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Alois Czipin: Loslassen musste ich erst lernen

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Die Nachfolgeplanung: Das Loslassen und seine Tücken.

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Der Unternehmensberater Alois Czipin berichtet über die eigene Nachfolgeplanung. Wer sehr lange als Einzelkämpfer agiert, tut sich schwer, anderen den Fahrersitz zu überlassen. Aber irgendwann muss es einfach sein.

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NACHFOLGERSUCHE. Der 1. August 2021 markiert einen wichtigen Meilenstein in meiner Karriere. Nach fast 40 Jahren als „Alleinherrscher“ in meinem Unternehmen verkaufe ich alle Anteile an einen globalen Mitbewerber. Ich habe großen „Bammel“ vor dieser Entscheidung, aber ich weiß: „Ich bin 65 Jahre alt, es muss jetzt sein!“ Der Zweifel verfliegt bald, denn es zeigt sich, dass ich auch weiterhin selbstständig Entscheidungen treffen kann. Ich fühle mich wie vor dem Verkauf und erfreue mich meines erfüllten Lebens.

Ein Jahr später werde ich beauftragt, die Suche nach meinem Nachfolger zu beginnen. Wiederum meldet sich mein Bauch zu Wort: „Was soll das? Komme ich jetzt langsam zum alten Eisen und werde links liegen gelassen?“ Aber was sein muss, muss sein!

Ich beauftrage also einen renommierten Personalberater, und nach intensiver Suche wird auch ein passender Kandidat – Giuseppe La Marca – gefunden. Das Eintrittsdatum wird mit 1. Juni 2023 fixiert. In absehbarer Zeit soll er übernehmen.

Es geht für mich wieder einmal ums Eingemachte. Ich kann mir nicht so recht vorstellen, wie mein Leben dann aussehen wird. Mir gehen Gedanken durch den Kopf: „Bin ich dann völlig nutzlos? Wer wird mich dann noch anrufen? Worin wird der Sinn meines Lebens bestehen?“ Alles Fragen, auf die ich keine Antwort habe.

Ich nehme meinen designierten Nachfolger in den nächsten Wochen und Monaten auf allen meinen Wegen mit. Wir haben ein gemeinsames Büro und sitzen uns genau gegenüber. Mein Ziel ist es, die Lernkurve möglichst steil zu halten. Giuseppe ist ein gestandener Berater, der jahrzehntelange Erfahrung mitbringt. Er bediente jedoch ein völlig anderes Marktsegment mit anderen Services. Das bedeutet eine große Umorientierung: auf eine andere Zielgruppe, andere Lösungswege und eine andere Art der Präsentation. Wir arbeiten meinem Gefühl nach sehr gut zusammen – bis zu dem Zeitpunkt, als zwei neue Projektmöglichkeiten auf den Tisch kommen.

Da rührt sich in mir mein eingefleischtes Einzelkämpfertum. Ich bearbeite die potenziellen Aufträge – wie jahrzehntelang eingeübt – allein. Ich sitze stundenlang hinter meinem Computer und schreibe Angebote. Ich freue mich schon darauf, Giuseppe stolz zeigen zu können: „Siehst du, so einfach geht das!“ Nur leider ist mir der Akquisitionsgott diesmal nicht gnädig, und ich verliere beide Mandate an die Konkurrenz. Ich bin stocksauer und hadere mit meinem Schicksal.

Da fasse ich den Entschluss, mich zukünftig stärker in die Rolle des Coaches zu begeben und Giuseppe die Bühne weitgehend zu überlassen. Für mich ist das ein schwieriges Unterfangen.

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