
Wie aus einem brutalistischen Betonklotz am Ufer der Moldau das eleganteste neue Hotel Prags wurde.
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An jenem Gebäude, das seit Kurzem das Hotel Fairmont Golden Prague beherbergt, ist der trend-Traveller immer wieder mal vorbei gegangen. Es ist nicht zu übersehen. Ein Betonklotz am Rand der historischen Altstadt, dort wo die feine Pařížská ulice, also die Pariser Straße, an einer Brücke endet, die die Moldau überquert. Der trend-Traveller, der ein bekennender Bewunderer einer skulpturalen brutalistischen Architektur ist, war immer wieder beeindruckt von dem Gebäude. Seine Begleitung, das sollte an dieser Stelle fairerweise auch erwähnt werden, reagierte meist differenzierter.
Dass dieser Betonklotz, der so gar nicht in die ach so feingliedrige Josefstadt, dieses ehemalige jüdische Viertel, zu passen scheint, seit einigen Monaten ein so schönes, so luxuriöses und so elegantes Hotel wie das Fairmont Golden Prague beherbergt, ist das Ergebnis einer ungewöhnlichen Geschichte, die in den späteren 1960er Jahren begonnen hat. Da hatte die amerikanische Fluglinie Pan Am, die damals eine ziemlich glamouröse Angelegenheit war, den Plan, in jenen Städten hinter dem Eisernen Vorhang, die sie anflog, Luxushotels zu errichten, die von ihrer Hotelmarke Intercontinental betrieben wurden und die den „American Way of Life“ nach Osteuropa bringen sollten.
Es war jene Zeit, die man später Jet-Set-Ära nennen sollte. Dann kamen 1968 und der Prager Frühling. So dauerte es etwas, bis das Hotel 1974 eröffnet wurde. Als Architekt hatten die Amerikaner Karel Filsak auserwählt, der mit dem Bau des Flughafens Praha-Ruzyne ihr Interesse erweckt hatte und der als Brückenkopf zwischen tschechischer Moderne und amerikanischem Lifestyle fungieren sollte. Es wurde das erste Fünfsternehotel in der Tschechoslowakei. Es blieb nicht immer ein Interconti; es folgten einige Hotel-Inkarnationen, eine etwas unambitionierter als die vorherige. Zuletzt stand es leer.
500-Millionen-Euro-Investition
Und da kamen drei Herren ins Spiel, die es als Unternehmer zu Milliardären gebracht hat, und die mit dem Haus angenehme Jugenderinnerungen verbanden. Pavel Baudis und Eduard Kucera hatten in Prag jenes Unternehmen gegründet, aus dem Avast, der Hersteller von Sicherheitssoftware, hervorging. Oldrich Slemr, der Dritte im Bunde, ist Investor und Unternehmer. Sie investierten, so hört man, eine halbe Milliarde Euro in das Projekt, engagierten die renommierte Hotelgruppe Fairmont als Betreiber und eröffneten jüngst.
Den trend-Traveller empfing ein General Manager, der aus Österreich stammt. Gerhard Struger, der Erfahrung in der Luxushotelerie in Europa und in Asien gesammelt hatte, war von Anfang in das Projekt eingebunden. Unser Ziel war, sagte er, „Geschichte, Architektur, Kunst und Hospitality miteinander zu verbinden“. Und so ist eine sehr, sehr gelungene Weiterentwicklung und zeitgemäße Neuinterpretation dieses brutalistischen Monsters entstanden. „Wir wollten die Geschichte des Hauses“, sagte Gerhard Struger, „nicht nur sichtbar machen, wird wollten sie auch erlebbar machen – in jedem Detail, jedem Material, jedem Kunstwerk. Wir wollten, dass dieses Hotel ein Spiegel tschechischer Kultur ist: vielstimmig, kreativ, überraschend.“
Film trifft Inneneinrichtung
Dass die drei Eigentümer nicht nur an Architektur und Design interessiert sind, sondern auch Filmenthusiasten sind, sieht man überall im Hotel. Die Bar nennt sich „Coocoo’s Nest“, eine Reverenz an den mit fünf Oscars ausgezeichneten Film „Einer flog über das Kuckucksnest“ des aus Tschechien stammenden Regisseurs Miloš Forman. An einer anderen Stelle findet man in einer Glasvitrine die Oscarstatue, die Jiří Menzel für seine Komödie „Liebe nach Fahrplan“ erhalten hat.
Weil dieses Hotel ein Prestigeprojekt der Stadt war, durfte ein Stockwerk höher gebaut werden, als es üblicherweise in der Altstadt erlaubt war. Nun befinden sich ganz oben zwei Restaurants, von deren Fenstern man einen sensationellen Blick über die Dächer, die Kuppeln und die Kirchtürme von Prag hat. Im Fine-Dining-Restaurant „Zlatá Praha“ bietet Küchenchef Maroš Jambor, der zuvor unter anderem im damals veganen New Yorker Dreisterne-Restaurant „Eleven Madison Park“ gearbeitet hatte, eine kreative und anspruchsvolle Küche. Nebenan im „Golden Eye“ geht es entspannter zu, es gibt Sushi und andere japanische Häppchen, tolle Cocktails und man kann Abend und Ausblick genießen, wenn es einem nicht weiter stört, dass man während des Mahls von einem DJ mit lauter Musik beschallt wird.
Die Kafkas aus Tschechien
Es gibt auch eine Brasserie, die „Kafka“ heißt, und wer jetzt an Franz, den Schriftsteller, denkt, liegt ausnahmsweise falsch. Der ist in der Umgebung allgegenwärtig (ein rätselhaftes Denkmal neben der Spanischen Synagoge, die Buchhandlung Franze Kafky, sein Geburtshaus etc), das Lokal ist aber nach Cestmir Kafka benannt, einem Künstler, der einst an der Innengestaltung des Hotels einen wesentlichen Anteil hatte.
Der trend-Traveller saß gerne auf der Polsterbank vor den riesigen Fenster seines Zimmers und blickte runter auf den Outdoor-Swimmingpool und die Liegewiese des Hotels, auf die Moldau und auf den gegenüber liegenden Letná-Hügel. Dort stand einst ein riesiges Stalin-Denkmal, angeblich das größte in der Welt. Bereits in den 1960er Jahren, zur Zeit der Entstalinisierung, wurde es gesprengt. Heute steht an seiner Stelle ein großes Metronom, das den Lauf der Zeit symbolisiert. Und der trend-Traveller saß da, sah rüber zum Metronom, sah, wie die Zeit verging, dachte nach über die wilde Geschichte dieses Gebäudes, in dem er gerade saß, und stellte fest, dass die Gegenwart auch keine so schlechte Sache ist.
Goot To Know
Das Fairmont Golden Prague (https://www.fairmont.com/de/hotels/prague/fairmont-golden-prague.html) befindet sich am Ende der exklusiven Einkaufsstraße Pařížská ulice, an der die großen Luxusmarken ihre Läden haben. Sie ist, wenn so will, der Kohlmarkt Prags. Das Hotel hat 297 Zimmern und Suiten sowie 23 Serviced Residences, einen Spa- und Wellness-Bereich mit Outdoor- und Indoorpool, sechs Restaurants und Bars, einen Grand Ballroom und mehrere Konferenzräume.