Teams aus unterschiedlichen, sich ergänzenden Rollen bestehen – kreative Ideengeber, Umsetzer, Koordinatoren, Perfektionisten, Teamarbeiter.

Unser Boot hatte alle Rollen – nur wusste es niemand. Erst als wir explizit Aufgaben verteilten („Du nimmst das Steuer“, „Du hältst die Fender“), entstand Koordination. Rollenklärung ist kein bürokratischer Akt, sondern psychologische Entlastung: Menschen wissen, woran sie sind.

In Projekten gilt dasselbe: Unklare Zuständigkeiten führen zu Reibung, Doppelarbeit und Frust. Rollenbewusstsein hingegen schafft Struktur und Vertrauen – beides Grundpfeiler erfolgreicher Kooperation.

Selbstorganisation braucht Halt

Der Organisationsforscher Frederic Laloux beschreibt in Reinventing Organizations, wie Teams in „Teal“-Organisationen eigenverantwortlich arbeiten – nicht trotz, sondern wegen fehlender Hierarchien. Doch Selbstorganisation funktioniert nur, wenn sie auf einem gemeinsamen Sinn, klaren Spielregeln und gegenseitigem Vertrauen basiert.

Auf unserem Katamaran bildete sich am Ende genau dieses Muster: Einer übernahm still die Koordination, ein anderer brachte Ruhe hinein, jemand achtete auf Sicherheit. Keine formelle Hierarchie, aber funktionale Führung.

In Projekten bedeutet das: Selbstorganisation ist kein „Laissez-faire“, sondern ein bewusst gestalteter Prozess. Führungskräfte müssen dafür sorgen, dass Rahmen, Ziele und Entscheidungsprinzipien klar sind – erst dann kann Freiheit produktiv werden.

Wenn externe Unterstützung den Kurs neu setzt

Der 72-jährige Nachbarskipper war in unserer Geschichte das, was in Organisationen oft fehlt: eine neutrale, erfahrene Instanz, die in Krisen Orientierung bringt. In der systemischen Teamentwicklung spricht man hier von einer Meta-Perspektive – einer Außenansicht, die hilft, Muster zu erkennen, die von innen nicht mehr sichtbar sind.

Projektteams profitieren enorm, wenn sie regelmäßig Reflexionsräume schaffen: kurze Retrospektiven, externe Moderation, Coaching. Nicht als Kontrolle, sondern als Spiegel. So kann ein Team aus der „Turbine des Alltags“ auftauchen und wieder klar navigieren.

Keiner von uns ist so klug wie wir alle.

Ken BlanchardUnternehmer und Autor von Managementbüchern

Vom Sturm zum Flow: Was Teams stark macht

Am Ende unserer Segelwoche funktionierte die Crew fast lautlos. Kein Chaos mehr, kaum Kommandos – und doch wusste jeder, was zu tun war.

Das ist der Punkt, den der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi als Flow beschreibt: ein Zustand kollektiver Konzentration, in dem Individuen und Gruppe verschmelzen.

Projektteams erreichen diesen Zustand, wenn drei Bedingungen erfüllt sind:

1.         Klare Ziele – alle wissen, wohin die Reise geht.
2.         Eindeutige Rollen – jeder kennt seinen Beitrag.
3.         Offene Kommunikation – Fehler sind Lerngelegenheiten, keine Bedrohungen.

Doch Flow entsteht nicht einmalig, sondern durch kontinuierliche Reflexionsschleifen. Teams, die bei jedem erreichten Meilenstein innehalten, lernen schneller, passen sich besser an und vertiefen ihr Vertrauen. Dann wird aus Pflicht Zusammenarbeit – aus Zusammenarbeit Vertrauen – und aus Vertrauen Wirkung.

Erfolg ist, wenn die Zusammenarbeit im Sturm standhält.

Unbekannt

Fazit: Führen heißt gemeinsam den Kurs finden

Jedes Team segelt irgendwann durch unruhige Gewässer: Planänderungen, Zeitdruck, Missverständnisse. Entscheidend ist nicht, ob Chaos entsteht – sondern, wie man gemeinsam wieder Kurs findet.

Echte Führung bedeutet heute nicht, das Steuer festzuhalten, sondern die Crew zu befähigen, es selbst zu übernehmen. Denn am Ende gilt – auf See wie im Business: Nicht der Lauteste gibt den Kurs vor, sondern der, der Ruhe reinbringt, wenn alle den Kompass verloren haben.

Was würde passieren, wenn Ihr Team morgen in See sticht – und niemand sagt, wohin?

Quellen & Literatur

Belbin, R. Meredith (2010). Team Roles at Work. Routledge, London.
Tuckman, Bruce W. (1965). Developmental Sequence in Small Groups. Psychological Bulletin.
Laloux, Frederic (2014). Reinventing Organizations: Ein illustrierter Leitfaden sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Nelson Parker, Brussels.
Hüther, Gerald (2016). Wie Träume wahr werden: Das Geheimnis der Potentialentfaltung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.

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Monika Edlinger, MBA

 © Petra Nestelbacher

Über die Autorin

Monika Edlinger, MBA
Systemische Unternehmensberaterin, Coach, Gruppendynamikerin und Dozentin. Als Geschäftsführerin von Edlinger & Partner Consulting begleitet sie Führungsteams, Projektteams und Teams in Transformation, Wachstum und Krise. Sie verbindet strategische Klarheit mit menschlicher Tiefe – und macht Teams zu dem, was sie wirklich stark macht: ihrer eigenen Identität.

Aufgewachsen in den Bergen, in einem lebendigen Familienclan, hat sie früh gelernt, wie Gemeinschaft trägt – und wie sie gleichzeitig herausfordert. Ihr Weg: Real Connection. Real Growth. Real Impact.

Expertise

- Expertin für Teamentwicklung, Projektmanagement & Organisationsentwicklung
- Systemische Unternehmensberaterin und zertifizierte Business-Coach
- Ihre Arbeit wurde international durch EFMA und Accenture mit dem Distribution & Marketing Innovation Award – in der Kategorie Workforce Experience – ausgezeichnet

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