
Der „Principe della Moda“ Giorgio Armani verstarb Anfang September. Sein Nachlass regelt sein Erbe und bestimmt seine Nichte Silvana Armani und Giorgios Partner Leo Dell’Orco als Nachfolger.
Noch nie zuvor gab es so viele neue Kreativdirektoren wie heuer. Doch es sind mehr als nur Personalwechsel. Die jungen Modeschöpfer wollen neue Trends setzen, dürfen dabei aber das Markenerbe nicht zu sehr strapazieren.
Einst entwarfen alteingesessene Couturiers die Mode für ihr Imperium, oder es waren Kreativdirektor:innen über Jahrzehnte für eine Maison tätig. Das ist vorbei. Die Granden hinterließen ein beachtliches Erbe: ihre Luxusmarken, die noch heute ihre Namen tragen. Darunter Yves Saint Laurent, der sein Unternehmen 1961 gründete und 2008 verstarb, oder Karl Lagerfeld, 54 Jahre für die Modegeschichte von Fendi und 36 Jahre für Chanel verantwortlich. Mittlerweile wechseln die Kreativleitungen in immer rascheren Abständen, denn der optimierungsgetriebene Wandel macht auch vor namhaften Marken nicht Halt. Gerade erst wurden die Prêt-à-Porter für die kommende F/S 2026 präsentiert und nie zuvor gab es so viele Designerwechsel und damit verbunden ästhetische Neuausrichtungen der Luxusmarken.
Jedes Novum birgt eine Hoffnung, denn die CEOs glauben daran, dass die Neuen frischen Wind ins Designteam bringen und die Verkaufszahlen in die Höhe schnellen. Man will mehr Aufmerksamkeit generieren – dabei zwar der Brand Heritage treu bleiben, zeitgleich aber neue Trends setzen und die aufstrebende Online-Community erschließen, freilich ohne die bisherige Klientel zu brüskieren. Der Druck ist hoch, jedes Debüt ist eine Bewährungsprobe.
The Show must go on.
Dass die Emporio-Armani-Show nur knapp drei Wochen nach seinem Tod stattfand, war bemerkenswert. Maestro Giorgio Armani – er verstarb am 4. September im Alter von 91 Jahren – hat die italienische Mode nachhaltig geprägt und bis zuletzt an seinen Kollektionen gearbeitet. Wie es mit der familiengeführten Marke weitergehen wird, hat der Maestro im Testament geregelt. Er verfügte, dass 15 Prozent innerhalb von 18 Monaten an den Luxuskonzern LVMH, an L’Oréal (hält die Beauty-Lizenz) oder das Brillenunternehmen Essilor Luxottica verkauft werden. Weitere 30 bis 54,9 Prozent in den darauffolgenden Jahren, sonst müsse das Unternehmen an die Börse gebracht werden.
Zeit seines Lebens war er nicht bereit, sein Imperium zu verkaufen, aber die Marke Armani ohne Armani ist kaum denkbar. Das wurde am Sonntag darauf bei der 50-jährigen Jubiläumsshow in der Pinacoteca di Brera deutlich. Hier wurden seine letzte Kollektion und sein Vermächtnis präsentiert. Als seine Muse Agnese Zogla mit dem letzten Look defilierte, erhoben sich die 700 Gäste, darunter Cate Blanchett, Glenn Close und Richard Gere, zu Standing Ovations. Am Ende verneigten sich seine Nichte Silvana Armani und Giorgios Partner Leo Dell’Orcound luden die Gäste zur Ausstellung „Giorgio Armani, Milano, Per Amore“. Neben den 75 Looks der Show kann man hier bis zum 11. Jänner 2026 noch weitere 129 Kreationen des Fürsten der Mode bewundern.
Abschiede und Neuanfänge.
Donatella Versace übergab im April 2025 ihr Zepter an den 42-jährigen Dario Vitale, doch bei einer Premiere glänzte sie durch Abwesenheit. Dabei war Vitales Debüt unverkennbar eine Liebeserklärung an Markengründer Gianni Versace und unterstrich seine Vorstellung von „Pop-Historismus“. Er führte die Marke in die Zukunft, denn selbst die Modelauswahl (eine Mischung aus professionellen Models und Streetcasting), wirkte um zwei Jahrzehnte verjüngt. Bei den letzten Shows, die Donatella innehatte, waren die Supermodels der 90er-Jahre oder Stars wie Jennifer Lopez tonangebend. Dennoch erinnerten Vitales Kreationen an die unbeschwerten 80er-Jahre aus Giannis glorreicher Zeit: „Meine Mutter war eine treue Versace-Kundin, daher kannte ich Giannis Arbeit schon seit meiner Kindheit. Ich wollte das Gespür für das Unternehmen greifbar machen und hinter die Kleidung blicken, um die darunterliegende Schicht zu enthüllen.“
Ein weiteres Novum war heuer die Kollektion von Demna Gvasalia für Gucci. Der gebürtige Georgier hat sich vor allem mit seinen Kultdesigns für die spanische Luxusmarke Balenciaga einen Namen gemacht. Wie kaum ein anderer versteht er es, Streetwear in High Fashion zu übersetzen, und konnte die Hautevolee sogar für die Ugly Sneakers dank seiner Triple SModellebegeistern. Jetzt soll er das Traditionshaus Gucci in eine neue Ära führen. Und der 44-Jährige tut es auf seine Weise. Er löschte alle Beiträge von Gucci auf Instagram, um den Neustart zu signalisieren, setzte auf die DNA des Hauses und kreierte „La Famiglia“, bestehend aus 37 Looks. Getreu den italienischen Werten versucht er sich in einer Symbiose. Traditionellen Elementen aus der Vergangenheit, vor allem den ikonischen Tom-Ford-Designs, verpasste er seine Handschrift, die man bereits als die neue „Gucciness“ feiert.
