
Kennen Sie das Gefühl, wenn ein Unternehmen plötzlich zu fliegen beginnt? Wenn alles größer, schneller, internationaler wird – Umsätze steigen, Teams wachsen, Standorte entstehen über Grenzen hinweg. Überall Energie, Stolz, Aufbruch. Zukunft.
Innerhalb weniger Jahre wuchs das Unternehmen, von einer kleinen Einheit zu einer riesen Organisation mit mehreren tausend Mitarbeitenden im SEE-Raum. Die Zentrale in Österreich expandierte mit – voller Tatendrang, lange bevor Corona die Welt veränderte. Wir dachten: Jetzt passiert’s. Wir gestalten etwas Großes. Eine Erfolgsgeschichte.
Dann: Stillstand. Die Bank – am Rande des Ruins. Warum? Zu viele Gründe, zu komplex, zu schnell. Nur eines war klar: Alles, was eben noch selbstverständlich war, stand plötzlich auf dem Spiel. Die Euphorie wich einer Stille. Angst machte sich breit – um Jobs, um Sinn, um Zukunft.
Mittendrin: das Team
Wir arbeiteten von früh bis spät, nicht weil jemand es verlangte, sondern weil wir nicht anders konnten. Wir hielten zusammen, trugen Verantwortung füreinander. Kein Raum für Eitelkeiten – nur für Leistung und Zusammenhalt. Ein Berater sagte: „Es ist unglaublich, wie hart ihr im Nehmen seid.“
Für uns war das kein Heldentum, sondern Alltag. Kein Durchhalten, sondern Leben. Wir waren einfach – ein Team.
Menschen entfalten ihr Potenzial nicht durch Druck, sondern durch Verbundenheit und Begeisterung.
Das Team in der Performing-Phase
Das Tuckman-Modell beschreibt fünf typische Phasen der Teamentwicklung – von der Orientierung (Forming) über Konflikt- und Organisationsphasen (Storming, Norming) bis hin zur Hochleistungsphase (Performing) und dem eventuellen Abschluss (Adjourning). Wesentlich ist: Ein Team ist selten dauerhaft in einer Phase, vielmehr durchläuft es dynamisch verschiedene Stadien – je nach Kontext, Zusammensetzung und Herausforderungen.
Wir befanden uns in der Performing-Phase, der Leistungsphase, in der Rollen und Zuständigkeiten klar verteilt sind, Kommunikation reibungslos funktioniert und das Team durch Selbstorganisation, Vertrauen und funktionale Konfliktlösung geprägt ist. Kennzahlen wie eine Mitarbeiterzufriedenheit von über 80 %, ein hoher Net Promoter Score (NPS) für die Teamkultur sowie niedrige Fluktuations- und Fehlzeitenraten spiegeln die Stabilität und Leistungsfähigkeit des Teams wider.
Handlungsempfehlung
Reflektieren Sie mindestens einmal jährlich mit Ihrem Team, in welcher Phase es sich befindet. Nutzen Sie Kennzahlen für eine objektive Beurteilung. Treffen Sie gezielte Maßnahmen – etwa Konfliktmoderation im Storming oder Rollenklärung im Norming –, um das Team systematisch zur nächsten Entwicklungsstufe zu begleiten.


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Teams werden nicht geboren, sie entstehen – durch Konflikte, Klärung und gemeinsames Handeln.
Psychologische Sicherheit und ihre Auswirkungen
Wir hatten uns aufgrund der bisherigen Erfolge in der Phase des Wachstums absolut sicher gefühlt. Die Informationsflüsse waren schnell, transparent und effektiv – zumindest bis zur Krise. Während der herausfordernden Zeiten zeigten sich allerdings Schwächen: Informationen wurden über Medien schneller nach außen getragen als intern kommuniziert. So funktioniert erfolgreiche Zusammenarbeit nicht.
Studien zeigen: Teams mit hoher psychologischer Sicherheit sind innovativer, loyaler und belastbarer. Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Teammitglieder sich sicher fühlen, ihre Meinung offen zu äußern, Risiken einzugehen und Fehler zuzugeben, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Das stützt Brené Browns These, wonach Verletzlichkeit die Basis für echte Verbindung im Team ist.
