
Grand Paris Express. Die Métro-Station Saint-Denis – Pleyel wird das Drehkreuz eines neuen Métro-Netzwerks sein, das den Großraum Paris vernetzen wird. Das Stationsgebäude des japanischen Architekten Kengo Kuma wird allerorts als architektonisches Meisterwerk gefeiert.
©Gerald SturzDer Pariser Vorort Saint-Denis galt lange Zeit als Problembezirk. Dann wurde er zum Zentrum der Olympischen Sommerspiele. Nun gilt er als aufstrebendes Viertel im Großraum Paris. Der trend-Traveller hat sich umgesehen. Ein Paris-Update.
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So also sieht das neue Herz von „Grand Paris“ aus, staunte der trend-Traveller, als er mit den schier nie enden wollenden, metallisch glitzernden Rolltreppen vom Bahnsteig der Métro-Station Saint-Denis – Pleyel hochfuhr. „Ici vous êtes au cœur du Grand Paris“ und „Le Grand Paris commence ici“ steht in großen Buchstaben an den Wänden der Station. Und die versetzt einen gleich einmal in euphorische Begeisterung. Sie ist ein architektonisches Meisterwerk, entworfen von dem japanischen Architekten und Pritzker-Preisträger Kengo Kuma. Origami-Architektur mit verschachtelten und verkeilten Ebenen, mit viel Holz, viel Eleganz, Großzügigkeit und Transparenz. Sie wird die Drehscheibe des „Grand Paris Express“ sein, eines Netzwerks von vier neuen Métro-Linien, die die Banlieue an das Zentrum anbinden und den Großraum Paris vernetzen werden. Bis zum Jahr 2030 soll ein Streckennetz von 200 Kilometern gebaut, sollen 68 Bahnhöfe errichtet und erstmals die beiden großen Flughäfen von Paris direkt mit-einander verbunden werden. „Grand Paris Express“ gilt als das größte Infrastrukturprojekt Europas. Nicht nur die Station Saint-Denis – Pleyel wurde von einem herausragenden Architekten erbaut, auch andere werden von namhaften Architekten geplant, auch von dem österreichischen, vor allem in Frankreich tätigen Dietmar Feichtinger.
Aber nicht nur deshalb war der trend-Traveller nach Saint-Denis gekommen. Dass er diesen Vorort im Norden von Paris aufsuchte, war auch der Beobachtung geschuldet, dass Saint-Denis gerade eine bemerkenswerte Transformation durchmacht: vom Problembezirk zu einem zentralen Ort der Olympischen Sommerspiele 2024 und nun weiter zum neuen Trendviertel. Galt Saint-Denis bislang wegen seiner hohe Kriminalitätsrate, seinem Ruf als „erste arabische Kommune Frankreichs“ und nicht zuletzt wegen der Tatsache, dass hier die islamistischen Terroristen vom 13. November 2015 ihren letzten Unterschlupf fanden, als No-go-Area für Touristen, so wird es heute allerorts als neuer Geheimtipp für Paris-Besucher genannt.
Während der Olympischen Spiele stand in Saint-Denis das Olympische Dorf. Dieses wird nun umgewandelt in ein neues Wohnquartier, das sowohl in ökologischer Hinsicht als auch im Bemühen, eine ausgewogene soziale Durchmischung zu schaffen, beispielhaft sein soll. Das stößt nicht immer nur auf Zustimmung, immer wieder hört man das Wort „Gentrifizierung“. Auch sonst haben die Olympischen Spiele die Lebensqualität von Saint-Denis entschieden verbessert. Das mit seinem geschwungenen Dach sehr auffällige und elegante Centre Aquatique Olympique steht nun allen offen, die Bahnlinie, die bislang Saint-Denis in zwei Hälften teilte, wurde mit dem architektonisch recht eindrucksvollen „Franchissement Urbain Pleyel“ überquert, der eine Mischung aus Brücke, Veranstaltungsort und Aussichtsplattform ist. Und weil Saint-Denis auf einmal ein angesagtes Viertel ist, hat eine Reihe von sehr brauchbaren Restaurants und Cafés aufgemacht.
