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Wie Führungskräfte im Urlaub richtig abschalten

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Abschalten im Urlaub ist nicht leicht, aber notwendig. Eine Psychologin erklärt, warum sich manche Führungskräfte damit leichter tun als andere, und was der Führungsstil damit zu tun hat.

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Ob Mann oder Frau für 10, 100 oder 1000 Mitarbeitende Verantwortung trägt, macht wenig Unterschied. Für Führungskräfte wird der Sommerurlaub zur Nagelprobe für die Fähigkeit abzuschalten – richtig abzuschalten. Projekte konnten nicht mehr abgeschlossen werden, Zusagen nicht rechtzeitig gekommen und nicht alle Entscheidungen lassen sich „auf danach“ verschieben, so scheint‘s. Geschäftige Telefonate werden geführt bis das Gate geschlossen wird, Partner und Nachwuchs genervt mit den Augen rollen. Ich bin dann mal weg, echt?

„Wer so in den Urlaub einsteigt, wird erst nach fünf bis sechs Tagen ankommen“, sagt die Psychologin Sabine Schneider. „Unser Körper weiß nicht, dass wir im Taxi zum Flughafen sitzen. Die Cortisol- und Adrenalin-Ausschüttung, die das tägliche Entscheiden mit sich bringt, nimmt nicht augenblicklich ab.“ Im Gegenteil: Es dauert Tage, bis sich das System erlaubt, in den Entspannungsmodus zu kommen. Der Umstand, dass die eigene Person nicht mehr täglich Entscheidungen treffen muss und keine Fragen kommen, muss erst einmal ausgehalten werden. Damit tun sich Führungspersönlichkeiten unterschiedlich schwer, weiß Schneider: „Manche bekommen Entzugserscheinungen, und das Grübeln über diesen scheinbaren Bedeutungsverlust sorgt wiederum für Stresshormone“. Das Argument „unverzichtbar zu sein“, hört die Psychologin oft: „Bis zu einem gewissen Grad stimmt das auch. Nüchtern betrachtet ist aber Jeder und Jede ersetzbar. Und ohne die eigene Gesundheit ist alles nichts“, erinnert sie.

Zur Person

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Dr. Sabine Viktoria Schneider ist Psychologin und Wirtschaftsmediatiorin.

 © Dang Tran

Notfallplan hinterlassen und richtig Delegieren

Wer als Führungskraft in den Urlaub geht, sollte kommunizieren, „dass man wirklich raus ist“, rät Schneider. Bei der Assistenz eine Notfallnummer (etwa die vom Hotel) hinterlassen, und dieser Person tatsächlich die Hoheit über das Postfach zu überlassen, ist eine der wichtigsten und offenbar schwersten Übungen. „Einige delegieren zwar, ersuchen kurz vor einer Entscheidung aber doch wieder um einen Anruf. Damit ist die Verantwortung nicht übertragen“, warnt die Expertin, die in ihrer Arbeit beobachtet, dass sich Führungskräfte mit einem transparenten Führungsstil leichter tun, Dinge in andere Hände zu geben.

Geschlechtsspezifische Unterschiede gibt es offenbar auch: Frauen haben oft weniger Probleme damit, Verantwortung in andere Hände zu geben. „Frauen, zumindest jene, die selbst Familie haben, tun sich leichter“, sagt Schneider. „Männer behaupten sich noch immer stark über ihren Job und diese Aufgabe“. Unabhängig vom Geschlecht, entscheidet aber der Führungsstil über die Fähigkeit zum Loslassen: „Eine Führungskraft braucht immer einen Kraftaufwand. Wer innere Stärke hat, reift zur Führungspersönlichkeit und kann andere unter sich wachsen lassen.“

Raus aus der Rolle

Die gegenwärtigen wirtschaftlichen Veränderungen nimmt Schneider bei ihren Klienten wahr, konzediert aber, „dass es Menschen mit mehr Verantwortung gut geht.“ Die Art der Verantwortung habe sich aber verändert: „Für Jene, die nicht nur auf rationaler sondern auch auf emotionaler Ebene führen, wächst sie. Diese Menschen spüren, dass ihre Mitarbeitenden sehr viele Themen haben.“ Neben Branchen, die vor spezifischen Herausforderungen stehen, sei es vor allem eine „Form der Sicherheit, die es so nicht mehr gibt“.

Dazu kommen mittlerweile sehr diverse Belegschaften: „Mitarbeitende über 30, die noch ein anderes Autoritätsgefälle erlebt haben, sind anders zu führen als Jüngere, die freiheitsbewusster und fordernder sind. Früher hat man sich einfach an ein Organigramm gehalten. Heute sind flexible Arbeitszeiten und Autonomie Herausforderungen. Man muss laissez faire führen und hat trotzdem die Verantwortung.“ Ein permanenter Spagat im Tagesgeschäft: „Führungskräfte müssen unpopuläre Entscheidungen treffen, aber empathisch sein. In dieser Rolle braucht es einen gewissen Stresspegel, um das zu bewerkstelligen.“ Die hohe Kunst im Urlaub ist, diese berufliche Rolle – wie ein guter Schauspieler nach der Vorstellung – weitestgehend abzulegen und Mensch zu sein. Die Fähigkeit, für eine Zeit gut und organisiert loszulassen, zeichnet eine Führungskraft aus.

Ob das gelungen ist, bemerkt das Umfeld unmittelbar, wie Schneider mit einem Lachen sagt: „Wenn wir uns einmal so richtig runterfahren, sieht man das jedem Einzelnen an. Niemand von uns kann 24/7 auf Hochtouren funktionieren, auch wenn es manche von uns glauben. Je mehr Erholung ich zulasse, umso mehr gebe ich meinem gesunden Egoismus die Möglichkeit, gesund zu bleiben.“

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