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 © Sascha van der Werf

Beste Ingredienzien. Einzigartiges Kochgenie trifft auf charismatische Gastgeberin. Birgit und Heinz -Reitbauer beim Interview „daheim“ im „Steirereck“ im Stadtpark.

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Die Steirereck-Gastronomen Birgit und Heinz Reitbauer über die Definition von Luxus und die ganz kleinen Dinge, die den großen Unterschied ausmachen – in der Gastronomie ebenso wie im privaten Umfeld.

Es gibt nur wenige Menschen, mit denen sich das erste Interview schon so anfühlt, als wäre man seit Jahrzehnten miteinander bekannt. Und es gibt nur wenige Orte, wo es sich so sehr lohnt, hinter die Kulissen zu blicken. Denn das „Steirereck“ zählt schlichtweg zu den besten Restaurants der Welt. Wenig überraschend verlief das Gespräch mit Birgit und Heinz Reitbauer ebenso harmonisch wie alles, was die beiden seit drei Jahrzehnten gemeinsam anpacken. 

Das gastronomische Juwel Steirereck im Stadtpark erhielt Anfang des Jahres den dritten Michelin-Stern. Mit einer beeindruckenden Mischung aus Tradition und Innovation interpretieren Heinz Reitbauer und sein Team die österreichische Küche konstant auf höchstem Niveau. Die Service-Crew unter der Leitung von Birgit Reitbauer liest den Gästen – egal, ob sie allwöchentlich kommen oder einmal im Jahr – sprichwörtlich jeden Wunsch von den Lippen ab. 

Zusätzlich betreiben die Reitbauers seit über 30 Jahren ihre ländliche Steirereck-Dependance am Pogusch, zogen nebenbei drei Kinder groß und sprühen vor Kreativität und Esprit, als wären das Erreichte und der Erhalt desselben keine große Sache.

Es sind zwei völlig unterschiedliche Welten – das geschäftige Treiben in Wien und die Natur am Pogusch. Nicht nur die Gäste, auch wir selbst sind dort anders.

Heinz Reitbauerösterreichischer Koch und Patron
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Die Spitzengastronomie hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte stark verändert. Vor 20 Jahren ging nichts ohne Kaviar, Gänseleber und Hummer. Welche Ingredienzien werden heute als Luxus wahrgenommen?

Heinz Reitbauer

Die Gastronomie verändert sich sowieso permanent. Wir haben das Glück, zum einen eine historische Kochbuchsammlung zu haben, zum anderen eine „Steirereck“-spezifische, die schon meine Eltern begonnen haben. Oft denkt man sich, in zehn Jahren passiert eh nicht so viel. Wenn man sich das aber anschaut, erkennt man, wie viel sich auf diesem Sektor eigentlich permanent tut. Wir haben aber auch ein gewisses Österreich-Phänomen, denn in vielen Ländern definiert man Luxus nach wie vor über die von Ihnen genannten Produkte. Es gibt eigentlich nur wenige Länder, die einen ähnlichen Zugang haben wie wir. In Österreich haben wir es durch die kleinstrukturierte Landwirtschaft und durch den Beitrag zahlreicher familiengeführter Gastronomiebetriebe geschafft, einen sehr engen Bezug zu regionalen Produkten zu schaffen. Unsere Mission ist es, diese Regionalität auf den Tellern so zu präsentieren, dass sie auch den Stellenwert und die Wertigkeit bekommt, die sie verdient.

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Wie gelingt es Ihnen, die hohen Erwartungen Ihrer Gäste immer wieder zu übertreffen?

Birgit Reitbauer

Ein wesentlicher Punkt für dieses Haus ist unser Team – Küche und Service, wo wir wirklich langjährige Mitarbeiter haben, die mit uns gemeinsam diesen Weg gehen und die im Wesentlichen den Sinn ihrer Tätigkeit darin sehen, unseren Gästen hier eine schöne Zeit zu bereiten. Und das hat nicht unbedingt mit Wert und Geld zu tun, sondern es wird Emotion weitergegeben, Freude und natürlich auch Qualität von Produkten und Servicequalität, Gastfreundschaft. Bei uns kann man Österreich am Teller schmecken, das heißt, es geht um das Erleben von Bekanntem und Neuem.

Heinz Reitbauer

Das Wichtigste ist, dass man immer eine Sehnsucht verspürt nach etwas, das ein Feuer in dir und natürlich auch im Team auslöst. Und wenn man danach strebt, dieses Ziel zu erreichen, und gleichzeitig immer neugierig bleibt, ist das eine große Motivation. Wir versuchen stets, diese Leidenschaft und diese Neugier in uns und im Team am Leben zu erhalten, damit die Routine nicht überhandnimmt. Die Routine ist am Ende das, was uns lähmt und stehen bleiben lässt.

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Der Luxus im „Steirereck“ offenbart sich auch in kleinsten Details. Welche Dinge schätzen Ihre Gäste besonders?

Birgit Reitbauer

Wir trinken gerade einen Kaffee und haben dazu eine Scheibe getrocknete Zitrusfrucht aus der Orangerie des Schlosses Schönbrunn bekommen – besonders veredelt. Das ist ein Geschmackserlebnis, das es nur bei uns gibt. Das ist Luxus, weil man dieses Produkt im Alltag nicht kaufen kann. Ein gutes Beispiel für ein kleines Stück Besonderheit, für die wir stehen. Manche Gäste streichen auch über das Tischtuch und fragen nach. Wir sind auf diese Tischwäsche aus Leitner-Leinen, einem Handwerksprodukt aus Oberösterreich, sehr stolz und freuen uns, wenn es Gäste auch als besonderes Material wahrnehmen.

