
Katharina Groß erstellt seit neun Jahren Content für soziale Netzwerke. Auf Instagram folgen ihr knapp 260.000 Personen.
©Besijana PireciMomfluencerinnen mischen Social Media auf. Wer sie sind, wie sie Mutterschaft zum Geschäftsmodell machen und welcher Kritik sie ausgesetzt sind.
„In diesen Beruf bin ich quasi reingerutscht“, sagt Carina Pranz am Telefon. Im Hintergrund rauscht das Meer. Man hört Kinder, die leise quengeln. Pranz befindet sich gerade im Urlaub in Italien. Obwohl: Urlaub ist wahrscheinlich das falsche Wort. Denn Pranz arbeitet am Strand genauso wie in ihrer Ferienunterkunft, wo sie ihre Kinder bei Laune hält, Fotos schießt und Videos dreht, um damit ihre 347.000 Follower auf dem sozialen Netzwerk Instagram zu beglücken.
Pranz ist eine sogenannte Momfluencerin, die ihren Alltag und ihre Erfahrungen als Mutter auf sozialen Medien teilt und dabei Produkte bewirbt. In diesem Job verschwimmen die Grenzen zwischen Geschäftlichem und Privatem wohl so stark wie in kaum einem anderen Beruf. Das eigene Familienleben, das öffentlich präsentiert wird, zieht sowohl Follower, Unternehmen als auch Kritiker an. Jedenfalls kann dabei viel Geld rausspringen.
Werbedeals und eigene Marken
Wer wie der Durchschnitt in Österreich 83 Minuten am Tag in sozialen Netzwerken verbringt, ist den Momfluencern wahrscheinlich schon begegnet. Sie sollen authentisch wirken, wie eine Person, die man kennt und die gute Ratschläge für das eigene Kind gibt. Eine Freundin eben.
So eine Freundin ist auch die in Wien lebende Katharina Groß, der auf Instagram knapp 260.000 Personen folgen. Ihre Beiträge wirken nahbar, irgendwie ungekünstelt. Würde man es nicht besser wissen, würde man denken, hier handelt es sich um keine Influencerin, sondern um eine Frau in ihren 30ern, die viel aus ihrem Leben teilt und sich dabei nicht viel überlegt. Und so soll es wohl auch sein: „Hinter meinem Content steckt kein festes Konzept. Ich teile einfach mein Leben.“
Angefangen vor neun Jahren während ihrer Karenz, kann Groß mittlerweile ihre Familie mit dem Einkommen aus Werbepartnerschaften versorgen. Genaue Zahlen verrät sie allerdings nicht. Gute Momfluencerinnen können aber Beträge im unteren bis mittleren vierstelligen Bereich für nur wenige Fotos und Videos verlangen. Diese Summen sind allerdings ein klarer Ausreißer nach oben. „Ein kleiner Influencer bekommt für einen Post um die 40 Euro“, weiß Ulrike Phieler, Marketingprofessorin an der WU Wien.
Auch Pranz nimmt das meiste Geld mit Werbedeals ein, die sie beispielsweise mit der Schuhmarke Paul Green oder der Taschenmarke Gianni Chiarini abschließt. Diese Marken passen zum Auftritt der 36-Jährigen, der elegant und schlicht ist, zugleich aber nicht aufgezwungen rüberkommt. Auch ihr Zuhause – gehalten in Beige- und Erdtönen – spiegelt diesen Stil wider: sauber und ordentlich, trotz ihrer vier Kinder, die regelmäßig in ihren Beiträgen – im Instagram-Jargon schlicht Feed genannt – auftauchen. Langfristig möchte sie aber ihre Modemarke And Simple als wichtigstes Standbein etablieren.
Die moderne Mama
„Die Zahl der Momfluencerinnen in Österreich wird wohl irgendwo im höheren dreistelligen Bereich liegen“, sagt Sandra Rindler, Expertin für Influencer-Marketing und Vorstandsmitglied des IAA Creator Hub Austria. Allerdings gibt es weder für Influencer noch für Momfluencerinnen ein eigenes Gewerbe. Deswegen melden sie ihre Tätigkeit als Fotografin, Werbetexterin oder Beraterin für Social Media an. Hinter den Gewerbeanmeldungen stecken aber vor allem Personen, die auf Social Media ein kauffreudiges und in Teilen unsicheres Publikum ansprechen: die werdenden Eltern.
