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Hüter der Handwerkskunst

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Säckler-Handwerk. Die Fertigung einer Lederhose ist im Lauf der Zeit weitestgehend unverändert geblieben. Die Teile werden nach Kundenmaß zugeschnitten, die Innenseite wird „beledert“ – dazu kommt ein Kleber auf Mehlbasis zum Einsatz. Für die Dekoration kommt eine besondere Sticktechnik zum Einsatz.

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Ob Gürtel, Lederhose, Schirm oder Orangenpunsch – eine neue Generation kreativer Familienunternehmer übt sich mit Leidenschaft in alter Handwerkskunst und findet die Balance zwischen Tradition und Moderne. Ein Blick nach Salzburg.

Je tiefer man in die Welt des alten Handwerks eindringt, desto fesselnder wirkt sie. Man stößt auf faszinierende Details und auf erstaunliche Betriebe, in denen nicht nur spezifische Fertigkeiten, sondern auch das eine oder andere Familiengeheimnis von Generation zu Generation weitergegeben wird.

Im ganzen Land sind diese Spezialisten für die Balance zwischen Tradition und Moderne anzutreffen. In Salzburg, der nächsten Station unserer Entdeckungsreise, spielt die Tracht eine besondere Rolle. Sie wird nicht nur zu bestimmten Anlässen, sondern auch im Alltag getragen. Wer kein „Dirndl“ von der Stange möchte, lässt sich eines schneidern. Eine der besten Adressen ist der Familienbetrieb Wimmer in Schleedorf. Monika Ebner führt den Betrieb bereits in zehnter Generation, denn hier werden bereits seit 1741 Trachten hergestellt.

Unter ihrer Leitung entstehen nicht nur traditionelle Trachten und modische Dirndlkleider, dazugehörige Blusen, Schürzen, Jacken und Capes, sondern auch alles für den Herrn: Anzüge, Gehröcke und vor allem Lederhosen. Das bedeutet, dass die handwerklichen Anforderungen weit über das klassische Schneidern hinausgehen. So werden etwa auch die aufwendigen Stickereien, welche die edlen Kleidungsstücke zieren, natürlich mit der Hand gemacht. Für die Herstellung der Lederhosen gilt es, das Säckler-Handwerk zu beherrschen. Auch hier sind nicht nur Fertigung und Dekoration zu beherrschen, sondern auch Reparaturen an alten Stücken durchführen zu können.

DER WERT VON GUTEM HANDWERK WIRD WIEDER VIEL MEHR GESCHÄTZT. ES IST EIN KONTRAST ZU EINER SCHNELLLEBIGEN WELT, IN DER ALLES AUSTAUSCHBAR SCHEINT.

MONIKA EBNERWIMMER SCHNEIDERT

Zurück zur Schneiderei: Eigentlich hat sich auch hier in den letzten beiden Jahrhunderten nicht viel verändert. Die Erfindung des Dampfbügeleisens stellt dabei schon eine der relevanteren Verbesserungen dar. Verändert hat sich hingegen die Struktur des Handwerks. "Früher sind die Schneider 'auf die Stör' gefahren, das heißt, sie hatten keine Geschäftsräumlichkeiten, sondern der Schneidermeister hat vor Ort beim Kunden zugeschnitten und genäht, vielfach aus den Stoffen, die auf den Bauernhöfen selbst versponnen und gewebt wurden", erzählt Monika Ebner. Heute arbeiten alle in einem lichtdurchfluteten Atelier, angekoppelt an den modernen Verkaufsraum in Schleedorf. Von den 22 Mitarbeitern gehören acht zur Familie, darunter die Eltern, der Onkel und alle vier Brüder von Monika: Stefan, Sebastian, Leonhard und Vinzenz. Ein zweiter Standort befindet sich in der Salzburger Rochusgasse als Anlaufstelle für die städtische Klientel.

Vom Metier des Säcklers ist es nur ein Sprung zum Gürtelmacher.

