
Matriarchinnen. Miuccia Prada (75) und Donatella Versace (70, r.) sind starke Persönlichkeiten und für ihren Einfluss in der Modebranche bekannt.
©gettyiamgesMiuccia Prada und Donatella Versace verbindet die Leidenschaft zur Mode und der Respekt füreinander. Dank der Übernahme von Versace durch Prada bleibt die Luxusmarke in italienischer Hand.
Es ist eine Rochade, die die globale Luxusmodebranche revolutionieren wird. Nach fast drei Jahrzehnten an der kreativen Spitze der Luxusmarke Versace ist Donatella Versace als Kreativdirektorin zurückgetreten. Zeitgleich hat die Prada Group Versace von der Capri Holding übernommen. Die Übernahme im Wert von 1,25 Milliarden Euro ist der historische Zusammenschluss von zwei einflussreichen italienischen Modehäusern und signalisiert einen signifikanten Wandel in der Branche. Patrizio Bertelli, Vorstandsvorsitzender von Prada: „Wir kommen zusammen, um uns eine neue Definition von Luxusmode vorzustellen und dabei die Einzigartigkeit jeder Marke zu bewahren.“
Die gravierenden Unterschiede in der Positionierung sind offensichtlich. Das Modehaus Versace ist bekannt für kräftige Farben, opulente Muster und kultivierte Dekadenz. Dieser neobarocke Überschwang trifft nun auf das exakte Gegenteil. Prada-Kollektionen sind klassisch, dezent, intellektuell positioniert und spiegeln den Zeitgeist wider. Derzeit ist „Quiet Luxury“ en vogue. Und so treffen bei dieser Mode-Symbiose stilistische und wirtschaftliche Gegenpole aufeinander.
Fusion und neue Synergieeffekte.
Miuccia Prada gehört zu den reichsten Frauen Italiens, ihr Vermögen wird von Forbes auf sieben Milliarden Euro geschätzt. Die Geschäfte laufen gut, der Umsatz des Unternehmens verbesserte sich zuletzt vor allem dank des Zweitlabels Miu Miu um 17 Prozent auf 5,4 Milliarden Euro. Die Familie von Miuccia Prada kontrolliert 80 Prozent des Unternehmens.
Prada hat bereits in der Vergangenheit versucht, einen Luxusmodekonzern im großen Stil nach dem Vorbild der französischen Anbieter LVMH und Kering aufzubauen. Der Kauf von Versace soll die Trendwende in der italienischen Modebranche markieren. Allein die Spekulationen von der Übernahme lösten im Februar erhebliche Kursgewinne aus, nach der Bestätigung der Übernahme stieg der Kurs der Prada-Aktie nach Kursverlusten in den Wochen zuvor immerhin um fünf Prozent.
Durch die Übernahme kann sich Prada jedenfalls als größerer italienischer Modeakteur aufstellen – auch wenn Prada mit einer Marktkapitalisierung von aktuell rund 13,5 Milliarden Euro nur einen Bruchteil seiner großen Konkurrenten wert ist: Der französische Luxuskonzern LVMH, zu dem auch italienische Marken wie Fendi und Loro Piano gehören, hat im Vergleich dazu einen Marktwert von rund 240 Milliarden Euro.
Das Ende einer Ära.
Bereits 2018 wurde Versace von der Capri Holding für umgerechnet 1,83 Milliarden Euro gekauft. Doch obwohl Versace auf den Laufstegen brillierte, brachen die Umsätze ein. Für das dritte Quartal des laufenden Geschäftsjahres meldete Versace einen Umsatz von knapp 170 Millionen Euro, ein Rückgang von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Fast dreißig Jahre lang prägt Donatella Versace, die Tochter einer Schneiderin aus dem süditalienischen Reggio Calabria, die Modemarke in der Funktion des Chief Creative Officers. Kurz vor ihrem 70. Geburtstag gab sie die Leitung ab. Das schillernde Unternehmen wurde 1978 von ihrem Bruder Gianni Versace gegründet. Donatella, die in Florenz Literaturwissenschaften studierte, war von Anfang an seine Muse, Vertraute und Beraterin. 1989 begann sie bei Atelier Versace zu arbeiten, 1993 hatte sie die kreative Verantwortung für „Versus“, die günstigere Zweitlinie, inne.