Denn wer ein Kind bekommt, steht vor einer langen Einkaufsliste: von Stramplern über einen Kinderwagen bis zum Gitterbett. Zwar regen auch immer mehr Väter als Dadfluencer zum Kauf von bestimmten Produkten an, doch die Mütter bleiben klar in der Überzahl. Ungewöhnlich ist das für die Branche nicht. Die Influencer-Marketing-Agentur Lookfamed schätzt, dass weltweit 77 Prozent der Content Creators weiblich sind.
Was früher unbezahlte Care-Arbeit war – nach wie vor überwiegend von Frauen geleistet – wird heute für Momfluencerinnen zur Einnahmequelle. Für die US-amerikanische Autorin und Journalistin Lyz Lenz sind sie deswegen moderne Feministinnen. Aus Müttern werden Unternehmerinnen, die sich parallel um das seelische wie auch das finanzielle Wohl der Familie sorgen. Sie arbeiten unabhängig von fixen Zeitplänen von zu Hause, unterwegs oder im Ausland. Überspitzt formuliert: Mutterschaft, wofür es einst keine finanzielle Entlohnung gab, wird monetarisiert.
Doch die Realität ist um einiges anspruchsvoller, betonen Pranz und Groß. „Man ist eben selbst und ständig. Das kennen wahrscheinlich viele Selbstständige“, sagt Influencerin Groß. Der Job erfordert Organisation, Belastbarkeit und kostet viel Zeit. Zwei der fünf Momfluencerinnen, mit denen trend Kontakt hatte, binden deshalb ihre Lebensgefährten in das Geschäft mit ein. Diese beantworten Mails, machen Fotos oder managen das Geschäftliche.
Momfluencerinnen vs. Tradwives
Wenn Momfluencerinnen so gut verdienen, dass auch ihre Partner Teil des Geschäfts werden, wird deutlich, wie wenig sie mit den sogenannten Tradwives zu tun haben – trotz der Gemeinsamkeit, ihre Mutterschaft zu inszenieren, was ihnen von Kritikern immer wieder vorgeworfen wird. Wiebke Schenter, Momfluencerin und Autorin eines Buches, das den auf Müttern lastenden gesellschaftlichen Druck in den Fokus rückt, sagt dazu: „Für mich ist das Tradwife-Phänomen ein aus den USA stammendes ideologisches Monsterbusiness, das gezielt auf Retraditionalisierung setzt. Der Content von Momfluencerinnen hingegen entspricht in erster Linie unserem gelebten Alltag.“
Tradwives sind Influencerinnen, die für eine traditionell-konservative bis rechtsextreme Ideologie stehen, ohne jedoch allzu politisch zu agieren. In ihren Beiträgen propagieren sie oft ein starres Familienmodell sowie eine von Gott gegebene Geschlechterordnung. Er, der Versorger. Sie, die Unterstellte, die sich um die Kinder kümmert, den Haushalt schmeißt und für den Ehemann kocht.
Gemein haben Momfluencerinnen und Tradwives allerdings, dass sie mit ihren Inhalten junge Menschen – meist Frauen – beeinflussen und in ihnen bestimmte Gefühle wecken. Welche das sind, analysierte unlängst eine US-amerikanische Studie. In einem Experiment legten die Kommunikationswissenschaftlerinnen Ciera Kirkpatrick von der University of Nebraska und Sungkyoung Lee von der University of Missouri 464 Müttern verschiedene Instagram-Posts vor: einige aus der Hochglanzwelt professioneller Momfluencerinnen, andere von Hobby-Influencerinnen, die auch ihr Chaos als Mütter präsentierten. Das Ergebnis: Die idealisierte, fast makellose Welt stimmte die Teilnehmerinnen eher neidisch und ängstlich, obwohl sich nur wenige Mütter mit diesem Content identifizieren konnten.
Die Balance zwischen schönen Bildern, für die Momfluencerinnen schließlich bezahlt werden, und Authentizität zu halten, sei schwierig, räumt Influencerin Pranz durchaus ein. Aber: „Ich mag gar nicht wirklich als Vorbild gesehen werden. Ich mache primär schönen Content, weil es mir Spaß macht und gefällt.“
Der Artikel ist im trend.FEMALE LEADERSHIP vom September 2025 erschienen.