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Politik Backstage: Türkis-Rot-Pink in der Abseitsfalle

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Außenministerin Meinl-Reisinger in New York

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Mit einem starren Drehbuch sucht die Dreier-Koalition Konflikte klein zu halten. Warum das diese Woche krachend danebenging. Und wofür es noch kein Drehbuch gibt: Was tun gegen die ungebremste Schuldenexplosion in den Ländern und Gemeinden?

Beate Meinl-Reisinger mühte sich mit einer Extraportion feuriger Stimme und rhetorischen Kniffen, dem auf den ersten Blick exotischen Thema Leben einzuhauchen. „Schon heute zählen elf afrikanische Staaten zu den zwanzig am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt“, proklamierte die Außenministerin diesen Mittwoch nach dem wöchentlichen Ministerrat, auf dessen generell unspektakulären Tagesordnung als Punkt 10 stand: Die Regierung gibt den Startschuss zur Erarbeitung einer Afrika-Strategie.

Die Botschaft der pinken Ressortchefin, die sich mehr denn je auch als Außenwirtschaftsministerin versteht: Im Fall von Afrika gehe es längst nicht mehr allein um Entwicklungshilfe. Angesichts eines Kontinents, auf dem mit 1,5 Milliarden Menschen bald ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt, eröffnen sich auch für österreichische Firmen enorme Chancen, propagiert Meinl-Reisinger mit großem Nachdruck: „Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es vergleichbares Potenzial für Wirtschaftswachstum. Eine stark wachsende Bevölkerung, enorme Rohstoffvorkommen und dynamische Märkte machen den Kontinent für ein exportorientiertes Land wie Österreich zu einem strategischen Partner von größter Bedeutung.“

Auch wenn sachliche Argumente wie diese bestechend sind. Die Ankündigung, die Regierung mache nun Ernst mit der Erarbeitung einer Afrika-Strategie, ist vor einer breiten Öffentlichkeit an sich nur schwer über die Rampe zu bringen. In Zeiten wie diesen erst recht, wo täglich neue Horrormeldungen von Firmenpleiten oder Jobabbau in Österreich und russischen Drohnen-Einfällen im europäischen Luftraum für eine toxische Mixtur aus Aufregung und Schockstarre sorgen.

Neue Folge „Politik Backstage - der Podcast“

Medienauftritt – „ein Schuss in den Ofen“

Der von Meinl-Reisinger angeführte gemeinsame Medienauftritt des pink-türkis-roten Regierungstrios nach dem Ministerrat war „ein Schuss in den Ofen“, wie hinterher ein türkiser Kabinettsmitarbeiter sarkastisch anmerkte.

Es kam keine einzige Frage zur nachdrücklich präsentierten Afrika-Strategie. Die anwesenden Journalist:innen tischten, für Medienprofis wenig überraschend, ein Bündel Fragen zu gerade brennenden Themen auf: Wie kommt es, dass zehn Burschen, die mit einer damals Zwölfjährigen Sex hatten, unbehelligt und lachend nach einem Freispruch aus einem Gerichtssaal spazieren können? Was tut die Regierung gegen die neuerlich hartnäckig bei vier Prozent festsitzende Inflationsrate? Welche Rezepte hat sie, um die Bad News in Sachen Jobabbau von Lenzing bis Unimarkt einzudämmen? 

Hier rächte sich zum einen, dass die Dreierkoalition auch ein halbes Jahr nach Amtsantritt an ihrem starren Drehbuch festhält, dessen Szenenfolge schon Wochen voraus unverrückbar fixiert werden: Jeden Mittwoch gehört in streng paritätischer Abfolge einer anderen Partei die Vorderbühne nach dem Ministerrat. 

Dieser Mittwoch war im internen Koalitionskalender „pink“ markiert. Für ein flexibleres Handling des Außenauftritts nach der Regierungssitzung reicht offenbar die Basis an Gemeinsamkeiten und Vertrauen im türkis-rot-pinken Dreibund nach wie vor nicht.

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Staatssekretärin Michaela Schmidt (SPÖ)

 © APA/Roland Schlager

Blackout in Wien, trittsicher in New York

Dazu kam, dass Meinl-Reisinger ihr Atout, mit dem sie bislang wiederholt bei Dreier-Auftritten der Regierungsspitze punktet, nicht ausspielte: ihren ausgeprägten politischen Instinkt, den ihr so gut wie alle Lager attestieren.

