
Der Salzburger Karl Wagner hat mit Automobilbauteilen aus Carbon ein weltweit erfolgreiches Unternehmen hochgezogen. Vor gut zehn Jahren verkaufte er seine Anteile, seitdem fließen Know-how und Energie in die Motorboot-Werft SAY. Dort setzt er mit ultraleichten Motoryachten Akzente in der Branche.
Karl Wagner weiß, wo seine Talente liegen – und wo nicht. Gymnasium war zum Beispiel nicht so das Seine. Zweimal Nachzipf, dann Schule abgebrochen und bei Roco in Salzburg eine Lehre als Werkzeugmacher plus diverse Weiterbildungen und Extrakurse absolviert. Schließlich in Wien am TGM für Kunststofftechnik eingecheckt und dort 1993 Matura gemacht. Mit einem Notendurchschnitt von eins. Wenn er will, kann er nämlich. Das hat seine Unternehmerkarriere beflügelt.
Als Motorradrennfahrer zählte Wagner gerade so zum Durchschnitt. Die ultraleichten Verkleidungen aus Kohlefaser, die er für seine Maschinen fertigte, waren hingegen ein Renner und bei der Konkurrenz höchst gefragt. Also startete er im Keller seines Elternhauses als One-Man-Show ein Einzelunternehmen namens Carbo Tech. Ursprünglich nur als Überbrückungsaktivität bis zum Studium an der Fachhochschule in Leoben gedacht, ließ er den Plan fallen, als das Geschäft boomte wie verrückt. Eine von vielen richtigen Entscheidungen, die der damals 24-Jährige traf. Innerhalb weniger Jahre etablierte sich Wagner im Olymp der Automobil- und Rennsportbranche, arbeitete für Größen wie BMW, Audi, VW/Porsche, Aston Martin und McLaren. Unter seiner Ägide wurden unter anderem der weltweit erste Carbon-Rahmen, der für ein Straßenmotorrad zugelassen war, kohlefaserverstärkte Fahrgastzellen für Serienautos oder Monocoques für Formel-1-Boliden gebaut; Letzteres gilt als Ritterschlag im summenden und brummenden Carbon-Universum.
Wagner unterschrieb Verträge über 150 Millionen, setzte völlig neue Technologien auf, erfand hoch spezialisierte Maschinen, reichte Patente ein, zog in Salzburg eine Fabrik hoch, jettete mit dem Formel-1-Zirkus um die Welt, stellte nach und nach 700 Mitarbeiter:innen ein und holte die dafür nötigen Geldgeber an Bord. Tag und Nacht arbeiten, und das jahrelang – dann zog er einen Schlussstrich. 2011 war die deutsche Mubea, ein international tätiges Unternehmen aus der Autozuliefererbranche, als Finanzier eingestiegen, 2014 verkaufte Wagner seine Anteile und beendete damit das Kapitel Carbo Tech.
Nach einer selbst verordneten Auszeit von drei Monaten, in denen Wagner jeden Tag auf einen Berg stieg – „damit sich Körper und Hirn regenerieren!“ –, engagierte er sich in Business-Angel-Netzwerken. Er investierte in Start-ups, beriet junge Gründer, stellte Kontakte her. Und stellte bald fest, dass ihm diese Rolle nicht auf den Leib geschneidert war. „Ich habe mich zu wenig persönlich eingebracht“, urteilt er rückblickend, „ich bin kein guter Begleiter, sondern ein Vollblutunternehmer, der selbst etwas aufbauen will.“
Wechsel aufs Wasser.
Da traf es sich gut, dass es ihm mehr oder minder zufällig SAY vor die Nase spülte. Der Besitzer der Werft mit Produktionsstandort im Allgäu nahe des Bodensees, deren Boote zum Teil aus Carbon gefertigt wurden, Swen Ackermann, suchte einen Investor, um mit ihm gemeinsam Firma und Marke zu entwickeln. Wagner stieg 2014 ein, erkannte nach kurzer Zeit, dass der gemeinsame Nenner zu klein für eine erfolgreiche Zusammenarbeit war, übernahm das Unternehmen 2015 zur Gänze und setzte in der Folge seine Vorstellungen nachdrücklich um. Er stellte Bereiche wie Industrialisierung oder Technik auf neue Beine und verpflichtete Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen. „Die richtigen Leute ins Team zu holen und Verantwortung abgeben zu können, ist eine große Kunst“, glaubt er. Eine Kunst, die er beherrscht, weil er, siehe oben, weiß, was er kann und was eben nicht.
