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So lebt es sich in der ersten Start-up-WG Wiens

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Zwei Männer in einem Wohnzimmer, Wendeltreppe rechts im Bild
 © trend/Clemens Schreiber

Thomas Übellacker und Constantin Convalexius haben bereits mehrere Start-ups gegründet und erhoffen sich weitere Spin-offs in der WG.

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In Wien hat sich eine Start-up-WG gegründet. Dort wohnen und arbeiten junge Menschen, die Millionen-Umsätze erwirtschaften.

Hier und dort stehen Wäscheständer herum. Eine XXL-WodkaFlasche dient als Lampe. Ein Mitbewohner sitzt im Onlinemeeting: Eine Hand gleitet über die Tastatur, die andere hält den Schlauch einer Wasserpfeife, die sich unweit vom Schreibtisch befindet. Es klingelt an der Tür. „Das ist ein Kollege von mir. Er bringt mir meinen Koffer, den ich in der Eile nicht am Flughafen in Spanien einchecken konnte“, erklärt ein Anwesender. Willkommen in der ersten Wiener Start-up-Wohngemeinschaft, wo einige der innovationsfreudigsten Köpfe zusammenfinden.

„Als wir nach Wien kamen, brauchten wir einen Ort, an dem wir produktiv arbeiten können“, erzählt Thomas Übellacker. Gemeinsam mit seinem Kommilitonen Stefan Huber gründete er 2023 das KI-Start-up Texterous, diesen März dann die WG. Nach intensiver Wohnungssuche fiel die Wahl auf ein dreistöckiges Loft in Favoriten nahe dem Reumannplatz: 100 Quadratmeter Dachterrasse und 480 Quadratmeter Wohnfläche – inklusive Sauna, Dampfbad und Indoor-Pool. Acht junge Menschen leben nun hier, die alle Start-ups gegründet haben, eines aufbauen oder in einem mitarbeiten wollen.

Silicon Valley als Vorbild

Als Vorbild dienen Konzepte wie die „Start-up Embassy“ in Palo Alto, die seit 2012 mehr als 2.000 Jungunternehmer:innen beherbergt. „Das Silicon Valley funktioniert nur deshalb so gut, weil dort die smartesten Leute auf engstem Raum zusammenkommen“, sagt Constantin Convalexius, regelmäßiger Gast in der WG und Medizinstudent, der als 17-Jähriger die Kontakterfassungsapp Resberrie entwickelte.

Der Ton, den er anschlägt, vernimmt man in der Wirtschaft öfter: Europa habe zwar gute Universitäten und Talente, sei aber zu bürokratisch und schaffe es nicht, ein Ökosystem aufzubauen, in dem Start-ups skalieren und Risikokapital an Land ziehen können. Convalexius ist sich deswegen sicher: Der Spirit des Silicon Valley – vom Pitch zum Traum – muss sich auch in Wien ausbreiten.

„Es ist cool, dass wir einen Ort haben, an dem wir sowohl Kollegen treffen als auch Kunden und Investoren empfangen können“, sagt Hauptmieter Übellacker. Zum Beispiel für das Start-up Digicust, dessen CTO er ist. Digicust automatisiert das Zollwesen, das von Unternehmen etliche Nachweise wie Packlisten, Rechnungen und Frachtbriefe verlangt. „Dokumente gehen rein, fertige Zollanmeldungen kommen raus“, vereinfacht Übellacker das Geschäftsmodell, das auf einer Reihe von hochkomplexen Programmieranweisungen basiert.

Allgegenwärtige KI

„Auch unsere eigenen Geschäftsprozesse automatisieren wir durch und durch mit KI”, sagt Übellacker. Mit rund 30 Mitarbeitenden liege der Umsatz bei 1,2 Millionen Euro, ein Plus von 600 Prozent in nur einem Jahr, so der DigicustCo-Gründer. Texterous, das zweite Startup von Übellacker, befindet sich dank KI-Einsatz auf einem ähnlichen Wachstumspfad.

Doch nicht nur Digicust, auch die Start-up-WG soll weiter wachsen. Geplant ist, die Wohnung zu renovieren, moderne Arbeitsplätze zu schaffen, vielleicht sogar mehr Zimmer anzubieten. Als ersten Schritt Richtung Expansion ist die WG nun Teil von The Residency, einem internationalen Netzwerk, das Gründer:innen Wohnraum und Arbeitsplätze zum Beispiel in New York oder in Bangalore, zur Verfügung stellt.

Kostenpunkt: 950 Euro monatlich

Wer Teil von The Residency in Wien sein will, muss für ein Zimmer zwischen 800 und 950 Euro bezahlen, je nach Größe und Komfort. Allerdings besteht die Möglichkeit, das Zimmer zwischenzeitlich unterzuvermieten, wenn man so wie einige der Mitbewohner viel unterwegs ist.

Während des trend-Besuchs schaut sich ein Mitbewohner gerade bei Alibaba und Xiaomi in China um. Ein anderer ist nach Deutschland gereist, um Investoren zu treffen. Es herrscht reges Kommen und Gehen.

Einen wöchentlichen Fixpunkt gibt es dennoch, wie Übellacker anmerkt: „Sonntags setzen wir uns zusammen und besprechen, was in der WG ansteht.“ Dann geht es auch mal um Kleinigkeiten, etwa darum, wer die Küche nicht aufgeräumt hat. Um weiteres Konfliktpotenzial zu entschärfen, wurde vor Kurzem eine Putzkraft engagiert.

Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 21. November 2025 erschienen.

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