Nach der Ermordung von Gianni Versace 1997 übernahm sie die kreative Leitung und erbte das Erfolgsunternehmen. Anfangs hatte sie mit der Unternehmensführung zu kämpfen. Die androgyne Italienerin verfiel in eine Depression und jahrelangem Kokain-Konsum. Nach einem Entzug schaffte sie es, bis 2018 das Modeunternehmen in Familienbesitz zu halten. Nach dem Verkauf an Capri Holding blieb sie Kreativchefin, und die Marke feierte Erfolge. Sie forciert die DNA. Das Logo, das berühmte Medusa-Emblem, wurde vergrößert, die Farben und Muster verschärft und ikonische Modemomente kreiert. Sie setzte auf Superstars, kleidete sie ein, nutzte ihre Reichweite und inszenierte spektakuläre Runway-Shows.
Anlässlich des 20. Todestags von Gianni Versace ließ sie die legendären Supermodels der 90er-Jahre über den Laufsteg schweben. Die Reunion von Carla Bruni, Claudia Schiffer, Naomi Campbell, Cindy Crawford und Helena Christensen in Gold-Kreationen, die an Giannis frühere Designs erinnerten und von ihr verfeinert wurden, sodass sie sich wie flüssiges Gold an ihre Körper schmiegten, wurde zu einem historischen Augenblick, vom Publikum und im Netz weltweit honoriert. 2000 gelang ihr ein weiterer Clou, als sich Jennifer Lopez bei der Grammy-Verleihung im legendären „Jungle Dress“ zeigte.
Mit dieser Kreation schrieb Donatella Versace Internetgeschichte. Weltweit wurde online nach dem Kleid gesucht. Das veranlasste Google damals dazu, die Bildersuche zu etablieren. 20 Jahre später flanierte Jennifer Lopez im „Jungle-Dress“ über den Laufsteg der F/S20-Fashionshow und entfachte den Hype neu. Der Erfolg basierte auf ihrer Nostalgie für vergangene Modejahrzehnte. Stolz interpretierte sie die Versace-Codes neu und passte sie an die Bedürfnisse der Gen Z an. Doch mit der Pandemie veränderte sich der Zeitgeist. Die Mode der eklektischen Luxusmarke passt nicht mehr zu den schlichten Designs, die den Minimalismus dieses Jahrzehnts dominieren.
Versace ist in meiner DNA und immer in meinem Herzen.
Dario Vitale übernimmt das Zepter.
In ihrer neuen Rolle als Chief Brand Ambassador wird sie sich den philanthropischen und wohltätigen Bemühungen des Modehauses widmen und die Marke weltweit repräsentieren. Dario Vitale, 41, der ehemalige Design-Direktor von Miu Miu, übernimmt als Kreativdirektor. Geboren 1983 in der Nähe von Neapel schloss Vitale 2006 sein Studium am Instituto Marangoni ab und arbeitete bei Dsquared2 und Bottega Veneta. 2010 wechselte er zu Miu Miu und zeichnete für die Ready-to-Wear-Kollektionen verantwortlich.
Erst im Jänner gab er die Trennung von der Marke bekannt: „Es ist ein Privileg, zur künftigen Entwicklung von Versace und seinem globalen Einfluss durch meine Vision, Expertise und Hingabe beizutragen.“ Versace-CEO Emmanuel Gintzburger ist überzeugt: „Vitale ist ein seltenes Talent, das die Essenzen und Werte von Versace tief respektiert. Seine Erfahrung und Vision werden der Marke eine neue Perspektive bringen.“