Pleyel, Pleyel, Pleyel … der Name taucht in Saint-Denis allerorts auf. Er erinnert daran, dass hier einst der im niederösterreichischen Großweikersdorf geborene Komponist und Klavierbauer Ignaz Pleyel seine legendäre Klavierfabrik hatte.
Paris-Update
Was sich sonst in Paris gerade so tut? Einige Beobachtungen des jüngsten Besuchs.
Die Auferstehung. Nur etwas mehr als fünf Jahren hat es gebraucht, bis die Kathedrale Notre-Dame nach dem verheerenden Brand wieder zugänglich gemacht wurde. Selbstverständlich hat sich auch der trend-Traveller in die lange Schlange eingereiht, die sich auf dem Platz vor der Kathedrale gebildet hat, um Einlass zu finden. Und fand sich dann nach kurzer Wartezeit in dem neuen, weiß leuchtenden Innenraum der Kathedrale, der mit Menschen vollgestopft war, die mit ihren Selfiesticks wachelten, vor Altären und Statuen posierten, drängten, schoben und schubsten. Von Ruhe und Kontemplation, also Dingen, die man sich in einer Kirche erwartet und wünscht, war nichts zu spüren. Der trend-Traveller hat sich vorgenommen, erst einmal abzuwarten und bei einem späteren Paris-Besuch, wenn sich der Hype gelegt hat, der Kathedrale wieder einen Besuch abzustatten.
Savoir-faire. Dass Notre-Dame so schnell (mehr oder weniger) wieder fertiggestellt werden konnte, verdankt man erstens der Spendierfreude der großen Luxuskonzerne, die inzwischen ohnehin mit ihren Ausstellungshäusern (Fondation Louis Vuitton, Fondation Cartier, Bourse de Commerce etc.) und ihrer Sponsortätigkeit das Pariser Kulturgeschehen dominieren, und zweitens auch der Tatsache, dass in Frankreich das Kunsthandwerk geschätzt und gefördert wird. Das noch recht junge, vom Modehaus Chanel unterstützte „le 19M“ im 19. Arrondissement widmet sich dieser bisweilen recht unterschätzten Kunstform mit Galerie, Ausstellungen, Studios und Workshops.
Und sonst? Die angesagte neue Bar heißt „Cravan“ und befindet sich am Boulevard Saint-Germain. Fashionistas lieben den kürzlich eröffneten Dover Street Market von Comme-des-Garçons-Gründerin Rei Kawakubo in der Rue des Francs Bourgeois im Marais, die schönste neue Buchhandlung hat das Modelabel Saint Laurent in der Rue de Grenelle eingerichtet. Und Flaneure freuen sich, dass es Bürgermeisterin Anne Hidalgo gelungen ist, das Stadtzentrum weitgehend vom Autoverkehr zu befreien.
Gut zu wissen
H4 Hotel Wyndham Paris Pleyel Resort
Das markanteste Gebäude von Saint-Denis, die Anfang der 1970er-Jahre errichtete Tour Pleyel, beherbergt seit Olympia das H4 Hotel Wyndham Paris Pleyel Resort, das mit seinen 700 Zimmern auf 40 Stockwerken eines der größten Hotels im Großraum Paris ist. Wer wie der trend-Traveller ein Zimmer bucht, dessen Fenster Richtung Süden zeigen, der kann von hier aus die Skyline von Paris beobachten. Wer nicht dort absteigt, kann die Skybar besuchen, die sich immerhin auf einer Höhe von 140 Metern befindet, und von dort aus einen Blick auf Paris und über Saint-Denis werfen. Wer Hotelgast ist, der kann im angeblich höchstem Swimmingpool Frankreichs auf gleicher Höhe ein wenig planschen. Schwimmen mit Aussicht kann sehr schön sein.


Tour Pleyel. In dem markanten Hochhaus in Saint-Denis ist das sehr brauchbare H4 Hotel Wyndham Paris Pleyel Resort untergebracht.
© H4 Hotel Wyndham