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Die Macht der positiven Emotionen

In Kooperation mit Dr. Marcus Täuber.
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und warum gute Gefühle das stärkste Kapital im Business sind. Es gibt Tage, an denen alles fließt. Das Team zieht an einem Strang, Ideen entstehen fast von selbst, Entscheidungen fallen leicht – und die Zeit vergeht wie im Flug. Niemand muss „performen“, niemand „pushen“. Es läuft einfach. Am Ende des Tages bleibt dieses leise Gefühl von Stolz und Zufriedenheit.

Doch was, wenn positive Emotionen nicht die Folge gelungener Arbeit, sondern deren Voraussetzung sind? Neurowissenschaftliche Studien zeigen: Erfolg ist kein Erzeuger, sondern ein Ergebnis guter Gefühle. Grund genug, die Macht positiver Emotionen im Business genauer zu betrachten – und sie bewusst zu kultivieren.

Die unterschätzte Intelligenz der Emotionen

Lange galten Emotionen in Organisationen als Störgröße rationaler Entscheidungsprozesse. „Emotionen sind privat, Ergebnisse sind professionell“ – so lautete die ungeschriebene Regel vieler Führungsetagen.

Die Neurowissenschaft denkt längst anders. Emotionen sind nicht das Gegenteil von Vernunft, sondern ihr Ursprung. Sie lenken Aufmerksamkeit, geben Energie, priorisieren Ziele – ohne Gefühl keine Entscheidung, keine Motivation, kein Sinn.

Der Neurowissenschaftler Antonio Damasio zeigte bereits in den 1990er-Jahren in einer Reihe von Fallstudien mit Patientinnen und Patienten, deren emotionale Zentren geschädigt waren, dass diese Menschen logisch denken, aber keine sinnvollen Entscheidungen mehr treffen konnten. Erst Emotionen verleihen Optionen Wert – sie sind das Betriebssystem rationalen Handelns.

Wie gute Gefühle wirken – die Forschung dahinter

Neurowissenschaftlich betrachtet sind gute Gefühle kein esoterischer Luxus. Es handelt sich um präzise messbare Zustände mit biologischen Funktionen. Positive Emotionen verändern die Architektur des Gehirns – sie schalten Stressreaktionen ab und aktivieren Netzwerke, die mit Kreativität, sozialer Intelligenz und Selbststeuerung verbunden sind.

Im limbischen System dämpfen sie die Aktivität der Amygdala, unseres inneren Alarms, und entlasten so das neuronale Stresssystem. Gleichzeitig werden die präfrontalen Hirnareale stärker aktiv – dort, wo Sinn, Selbstkontrolle, Empathie und Planung sitzen. Das Ergebnis: Wir denken klarer, handeln weitsichtiger und können selbst in Drucksituationen gelassener bleiben.

Diese Effekte sind in zahlreichen Studien belegt. Die Psychologin Barbara Fredrickson (University of North Carolina) beschreibt in ihrer Broaden-and-Build-Theorie, dass positive Emotionen die Aufmerksamkeit erweitern und kognitive Flexibilität erhöhen. Freude, Dankbarkeit und Interesse öffnen den Geist – sie fördern Problemlösung, Kreativität und soziale Verbundenheit.

Auch der Neurowissenschaftler Richard Davidson (University of Wisconsin–Madison) konnte in bildgebenden Verfahren zeigen, dass positive Emotionen die Aktivität im linken präfrontalen Kortex steigern – einem Areal, das mit Optimismus und Zielorientierung assoziiert ist. Menschen mit einer höheren Grundaktivität in diesem Bereich sind emotional stabiler, belastbarer und zeigen eine schnellere Erholung nach Stress.

Gute Gefühle sind ein präzises Zusammenspiel neurochemischer Prozesse. Vier Botenstoffe spielen dabei die Hauptrolle:

  • Dopamin – steigert Lernfreude, Neugier und Zielmotivation. Es belohnt Fortschritt und sorgt für das Gefühl von Flow.

  • Noradrenalin – erhöht Wachheit und Reaktionsgeschwindigkeit. Es sorgt für Fokussierung ohne Angst.

  • Serotonin – stabilisiert Stimmung und Zufriedenheit, reguliert Impulse und fördert soziale Gelassenheit.

  • Oxytocin – stärkt Vertrauen, Kooperation und Empathie – die unsichtbare Chemie erfolgreicher Teams.