Diesen findet man in der Salzburger Dreifaltigkeitsgasse 4 – sein schmiedeeisernes Zunftschild ist nicht zu übersehen. Ursprünglich eine Gerberei, durchlief das Familienunternehmen mehrere Evolutionsschritte. "Unter meinem Vater Helmut stellte der Betrieb Antriebsriemen aus Leder und Gewebe für Sägewerke etc. her", erzählt der aktuelle Eigentümer Wolfgang Schliesselberger, "von 1960 bis 1987 wurden hier Original Salzburger Trachtentaschen gefertigt. Ab Ende der 1980er-Jahre hat sich der Betrieb dann auf Produktion und Verkauf von Ledergürteln aller Art spezialisiert." Eine gute Entscheidung, denn Salzburger Kunden scheinen dank Schliesselberger dem Gürtel deutlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ein geschickt ausgewählter Gürtel hat durchaus Statement-Potenzial. Aber auch in unaufdringlichem Design, sofern perfekt auf Schuhwerk und Tasche abgestimmt, ist er aus gewissen Stylings nicht wegzudenken. Salzburg-Insiderin Ilse Nadler verriet uns, dass es Festspielgäste gibt, für die ihr alljährlicher Salzburg-Aufenthalt nur komplett ist, wenn sie mit einem neuen, maßgefertigten Schliesselbacher-Produkt im Gepäck die Mozartstadt verlassen.

Wolfgang Schliesselbergers Geheimrezept ist leicht erklärt: Geht nicht gibt’s nicht. Das Team besteht aus vier Personen, zwei davon gehören zur Familie. Gefertigt wird mit demselben Werkzeug und denselben Techniken wie vor zweihundert Jahren. "Neu ist eigentlich nur, dass man die Gürtel mit Laser bearbeiten kann und dadurch viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten hat." Ein gängiges Problem vieler Stammkunden: Ein teurer Gürtel ist zu kurz geworden oder stark beschädigt, die Schließe aber noch in Ordnung. In diesem Fall gibt es einfach einen neuen, maßgefertigten Gürtel zur bestehenden Hermes-, Dior- oder Burberry-Schließe, gerne in der aktuellen Modefarbe, falls gewünscht.

Wofür ist Salzburg noch bekannt?

Für den Schnürlregen! Als traditionelles Schutzobjekt bei dieser Wetterlage fungiert selbstverständlich der Regenschirm. So mancher Salzburger verlässt sein Heim nie ohne ihn. Es ist daher wohl kein Zufall, dass es gerade in Salzburg eine der letzten Regenschirm-Manufakturen Europas gibt.

Gegründet 1903, hat die Schirmmanufaktur Kirchtag auch andere Zeiten gesehen. Vor allem als in den 1980ern der Markt mit asiatischen Billigprodukten überschwemmt wurde, sank die Nachfrage nach handgearbeiteten Qualitätsprodukten so sehr, dass die Familie die Regenschirm-Produktion sogar einstellen musste und sich auf den Verkauf von Lederwaren konzentrierte. Heute findet das rar gewordene Handwerk jedoch wieder Anklang, vor allem bei Kunden, die Langlebigkeit und Reparierbarkeit zu schätzen wissen.

Fünf Stunden dauert es, bis aus Stock, Stoff und Gestell ein fertiger Kirchtag-Schirm zusammengebaut ist. Verborgen im Dachgeschoss eines rund 700 Jahre alten Hauses in der Getreidegasse 22 lagern in einem Labyrinth aus Räumen, Werktischen und Regalen die wesentlichen Bestandteile in all ihren Varianten. "Unsere Regenschirme sind echte Stockschirme", erklärt Andreas Kirchtag, "und entsprechend belastbar. Im Zentrum steht ein durchgängiger Holzstock aus ausgesuchten Holzarten wie Ahorn, Kirsche, Esche, Eiche oder Hickory. Ein Ende wird über Dampf zum Griff gebogen. In Form gefräst und sechsfach geschliffen wird der Stock dann mit einem Gestänge aus Italien versehen." Die mechanischen Teile wie Schieber, Krone, Scheibe und Zwinge werden vom italienischen Lieferanten für Kirchtag aus Messing gestanzt oder in Österreich aus Aluminium gefräst. Die Federn für den Mechanismus werden selbst von Hand gefertigt – aus Klaviersaitendraht! Da es den Beruf des Schirmmachers offiziell nicht mehr gibt, können die Fertigkeiten nur betriebsintern erworben und weitergegeben werden. Als Tuch kommt wahlweise Baumwolle, Schirmseide oder Kunstfaser zum Einsatz. Der Stoff wird gesäumt und sorgfältig mit dem Gestell verbunden. Das Endprodukt spricht für sich: "Ein Kirchtag-Schirm stellt schon beim ersten Griff klar, dass beste Werkstoffe und Fertigung von Hand unschlagbar sind", ist Andreas Kirchtag überzeugt.

