
McKinsey, Beteiligungscredo & Veranstaltungsoffensive: In seinen ersten Wochen drückt der neue Raiffeisen OÖ.-Chef Reinhard Schwendtbauer bereits kräftig aufs Pedal. Viele titulieren ihn schon als „Scharinger 2.0“. Ein Porträt.
Sein Humor ist Marke extra dry, aber die Pointen sitzen. Egal, ob Reinhard Schwendtbauer über die Zeit nach 2001 erzählt, als er bei jeder Flughafenkontrolle in den USA wegen seines Geburtsdatums 11. September als potenzieller Terrorist herausgefischt wurde, oder über einen Abend in der „Roten Bar“ des Wiener Hotels Sacher, als er mit Hannes Androsch bei zu viel Averna wichtige Unternehmensdinge besprach, Lacher sind ihm sicher.
Viele titulieren den 52-Jährigen bereits als „Scharinger 2.0“ nach seinem ersten Raiffeisen-Oberösterreich-Chef und Förderer Ludwig Scharinger, der ebenso einen Hang zur offensiven Leutseligkeit hatte wie Machtbewusstsein. Die Empfänge des 2019 verstorbenen Raiffeisen-Generals, bei denen er oft über 1.000 Gästen persönlich die Hand schüttelte, waren legendär – dazu passt, dass Nachnachfolger Schwendtbauer, wie Scharinger Cartellverbands-Mitglied, den unter Heinrich Schaller deutlich reduzierten Veranstaltungssektor nun wieder ausweiten will.
In seinen ersten Tagen hat der leidenschaftliche Jäger nicht nur Symbolpolitik betrieben, etwa die Wiedereröffnung einer Bankstelle im Hausruckviertel am 2. Mai. Bereits am 5. Mai ritten die berüchtigten Berater von McKinsey in der Zentrale am Linzer Europaplatz ein. Ihr Auftrag ist, den Fokus Richtung Markt zu schärfen und in einem zweiten Schritt auch Strukturen aufzubrechen. „Es geht ans Eingemachte, aber es ist kein Mitarbeiterabbauprojekt“, beeilt sich Schwendtbauer vorsorglich, Ängste zu zerstreuen: „Auch deshalb nicht, weil uns in den nächsten Jahren eine große Pensionierungswelle bevor steht.“ 1.000 Mitarbeiter:innen, ein Sechstel, wurden schon mit Anfang Mai neuen Vorstandsbereichen zugeordnet.
Reinhard Schwendtbauer stammt aus einfachen Verhältnissen, ist Mitglied des ÖVP-Bauernbunds und hat ab Ende der 1990er auch einige Jahre praktische innenpolitische Nahkampferfahrung im Kabinett des früheren Landwirtschaftsministers und späteren Vizekanzlers Wilhelm Molterer gesammelt. Molterer, der mit seinem Sekretär weiterhin regelmäßig Kontakt pflegt, beschreibt diesen als „kognitiv beschenkten Menschen, empathisch, präzise und geduldig“, überdies als ausgeprägten Homo politicus.
Es ist davon auszugehen, dass der neue CEO insbesondere letzteren Bereich genau im Blick haben will.
Beteiligt euch!
Denn keine Bank hat so viele Fäden in den Unternehmenssektor hinein, kaum jemand kommt an diesem weit verzweigten und doch eng geknüpften Netzwerk vorbei. Über 120.000 Menschen sind, wenn man die Zulieferer dazu rechnet, darin beschäftigt, so eine interne Studie. Zum einen haben diese Beteiligungen, derzeit insgesamt 350 an der Zahl, die Funktion, einen Fuß in der Tür der großen Unternehmen rund um den Kirchturm zu haben – bei Voestalpine, Amag, Energie AG, Salinen oder beim Neuzugang Rosenbauer, dem Feuerwehrausrüster. „Standortsicherung“, heißt das offiziell.
Die dringend notwendige Kooperation zwischen den Landesbanken Oberösterreich und Niederösterreich-Wien soll unter seiner Führung neue Impulse bekommen. Sie wurde oft gepredigt, aber selten zelebriert. Bei IT, Risikomanagement oder Produktentwicklung soll es nun einen Schub geben, bekräftigt auch der Chef der RLB NÖ-Wien, Michael Höllerer, der von seinem neuen Visavis in Linz stets als „der Schwendti“ spricht.
Sogar im Beteiligungsbereich sollen Kooperationsprojekte ausgelotet werden. Die Niederösterreicher haben mit Strabag, Agrana & Co. ja Schwergewichte im eigenen Portfolio, insbesondere im Nahrungsmittelbereich gäbe es viele Anknüpfungspunkte. „Es gab schon erste Gespräche wie zum Beispiel mit Leipnik-Lundenburger oder Café+Co“, verrät Schwendtbauer. Nachsatz: „Wir wollen uns nicht verschränken, aber gute Kooperationen starten. Jetzt ist die Zeit reif.“
Die gute persönliche Chemie zwischen den beiden CEOs, von der reihum berichtet wird, sollte dabei helfen. RLB-NÖWien-Chef Höllerer: „Wir haben ähnliche Zugänge und werden vorbehaltlos zusammen arbeiten, auch wenn wir im Management sicher unterschiedlich sind.“ Diese „ähnlichen Zugänge“ habe man auch in der Frage der Russland-Strategie für die gemeinsame Tochter Raiffeisen Bank International (RBI).
Innerer Kreis
Im Gefolge von Schwendtbauers Amtsantritt wird auch sein über Jahrzehnte hinweg geknüpftes Personalnetzwerk sichtbarer. In seinen Jahren als Beteiligungsvorstand hat er Gott und die Managerwelt kennengelernt, etwa auch den langjährigen Voestalpine-Finanzvorstand Robert Ottel, der das Stahl- und Technologieunternehmen 2024 verlassen hat. An der Voestalpine hält die RLB OÖ mehr als zehn Prozent.
Kurz nachdem nun die Bank als kleinerer Partner eines Konsortiums mit Red-Bull-Erben Mark Mateschitz und dem KTM-Industriellen Stefan Pierer den Einstieg bei Rosenbauer finalisiert hat, ist Ottel dort zum Vorstandschef, zum CEO, avanciert.
Dass sie einen exzellenten Draht zueinander haben, bestätigen nicht nur gemeinsame Bekannte, sondern die beiden selbst: „Wir sind nicht gemeinsam auf dem Hochstand oder Best Buddy, haben aber große wechselseitige Achtung voreinander“, so Ottel, der praktisch zeitgleich vom Finanzchef (CFO) zum CEO geworden ist. Er schätze am fünf Jahre jüngeren Schwendtbauer „das langfristige Denken und Visionäre in Kombination mit dem Realitätssinn eines CFOs“.
Schwendtbauer wird bei der nächsten Voestalpine-Hauptversammlung Anfang Juli Schaller im Aufsichtsrat ablösen. „Der Wechsel bei Raiffeisen wird spürbar sein", titelten jüngst die „Oberösterreichischen Nachrichten" vor diesem Hintergrund.
Schaller bleibt beim Aluminiumkonzern Amag und beim Raiffeisen-eigenen Lebensmittelriesen Vivatis im Kontrollgremium.
Jetzt heißt es erst einmal weiter aufs Pedal treten. „Evolution, nicht Revolution“ ist das Motto. Falsche Rücksichten, davon sollte man ausgehen, wird es unter ihm aber auch nicht geben.
Der Artikel ist gekürzt. In voller Länge ist der Artikel im trend.PREMIUM vom 9. Mai 2025 erschienen.