Handlungsempfehlung
Nehmen Sie Ihr Team gezielt mit auf Ihrer Reise. Kommunizieren Sie offen und ehrlich. Arbeiten Sie gezielt an den Indikatoren guter Zusammenarbeit (IDGs). Diese umfassen neben persönlicher Resilienz und Selbstwahrnehmung vor allem die Förderung von Vertrauen, empathischer Kommunikation und kooperativer Zusammenarbeit. Bauen Sie das Thema psychologische Sicherheit regelmäßig in Mitarbeitergespräche ein und sprechen Sie mindestens einmal im Monat im Team offen über Unsicherheiten und Fehler. So fördern Sie eine Kultur des ehrlichen Austauschs, die weitere Entwicklungsschritte ermöglicht und das Team für Krisen stärkt.
Clear is kind. Unclear is unkind.
Jede Krise ist auch eine Lernchance – wenn man sie bewusst nutzt
Der Hirnforscher Gerald Hüther ergänzt die Betrachtung von Tuckman um eine neurobiologische Dimension: Er hebt hervor, dass echte Potenzialentfaltung und nachhaltige Teamkultur nur dort entstehen, wo ein vertrauensvolles, wertschätzendes Umfeld vorhanden ist, das Unterschiede anerkennt und Verletzlichkeit zulässt. Sein Ansatz betont die Bedeutung von emotionaler Sicherheit und intrinsischer Motivation als Grundlage für erfolgreiche Zusammenarbeit – eine Perspektive, die das klassische Phasenmodell durch tiefere Einsichten zur menschlichen Entwicklung und Gehirnfunktion bereichert.
Studien zeigen, dass Teams durch strukturierte Reflexionsprozesse ihre Selbstregulierung stärken und eine nachhaltige Lernkultur etablieren können. So erhöhen Sie nicht nur die Resilienz, sondern auch die Innovationskraft und den Zusammenhalt im Team.
Handlungsempfehlung
Etablieren Sie regelmäßig Retrospektiven mit klaren Leitfragen wie: Was hat uns begeistert? Wo gab es Konflikte? Wodurch haben wir am meisten gelernt? Nutzen Sie Kennzahlen und Feedback, um Erfolge sichtbar zu machen und gezielt Handlungsschritte abzuleiten. So verwandeln Sie Herausforderungen in wertvolle Wachstumschancen.
A fearless organization is not one without fear, but one where speaking up is safe.
Conclusio
Gerade in Phasen von Wachstum oder Krise zahlt es sich aus, innezuhalten, die Phase des Teams zu bestimmen und gemeinsam den nächsten Schritt zu planen – das ist die Grundlage für starke Teams, Zusammenhalt, Resilienz und eine sichere und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft: Real Connection. Real Growth. Real Impact.
Quellen & Literatur
Hüther, Gerald (2016). Wie Träume wahr werden: Das Geheimnis der Potentialentfaltung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.
Tuckman, Bruce W. (1965). Developmental Sequence in Small Groups. Psychological Bulletin.
Brown, Brené (2018). Dare to Lead: Brave Work. Tough Conversations. Whole Hearts. Random House, New York.
Edmondson, Amy (2019). The Fearless Organization: Creating Psychological Safety in the Workplace for Learning, Innovation, and Growth. Wiley, New York.


Monika Edlinger, MBA
© Petra NestelbacherÜber die Autorin
Monika Edlinger, MBA
Systemische Unternehmensberaterin, Coach, Gruppendynamikerin und Dozentin. Als Geschäftsführerin von Edlinger & Partner Consulting begleitet sie Führungsteams, Projektteams und Teams in Transformation, Wachstum und Krise. Sie verbindet strategische Klarheit mit menschlicher Tiefe – und macht Teams zu dem, was sie wirklich stark macht: ihrer eigenen Identität.
Aufgewachsen in den Bergen, in einem lebendigen Familienclan, hat sie früh gelernt, wie Gemeinschaft trägt – und wie sie gleichzeitig herausfordert. Ihr Weg: Real Connection. Real Growth. Real Impact.
Expertise
- Expertin für Teamentwicklung, Projektmanagement & Organisationsentwicklung
- Systemische Unternehmensberaterin und zertifizierte Business-Coach
- Ihre Arbeit wurde international durch EFMA und Accenture mit dem Distribution & Marketing Innovation Award – in der Kategorie Workforce Experience – ausgezeichnet