Liquide Tradition.

Nur wenige Meter von der Manufaktur entfernt, in der Getreidegasse 39, befindet sich die Likör- und Punschmanufaktur Sporer. Exakt gleich alt wie das Familienunternehmen Kirchtag – 122 Jahre – und ebenso seit vier Generationen in Familienbesitz, waren die Gründerväter anno dazumal auch gute Freunde. Dass hier wie dort ein erhaltenswertes Erbe fortgeführt wird, verbindet auch die Urenkel der Gründerväter.

Das über 400 Jahre alte Sporer-Haus ist zwar das kleinste Haus der gesamten Getreidegasse – kredenzt werden hier aber große Tropfen, allen voran hauseigene Punsch- und Likörspezialitäten. Im Advent steht ein Stelldichein beim Sporer ganz oben auf der vorweihnachtlichen To-do-Liste.

Eines verbindet alle Sporers: Sie sind beseelt von ihrem Handwerk, von dem Wunsch, hervorragende Brände und Liköre zu erzeugen und vor Ort auch auszuschenken, denn die 110 Quadratmeter große Brennerei ist gleichzeitig ein Ort der Begegnung, der zum Verweilen einlädt. Auch die Gastlichkeit hat einen historischen Bezug. Firmengründer Franz Sporer begann einst mit einem Ausschank von Spirituosen – deren Herstellung kam erst später hinzu.

Das älteste erhaltene Rezeptbuch ist aus 1927. Darin wurde auch der "Original Sporer Orangenpunsch" erstmals erwähnt, der bis heute nach diesem Rezept zubereitet wird. 1936 übernahm Otto Sporer und kreierte einen legendären Kräuterbitter, alsbald "Hausmischung" genannt – auch er ist nach wie vor eines der beliebtesten Sporer-Erzeugnisse. Sein Sohn Peter Sporer erweiterte das Repertoire um 16 Geschmacksrichtungen, machte die "Gute Stube" und deren Produkte noch bekannter und führte das Unternehmen in das Internetzeitalter. Nach dem Eintritt von Peter Sporers Sohn Michael 1999 wurde auf sein Engagement hin das Sortiment des Verkaufslokals um ein reichhaltiges Weinangebot ausgewählter österreichischer Winzer erweitert und der Personalstand mehr als verdoppelt.

Das Brennen an sich ist technisch nahezu unverändert geblieben. Sogar die Fässer sind noch immer dieselben wie damals. Seit über 120 Jahren werden sie immer wieder neu befüllt. Stammkunden können ihre Flaschen immer wieder auffüllen lassen – ein schöner nachhaltiger Aspekt dieses hochprozentigen Handwerks. Gestaltung, Aufmachung und Präsentation der Produkte haben sich hingegen stark gewandelt. Michael Sporer verfügt neben der Beherrschung des Handwerks über ein enormes kreatives Potenzial und findet die Balance zwischen dem Respekt für das Erbe und der Courage, Neues auszuprobieren. Das Resultat ist ein Sortiment zum Staunen, Genießen und Verschenken.

Reform ohne Revolution. Das Festhalten an alten Rezepturen funktioniert also nur in Kombination mit dem behutsamen Sinn für Neuerungen, ob Gürtel oder Lederhose, Tracht oder Schirm, Kräuterbitter oder Punsch. Es fällt jedenfalls leicht, ein von Hand gefertigtes Produkt wertzuschätzen, spürt man doch die Energie und das Herzblut jener Menschen, ohne die es all diese Kostbarkeiten nicht mehr gäbe.

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