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Ihre Bodenständigkeit zeichnet Sie aus und trägt zu Ihrer herausragenden Kundenbindung bei. Wie groß ist eigentlich der Anteil an Stammgästen im „Steirereck“?

Birgit Reitbauer

Das ist ein bisschen saisonabhängig, wir haben allerdings einen hohen deutschsprachigen Anteil und zählen auch Menschen, die einmal im Jahr kommen, zu unseren Stammkunden. Das gesamte Team ist darauf bedacht, dass sich alle Gäste wohlfühlen und gerne wiederkommen. Wir notieren uns sehr viele Dinge und sind dann beim nächsten Besuch schon vorbereitet. Es sind Kleinigkeiten, wie denselben Tisch wie beim letzten Mal anzubieten, das bevorzugte Wasser oder den Lieblingswein bereitzustellen oder beim Aufnehmen der -Bestellung schon gewisse Präferenzen zu kennen. Jeder Gast soll das Gefühl haben, etwas Besonderes zu sein.

Heinz Reitbauer

Ehrlich gesagt, steuern wir das schon auch bewusst. Ein Drittel internationaler Kunden reicht völlig aus. Die Gästestruktur ist wichtig für die Weiterentwicklung unseres Unternehmens, denn ein Stammgast fordert die Küche und das Service ganz anders und hält uns dynamisch. Wir achten auch darauf, dass nach Möglichkeit immer derselbe Betreuer beim Gast ist. So baut sich eine Beziehung auf. Manche Betriebe wollen das ja gar nicht, dass der Mitarbeiter etwas Privates mit dem Gast bespricht. Wir sehen das ganz anders. Wir freuen uns darüber und fördern diese zwischenmenschlichen Aspekte sogar, indem wir eben darauf achten, dass der Gast auch beim nächsten Besuch wieder „seinen“ Betreuer hat.

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Das klingt alles sehr harmonisch. In welchem Lebensbereich sind Sie beide eigentlich am unterschiedlichsten? 

Heinz Reitbauer

Beim Wandern! Ich lasse mir Zeit und schau immer, wo was wächst, wo gibt es etwas, das man kulinarisch verwenden kann. Und meine Frau rennt immer, weil sie das Ziel so schnell wie möglich erreichen möchte.

Birgit Reitbauer

Ich bin eben ein geborener Steinbock (lacht) … Aber das ist kein Problem für uns. Ich drehe dann -einfach eine Ehrenrunde.

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Wie jeder Wertbegriff ist auch die Definition von Luxus eine individuelle. Was verstehen Sie persönlich darunter?

Birgit Reitbauer

Für mich hat Luxus sehr viel mit Qualität zu tun – ob es nun die Qualität der Zeit ist, eines Produkts oder eines Handwerks. Greifbar, spürbar, fühlbar.

Heinz Reitbauer

Luxus ist auch, sich dem zu widmen, was für einen wichtig ist. Die Möglichkeit zu haben, sich das zu gönnen, was als wertig empfunden wird.

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Welchen Luxus leisten Sie sich privat, sofern dafür einmal Zeit bleibt?

Heinz Reitbauer

Für uns sind drei Dinge ganz wichtig: Natur, Ruhe und neue Eindrücke, also in Form von Reisen, wobei die Auszeit in der Natur mit zunehmendem Alter immer wichtiger wird. Einmal das Handy auszuschalten und komplett zu entspannen, hat eine ganz große Qualität. Zudem verbindet sich das ja mit unserem Beruf, denn überall in der Natur finde ich dann wieder Kulinarisches und neue Inspirationen für meine Arbeit.

Birgit Reitbauer

Der größte Luxus für uns als Familie ist die eine Woche jeden Sommer auf der Almhütte meiner Kärntner Vorfahren, wo wir ohne Strom, ganz spartanisch, wirklich wunderschöne Tage verbringen, Schwammerl suchen, mit den Füßen in der Gurk einen Sundowner genießen … Es ist so wenig, was glücklich macht. Und es sind wunderbare Momente, die uns und unseren Kindern in Erinnerung bleiben werden.

Kurz gefragt

Lieblingsreiseziel?
Birgit R.: Italien.
Heinz R.: Japan.

Traumreiseziel?
Birgit R.: Hawaii.
Heinz R.: Grönland.

Persönlicher Wohlfühlort?
Birgit R.: Unser Zuhause.

Lieblingsspeise?
Birgit R.: Käse.
Heinz R.: Das saisonale Produkt.

Bordeaux oder Brunello?
Beide: Brunello.

Burgunder oder Veltliner?
Beide: Burgunder.

Favorit im Kleiderschrank?
Heinz R.: Kaschmirpullover.
Birgit R.: Mein Ballkleid von Susanne Bisovsky.
Anmerkung von Heinz: Da waren wir ausnahmsweise nicht einer Meinung …

Lieblingsaccessoire?
Birgit R.: Ein schöner Ring.
Heinz R.: Mein Lederarmband. 

Sammelleidenschaft?
Heinz R.: Geschirr und Besteck.

Auszeichnungen

Fünf Hauben von Gault & Millau,
Michelin: Drei Sterne, Grüner Stern und Bib Gourmand.

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