Sein Hauptaugenmerk galt in dieser Phase dem Thema Carbon, das er in voller Konsequenz durchzog. Denn er wollte schnelle Boote bauen. Dafür braucht es möglichst wenig Kilo auf der Waage. „Speed ist eine Funktion aus Leistung und Gewicht“, benennt er die physikalische Grundlage. So simpel, so wahr.
Womit wir bei einem Motiv wären, das sich als roter Faden durch Wagners Existenz zieht: Geschwindigkeit. Langsam geht nicht, gibt er zu, sei es am Motorrad, mit dem Auto – oder eben auf einem Boot. Auf einer SAY mit 50 Knoten über die Wellen zu springen und in voller Fahrt möglichst radikal einzulenken, das macht ihm wirklich Spaß und dafür sind seine Modelle, egal ob 29 oder 52 Fuß lang, ausgelegt.
Apropos Speed: Gemächlichkeit ist auch in Wagners Unternehmerleben nicht vorgesehen. Die Präsentation des neuen 52-Fuß-Flaggschiffs zu Beginn des heurigen Jahres im Rahmen der boot Düsseldorf wäre beinahe ins Wasser gefallen. Pandemie und einige Kaufrücktritte trotz geleisteter Anzahlungen brachten die Werft ins Wanken. Er führte das Unternehmen durch ein Insolvenzverfahren, fand einen in Dubai lebenden dänischen Investor und startete vor knapp eineinhalb Jahren als CTO der Werft noch einmal richtig durch. Neben dem neuen Flaggschiff wird die Modellpalette bis ins kommende Frühjahr um zwei weitere Motoryachten erweitert. Darunter auch ein 32 Fuß großes Einsteigermodell in das Carbon-Universum. Über Höhen und Tiefen braucht man dem Mann, der nun noch genauer weiß, wo seine Talente liegen, wirklich nichts mehr erzählen.
ABGEFAHREN
Leicht, schnell und kompromisslos – die neue SAY 52 hält, was Anblick, Design und Datenblatt versprechen. Ausprobiert an der Côte d’Azur bei Sonnenschein und Welle.
Das Cannes Yachting Festival Mitte September bot die Gelegenheit, das neue Flaggschiff der Werft zu testen. Die SAY 52 bringt bei 15,95 Metern Länge gerade einmal 7,5 Tonnen Trockengewicht auf die Waage. Das ist ungefähr die Hälfte herkömmlicher, also nicht aus Karbonfaser gebauter Yachten. Zum Vergleich: Die in Cannes präsentierte neue Pardo 43 ist zwei Meter kürzer und hat eine Verdrängung von knapp unter zwölf Tonnen. Aufgrund der konsequenten Leichtbauweise ist auch die Motorisierung im Vergleich zu anderen Yachten dieser Größenordnung vorsichtig dimensioniert. Das Testmodell war mit zwei Stück Volvo-Penta-Dieselmotoren mit je 440 PS ausgestattet. Im Geradeauslauf ist trotzdem erst bei rund 45 Knoten Schluss. Brachial ist vor allem die Beschleunigung, da schlägt physikalisch das Leistungsgewicht positiv zu. Der werfttypische Petestep-Rumpf, benannt nach dem vom Schweden Peter Bjersten entwickelten Stufenrumpf, tut das Übrige dazu. Die Konstruktion sieht Stufen vor, die beginnend an der Mittschiffslinie V-förmig nach achtern verlaufen und mit zunehmender Geschwindigkeit nach und nach freigelegt werden, wobei die Wasserlinie jeweils parallel zu den Stufen liegt. Das hat den Vorteil, dass das Wasser nicht zur Seite, sondern nach achtern abgewiesen und das Boot dadurch angehoben wird. Zudem entsteht ein Schubeffekt, wodurch man sich etwas von der verloren gegangenen Energie zurückholt. Positive Nebeneffekte sind außerdem eine geringere benetzte Fläche, weicheres Einsetzen in die Wellen, weil der Rumpf mangels horizontaler, ebener Flächen nicht hart am Wasser aufschlägt, sowie ein geringerer Spritverbrauch. Abgesehen davon macht mit der SAY 52 vor allem das schnelle und auch sehr schnelle Kurvenfahren so richtig Spaß. Egal, ob mit oder ohne Wellen. Dabei kommt die 16-Meter-Yacht in der Optik eines Supersportwagens daher, bietet unter und an Deck jede Menge Luxus und Platz zum Leben und Genießen. Eine Sonnenlounge achtern und am Bug, eine großzügige Sitzecke unter dem T-Top hinter dem Steuerstand und eine Kajüte mit Doppelbett, Bad und Couchbereich, falls der geplante Tagesausflug von Mallorca nach Ibiza doch mit der einen oder anderen Übernachtung endet.