Diese Neurotransmitter interagieren dynamisch. Wenn wir Freude empfinden, wird die Amygdala beruhigt, der Stresspegel sinkt, und das Gehirn schaltet vom Überlebens- in den Entfaltungsmodus. Es entsteht eine „mentale Aufwärtsspirale“: Ein positiver Gedanke erzeugt ein gutes Gefühl, das zu klarerem Denken führt – wodurch wiederum leichter positive Gedanken entstehen.

Neurowissenschaftlich betrachtet sind Gefühle wie Freude mentale Verstärker: Sie erhöhen die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, verbessern die Gedächtnisleistung und stärken soziale Kohärenz – also das Zusammenspiel im Team.

Wenn wir uns gut fühlen, denkt das Gehirn nicht nur schneller, sondern klüger.

Marcus Täuberpromovierter Neurobiologe, Lehrbeauftragter und Leiter der Brain Changer Academy.

Search Inside Yourself – wie Google lernte, das Gehirn zu führen

2007 startete Google ein Programm, das in einer Welt aus Daten und Algorithmen fast paradox wirkte: „Search Inside Yourself“ (SIY). Ein Kurs, der Ingenieurinnen, Ingenieuren und Führungskräften beibringen sollte, ihren Geist zu trainieren – nicht ihren Code.

Initiiert wurde das Programm von Chade-Meng Tan, einem Google-Ingenieur der ersten Stunde, in Kooperation mit Neurowissenschaftlerinnen, Psychologen und Achtsamkeitstrainerinnen der Stanford University. Ziel war es, die emotionale Intelligenz der Mitarbeitenden zu stärken – jene Fähigkeit, die der Psychologe Daniel Goleman als „entscheidend für Führungserfolg“ bezeichnete.

Die Teilnehmenden lernten, Aufmerksamkeit zu lenken, Emotionen zu erkennen und bewusst zu reagieren. Nach acht Wochen berichteten sie über mehr Fokus, Empathie und Stressresistenz. Eine Studie der Stanford University zeigte, dass Teilnehmende nach dem Programm signifikant geringere Stressbelastung, erhöhte Emotionswahrnehmung und mehr prosoziales Verhalten zeigten. Auch interne Auswertungen bei Google belegen:

  • 89 % berichteten von verbesserter Aufmerksamkeit,

  • 79 % fühlten sich empathischer,

  • Teams mit SIY-zertifizierten Führungskräften erzielten höhere Kooperationswerte.

Das Programm verband den analytischen „Task Mode“ des Gehirns mit dem „Empathy Network“ – jenen Arealen im präfrontalen und temporoparietalen Kortex, die für Selbstwahrnehmung und Mitgefühl zuständig sind.

Mittlerweile wird das Search Inside Yourself Leadership Institute (SIYLI) in über 50 Ländern eingesetzt. Unternehmen wie SAP, Ford oder LinkedIn berichten von sinkenden Burn-out-Raten, höherem Engagement und gesteigerter Innovationskraft.

Damit bestätigt SIY, was Fredrickson wissenschaftlich beschrieben hat: Positive Emotionen erweitern das Denken, fördern Flexibilität und stärken soziale Bindungen – die Grundlage moderner Führung.

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Die GG-Methode – gute Gefühle in fünf Schritten

Im Buch „Gute Gefühle“ findet sich ein praxisnahes Konzept, das direkt ins Business übertragbar ist: die GG-Methode (GG steht für „Gute Gefühle“). Sie verbindet neurowissenschaftliche Prinzipien mit psychologischer Selbststeuerung.

  1. Nennen & Kennen – Klarheit schaffen
    Probleme, Emotionen und Gedanken werden konkret benannt, nicht bewertet.
    Beispiel: nicht „Ich bin gestresst“, sondern „Ich fühle Druck, weil ich glaube, dass ich zu wenig Zeit habe.“ Diese Unterscheidung aktiviert bereits den präfrontalen Kortex – das Zentrum rationaler Kontrolle.

  2. Emotionaler Kompass – Zielgefühl definieren
    Statt „Was will ich vermeiden?“ lautet die Frage: „Wie möchte ich mich fühlen, wenn es gut läuft?“ Etwa: ruhig, fokussiert, zuversichtlich. Das Zielgefühl fungiert als neuronaler Anker – es verknüpft Motivation mit Klarheit.