ICH DEFINIERE NOCH NICHT MEINE VISION FÜR GUCCI, ABER DIE PLATTFORM, AUF DER ICH DIESE AUFBAUEN WERDE. ICH MÖCHTE DAS VERSTÄNDNIS UND DIE WAHRNEHMUNG VON GUCCI DURCH MEINE INTERPRETATION NEU AUFLEGEN.
Gucci
Chanel
Dior
Versace
Celine
Maison Margiela
Paris in ewigem Aufruhr.
Das im Jahr 1945 von Céline Vipiana gegründete französische Label Celine steht für eine Art der Nonchalance und ist bei der modeaffinen Klientel beliebt. Kreativdirektorin Phoebe Philo sorgte für einen Hype. Nachdem sie das Label 2017 verließ, übernahm Hedi Slimane. Jetzt ist der US-Designer Michael Rider am Zug, der zuvor bei Polo Ralph Lauren, aber auch schon bei Celine unter der Leitung von Philo tätig war. Das Debüt des 44-Jährigen war eine sichere Bank. Seine Designs erinnerten an die kreativen Visionen von Philo, dabei wirken seine Silhouetten schärfer, seine Farbkompositionen spannend und seine Designs neu wie vertraut.
Und bei Dior? Im Juni gab die 61-jährige Maria Grazia Chiuri bekannt, dass ihre Ära bei Dior abgelaufen sei. Ihr Nachfolger ist Jonathan Anderson, der Mitte März sein Aus bei der spanischen Luxusmarke Loewe bekanntgab. Bei seinem Debüt zeigte der 41-Jährige einen kaleidoskopischen Film aus der Geschichte des Modehauses und huldigte die Arbeit seiner Vorgänger. Seine Arbeit überzeugte dank einer gut inszenierten, modernen und verspielten Kollektion, bei der sogar die Archetypen von Dior zum Vorschein kamen. Am Ende der Show zeigte sich auch der LVMH-Chef Bernard Arnault und PremièreDame Brigitte Macron, die neben ihm saß, zufrieden.
Erfolgreiches Debüt vor 2.000 Gästen.
Das spannende Finale wurde für den Abend des 6. Oktober erwartet. Vor dem Grand Palais trafen die prominenten Gäste wie Nicole Kidman, Vanessa Paradis, Penélope Cruz oder Pedro Pascal ein. Virginie Viard, die 2019 Lagerfeld bei Chanel ablöste, hatte nach fast 30 Jahren ihren Hut genommen. Der Abschied der 62-Jährigen nach nur fünf Jahren als alleinige Designverantwortliche der Maison überraschte. Seit ihrer Übernahme hat Chanel einen immensen Boom erlebt und verzeichnete 2023 zur Freude der Chanel-Eigentümer Alain und Gérard Wertheimer ein Umsatzplus von knapp 17 Milliarden Euro. Anfang des Jahres wurde bekannt, dass der französisch-belgische Designer Matthieu Blazy ihr nachfolgen wird, ein Genie, der zuletzt den Chefposten von Bottega Veneta innehatte. Er gilt als einer der brillantesten Neo-Kreativen seiner Generation.
Und das konnte der 41-Jährige bei seinem Debüt mit 2.200 Gästen unter Beweis stellen. Seine überirdische Show wird bereits als Höhepunkt der Mode-Saison gefeiert. Über dem Publikum schwebten die Planeten des Sonnensystems, allein die Sonne hatte einen Durchmesser von 15 Metern. Das spektakuläre Setting ist eine Anspielung auf Coco Chanel, die an Planetenkonstellationen und Glückssymbole glaubte. Viel mehr noch ist seine Mode eine modern interpretierte Hommage an die Grande Dame. Am Morgen davor postete Blazy eine Story mit einem weißen Hemd an einer Kleiderstange. Coco Chanel trug stets die Hemden und Hosen ihres Lebensgefährten Boy Capel und begann so, die Elemente der Herrenmode in die Damenmode zu überführen. In ihrer Garderobe, so erklärt Blazy, „gibt das Praktische und Pragmatische nie dem Verführerischen und Auffälligen nach“.
Bei der Show umschmeichelten seine Silhouetten die Körper, und bei jedem Schritt schwebten die Kreationen im Takt der Musik, weil er die ersten Stufenvolants in High-Low-Details der Modegeschichte erschuf. Dazu kombinierte er klassische Oversized-Hemden, die einen frischen Stilbruch erlaubten und diesen Laissez-fair-Charme versprühten. Die Gäste waren euphorisiert und erhoben sich von den Sitzen, um Blazy ekstatisch Beifall zu klatschen. Seine Kollektion markiert – ähnlich wie auch bereits in vielen anderen Modehäusern heuer – einen glorreichen Wendepunkt in der Geschichte der Maison.