Es war nicht Meinl-Reisinger, sondern die meist eher unauffällig agierende SPÖ-Staatssekretärin Michaela Schmidt, die von sich aus ansprach, was für jeden Außenstehenden nahelag: Warum verschreibt sich die Regierung einer neuen Afrika-Strategie just in einer Woche, in der hierzulande an vielen Ecken und Enden wirtschaftlich der Hut brennt?

Kenner:innen von Meinl-Reisinger mutmaßen, dass die pinke Außenministerin mit dem Kopf noch auf jener Bühne war, die sie in den Tagen davor gut eine Woche lang mit hohem Einsatz an Zeit und Energie bespielte. Gemeinsam mit dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler absolvierte sie ihre Premiere als Außenamtschefin bei der UNO-Generalversammlung in New York.

Auch kritische Beobachter in den eigenen Ministeriumsreihen attestierten der Newcomerin auf dem außenpolitischen Parkett Trittsicherheit und eine gelungene Performance. „Meinl-Reisinger ist im Amt angekommen und stößt auch im Haus auf breite Zustimmung“, sagt ein Spitzendiplomat, der ihr von seiner politischen Herkunft nicht nahesteht. „Sie hört zu, auch wenn sie danach bisweilen auch eine andere Entscheidung als vorgeschlagen trifft. Sie begründet das aber nachvollziehbar, sodass ihr Gegenüber in vielen Fällen auch damit leben kann.“ 

Wie Van der Bellen, Stocker & Meinl-Reisinger als Trio ticken

Bei ihrer – eine Woche zurückliegenden – fünftägigen New-York-Woche wurde auch sichtbar, wie das Zusammenspiel zwischen den drei wichtigsten Repräsentanten des Landes auf der außenpolitischen Bühne funktioniert. 

Alexander Van der Bellen ist als Bundespräsident auch nach außen hin der höchste Repräsentant des Landes; der 81-Jährige zieht die Fäden auch in der Außenpolitik lieber hinter der Tapetentür der Präsidentschaftskanzlei. Selbst bisher allein ihm vorbehaltene Solotermine gab er diesmal in New York an seine beiden mitreisenden Politikerkolleg:innen paritätisch ab. 

Dem Kanzler überließ VdB nicht ganz uneigennützig die jedes Jahr fällige Einladung an alle Staatsoberhäupter zu einem Meet & Greet mit jeweiligen US-Präsidenten im New Yorker Nobelhotel „Lotte Palace“. Van der Bellen, der dem aktuellen Amtsinhaber Donald Trump nolens volens schon in dessen erster Amtszeit beim routinemäßigen Meet & Greet einmal persönlich begegnet war, hatte offenbar keine Lust auf ein zweites gemeinsames Foto für die Geschichtsbücher. Zumal der Gastgeber der einst breit begehrten Einladung in seiner zweiten Amtsperiode mehr denn je gegen alles steht, was dem Ex-Grünen-Chef heilig ist. 

An die Außenministerin trat das Staatsoberhaupt einen attraktiven medialen TV-Auftritt in New York für das heimatliche Publikum ab: das seit den Tagen von Heinz Fischer Jahr für Jahr in der ZIB2 geführte große Interview mit dem obersten Repräsentanten Österreichs über aktuelle Fragen rund um den wichtigsten Weltgipfel in der UNO-Metropole der USA. 

Meinl-Reisinger muss das Gespräch von der Lunch-Ecke der österreichischen UN-Vertretung aus aufzeichnen. Danach wartet schon das nächste von gut zwei Dutzend Meetings mit Amtskolleg:innen. „Wie viel Zeit habe ich noch und wer ist jetzt dran“, fragt sie nach der ZIB2-Aufzeichnung einen Botschaftsmitarbeiter. Die Antwort – „der Außenminister von Togo“ – quittiert sie mit ein paar Sätzen in routiniertem Französisch, um sich für einen Austausch in der offiziellen Amtssprache des Kollegen aufzuwärmen. 