  3. Aufräumen – Rahmen gestalten
    Nicht Disziplin, sondern Design zählt: Welche Bedingungen unterstützen das Zielgefühl? E-Mail-Benachrichtigungen aus, klare Fokuszeiten, mehr Licht, weniger Lärm. Kleine Anpassungen stabilisieren Emotionen besser als reine Willenskraft. Identifizieren Sie also, was Ihrem Zielgefühl schadet und was es fördert – und gestalten Sie Schreibtisch oder Wohnzimmer entsprechend um.

  4. Werbung in eigener Sache – Bild & Slogan
    Koppeln Sie das Zielgefühl mit einem inneren Bild und einem Slogan, etwa: „Klarheit atmet“ oder „Leise ist stark.“ Solche Metaphern wirken als emotionale Kurzbefehle – sie aktivieren die gewünschten Gefühle in Sekunden.

  5. Die zehn guten Gefühle – Wiederholung als Schlüssel
    Positive Emotionen trainieren – das trägt langfristig die besten Früchte, um mentale Gesundheit und Motivation zu erhöhen: Freude, Dankbarkeit, Gelassenheit, Interesse, Hoffnung, Stolz, Vergnügen, Inspiration, Ehrfurcht, Liebe. Diese „Top Ten“ sollten täglich bewusst erlebt werden – nicht alle, aber zumindest zwei bis drei. Entscheidend ist dabei weniger die Intensität, sondern vielmehr die Häufigkeit. Schon wenige positive Mikromomente täglich verändern langfristig die neuronale Grundstimmung.

Ein steirisches Biotech-Start-up führte die Methode in wöchentlichen Team-Reviews ein. Nach drei Monaten berichteten Mitarbeitende von weniger Stress, mehr Klarheit und subjektiv höherer Produktivität.

Das bestätigt auch eine Meta-Analyse von Sonja Lyubomirsky (University of California): Glückliche Menschen sind im Schnitt 31 % produktiver, 37 % erfolgreicher im Verkauf und dreimal kreativer als gestresste Kolleginnen und Kollegen.

Quellen

  • Damasio, A. R. (1994). Descartes’ error: Emotion, reason, and the human brain. Putnam.

  • Davidson, R. J., Kabat-Zinn, J., Schumacher, J., Rosenkranz, M., Muller, D., Santorelli, S. F., et al. (2003). Alterations in brain and immune function produced by mindfulness meditation. Psychosomatic Medicine, 65(4), 564–570. https://doi.org/10.1097/01.PSY.0000077505.67574.E3

  • Fredrickson, B. L. (2001). The role of positive emotions in positive psychology: The broaden-and-build theory of positive emotions. American Psychologist, 56(3), 218–226. https://doi.org/10.1037/0003-066X.56.3.218

  • Goleman, D. (1995). Emotional intelligence: Why it can matter more than IQ. Bantam Books.

  • Lyubomirsky, S., King, L., & Diener, E. (2005). The benefits of frequent positive affect: Does happiness lead to success? Psychological Bulletin, 131(6), 803–855. https://doi.org/10.1037/0033-2909.131.6.803

  • Seppälä, E. M., Rossomando, T., & Doty, J. R. (2014). Social connection and compassion: Important predictors of health and well-being. Social Research, 80(2), 411–430.

  • Täuber, M. (2021). Gute Gefühle: Wie positive Emotionen unser Gehirn stärken. Goldegg Verlag.

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Neurobiologe Dr. Marcus Täuber

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Zur Person

Dr. Marcus Täuber ist promovierter Neurobiologe, Lehrbeauftragter mehrerer Hochschulen und Leiter der Brain Changer Academy. Als Autor und Keynote-Speaker vermittelt er, wie neurowissenschaftliche Erkenntnisse helfen, Denken und Handeln wirksam zu gestalten. Mit fundierter Forschung und klaren Praxistools zeigt er Wege, mentale Stärke und nachhaltigen Erfolg zu fördern.

Qualifikationen
• Psychosozialer Berater mit Gütesiegel Impuls Pro der Wirtschaftskammer Österreich 
• Unternehmensberater und zertifizierter Business-Coach 
• Ehemaliger Head of Training beim weltgrößten Biotechunternehmen

In Kooperation mit:
Mental Health
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