Bei einer gemeinsamen Bilanz des UNO-Besuchs vor Medienvertreter:innen wird auch nach außen hin sichtbar, dass der Kanzler in Sachen Außenpolitik nicht in die erste Reihe drängt. Dem gelernten Anwalt, der nach Amtsantritt begann, sein Englisch aufzufrischen, ist das Terrain noch spürbar fremd. Auf EU-Ebene bewegt sich Stocker bereits weitaus lockerer als beim bunten internationalen Treiben im UNO-Hauptquartier am East River.

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Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) und der chinesische Ministerpräsident Li Qiang in New York

 © APA/BKA/CHRISTOPHER DUNKER

Neue Budgetlöcher für 2026 in Sicht

Zurück in Wien holten umgehend neue, durchwachsene Nachrichten alle Beteiligten vom weltpolitischen Netzwerken auf den harten Boden zu bohrender nationaler Bretter zurück. Für das kommende Budget 2026 tut sich bereits jetzt ein zusätzliches Defizit-Loch von einer Milliarde Euro auf. Das nächste und wohl nicht letzte notwendige Sparpaket ist zwar vergleichsweise klein, aber erst zu einem Drittel in trockenen Tüchern: Mit dem Deckel bei der vollen Inflationsabgeltung bei allen Pensionen, die über 2.500 Euro brutto liegen, erspart sich der Staatshaushalt 2026 rund 350 Millionen Euro. Statt rund zwei Milliarden sind 2026 so „nur“ 1,7 Milliarden mehr für die Pensionen zu berappen.

Ein ähnlich hohes Einsparvolumen soll das Aufschnüren der bereits beschlossenen Erhöhung der Beamtengehälter bringen. Ohne zeitliche oder gesetzliche Not, aber aus Angst vor einem flächendeckenden Streik hatte die türkis-grüne Übergangsregierung noch im Oktober 2024 allen Staatsdiener:innen bereits für 2026 nicht nur die volle Abgeltung welcher Inflationsrate auch immer zugestanden, sondern darauf auch noch ein Extra-Plus von 0,3 Prozent draufgelegt. 

Als Verhandlungsführer auf Arbeitgeberseite fungierte damals noch der Beamtenminister auf Abruf Werner Kogler. Im Parlament abgesegnet wurde der großzügige Gehaltsabschluss freilich von einer Vier-Parteien-Allianz aus Türkis, Blau, Rot und Grün. Nur die Neos verweigerten ihre Zustimmung.

Gelingt es im noch ausstehenden finalen Gehaltspoker tatsächlich, sich bei den Beamten nachträglich mit einem bescheideneren Gehaltsplus weitere 350 Millionen zu ersparen, klafft aus heutiger Sicht im Bundeshaushalt noch eine neue Lücke von 300 Millionen Euro.

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Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) zeigte sich am Donnerstag sichtlich erleichtert.

 © APA/Hans Klaus Techt

Kassasturz erhöht Spardruck auf Länder & Gemeinden

Markus Marterbauer war die Erleichterung anzusehen, als er diesen Donnerstagvormittag verkünden konnte, was er zwei Tage zuvor pflichtgemäß an die Defizitverfahrenswächter nach Brüssel zu melden hatte: Alle Signale stünden darauf, dass das gesamtstaatliche Defizit derzeit nicht mehr weiter aus dem Ruder läuft. In absoluten Zahlen werden Bund, Länder und Gemeinden 2025 zwar statt geplanten 22 Milliarden mit voraussichtlich 23 Milliarden doch noch eine weitere Milliarde mehr Schulden machen. Die Treiber der österreichischen Schuldenquote finden sich freilich nicht im Regierungsviertel, sondern in den Ländern und in den Gemeinden.

Nach dem Gehaltspoker der Bundesbeamten ist nun vor dem Druckaufbau auf die Länder und Gemeinden. Dieser Tage werden die Neos in den Bundesländern damit starten, zu fordern: Bereits paktierte Gehaltsabschlüsse für Landes- und Gemeindebedienstete sollen nach Bundesvorbild aufgeschnürt werden, noch bevorstehende Erhöhungen nach Pensionistenvorbild in Summe unter die Inflationsrate gedrückt werden.

„Das wird bei vielen Landeshauptleuten, denen ohnehin an allen Ecken und Enden das Geld ausgeht, auf offene Ohren stoßen“, sagen Strategen aller Lager im Regierungsviertel, „sie wollten nur nicht selber die Überbringer der schlechten Nachricht sein.“

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