
Mit seinem Kryptounternehmen Animoca Brands 2026 strebt der in Österreich aufgewachsene Yat Siu 2026 an die New Yorker Technologiebörse Nasdaq. Warum er Finanzbildung pusht und mit Nervosität auf die Zwischenwahlen in den USA Ende 2026 blickt.
2025 wird Krypto Mainstream – das haben Sie im Jänner prognostiziert. War die Prognose korrekt?
Institutionell ja, aber nicht im breiten Publikum. Die Institutionen, ob Wall Street, Investoren oder Banken, zumindest in Amerika und auch in Asien, reden alle über Krypto. An der Tech-Börse Nasdaq gibt es inzwischen rund 200 Digital-Asset-Firmen. Aber die Userzahl ist nicht so stark gewachsen, eigentlich war es sogar ein schwieriges Jahr. Trumps Zölle haben nicht nur den Weltmarkt erschüttert, sondern auch den Kryptomarkt, ganz besonders den Altcoin-Markt (Alternativen zu Bitcoin wie Ethereum, Solana und viele andere, Anm.).
Aber Trump ist doch der selbst erklärte Krypto-Präsident?
Krypto war im Vergleich zu den Handelskriegen ein untergeordnetes Thema. Trump hat jedoch zumindest das Marktinteresse geweckt. Dass seine Familie mit eigenen Kryptoprojekten involviert ist, ist radikal, in gewisser Weise absurd. Der größte Hebel war jedoch, dass er den Chef der Aufsichtsbehörde SEC, Gary Gensler, abgelöst hat. Dadurch war plötzlich die Bahn frei für eine Pro-Krypto-Regulierung. Und weil Amerika einfach der größte Markt ist, zieht es dann auch alle mit hinein.
Animoca Brands, Ihre in Hongkong ansässige Kryptofirma mit mehr als 600 Beteiligungen, plant nun, in einer komplizierten Transaktion an die US-Technologiebörse Nasdaq zu gehen. Was versprechen Sie sich davon?
Seit der Ankündigung im November sind wir in einer Art Dauer-Roadshow, wie man sie typischerweise vor Börsengängen macht. Weil wir rechnen, dass es neun bis zwölf Monate bis zum eigentlichen IPO dauert, können wir nun Investoren darstellen, um was es geht und warum was wir es machen. Ich bin jetzt etwa gerade auf einer großen Konferenz in Miami.
Wie würden Sie einem typischen zentraleuropäischen Kryptoskeptiker erklären, was Animoca Brands macht?
Wir sind im Bereich Altcoins tätig. Bitcoin ist derzeit als Assetklasse 2,2 Billionen Dollar groß, Altcoins rund 1,2 Billionen Dollar. Unsere These ist, dass Altcoins einmal größer sein wird. Bitcoin ist wie Gold eine Reservewährung – Gold verwendet man nicht. Altcoins sind in Verwendung. Und was ist die Währung und die Assetklasse, die KI verwenden wird? Das sind kleine digitale Einheiten, sogenannte Token, die einen bestimmten Wert oder ein Recht repräsentieren. Animoca Brands ist auf Tokenisierung spezialisiert. Wenn man sich nicht tokenisiert, dann ist man in Zukunft unsichtbar für die KI-Agenten.
Es wird mit einer Börsenbewertung von Animoca Brands in Höhe von fünf Milliarden Dollar oder mehr gerechnet. Sie sind mit über zwölf Prozent der größte Anteilseigner. Freuen Sie sich schon darauf, wenn Sie auf der „Forbes“-Reichstenliste landen?
Es geht ja nicht um die Frage, wie viel Geld man hat, sondern was man mit dem Geld macht. Natürlich ist Elon Musks eben beschlossenes Eine-Billion-DollarGehaltspaket bei Tesla kontrovers. Aber wenn er Erfolg hat, also die gesetzten Ziele erreicht, dann wird jeder Tesla-Aktionär, auch wenn er kleine Summen hat, ein Multimillionär.
So kann man sich die Raubtierseite des Kapitalismus auch schönreden.
Das ist eben die Grundlage von Kapitalismus und von Eigentumsrechten. Wenn ich mitmache und dran glaube, dann habe ich auch die Chance, davon zu profitieren. Ich habe kein so großes Gehaltspaket wie Musk. Aber ich finde, dass man nicht alles abgeben muss. Dann wäre ja auch die Motivation für die anderen Leute weg. Generell finde ich, man sollte nicht Jungunternehmer auf dieselbe Stufen stellen wie zum Beispiel die Mark Zuckerbergs dieser Welt. Aber leider passiert das sehr oft.
Im Digitalen schöpfen die großen Techfirmen wie Zuckerbergs Instagram oder TikTok Milliarden ab, und wir geben ihnen gratis Inhalte.
Genau deshalb verfolgen wir bei Animoca Brands ja die Idee von digitalen Eigentumsrechten. Im Web3, für das wir stehen, sollen über Token auch die Nutzer profitieren können. Und wenn ich über digitale Eigentumsrechte rede, geht es ja nicht nur um die Rechte, die man hat, sondern auch um das Verständnis, dass man das eigene Geld versteht und verwalten kann, also Financial Literacy. Und wir stellen uns vor, in einer Zukunft, wo alles tokenisiert ist, werden wir alle mehr Finanzverständnis haben.
Wie kommt man als jemand, der in Wien aufgewachsen ist und am Konservatorium Klavier studiert hat, zu so einer Fixierung auf digitale Eigentumsrechte?
Ich bin in Wien in den 70ern und 80ern groß geworden. Meine Mutter hat in der Komischen Oper in Ostberlin gesungen, in der damaligen DDR. Und wenn ich dort war, habe ich gefühlsmäßig verstanden, dass es ohne Eigentumsrechte grundsätzlich nicht gehen wird. Das zweite und größere Thema ist, dass meine Mutter Geld nie wirklich verstanden hat. Das war auch so irgendwie die Anlage von Künstlern: Künstler sollten sich um Kunst kümmern, der Agent kümmert sich um das Geld. Und dann habe ich gesehen und bemerkt, wie die Agenten einfach alle diese Künstler ausnutzen. Der größte Ausnutzer in der heutigen Musikwelt ist Spotify. Ich würde sagen, Spotify ist fast eine Art KI-Agent für die Musiker. Es gibt nur wenige, die darauf verzichten können, etwa Taylor Swift.
Wie sehen Sie die Kryptozukunft Ihrer Geburtsstadt? Es gibt ja nicht nur Bitpanda, sondern auch eine Reihe von Ansiedlungen in diesem Jahr.
Ja, es sind einige Kryptobörsen nach Wien gegangen, KuCoin zum Beispiel oder Bybit. Wien hätte das Zeug dazu, zur Krypto-Hauptstadt von Europa zu werden, zumindest aber des D-A-CH-Raums. Da spielt natürlich Bitpanda auch eine Rolle, und natürlich Eric (Demuth, Bitpanda-Co-Gründer, Anm.). Ich kenne ihn, ich würde sagen, von seinen öffentlichen Themen agiert Eric eher politisch. Es braucht aber auch Leute, die mehr die Jugend ansprechen. Schauen Sie nach Asien, ob das jetzt Korea ist oder Südostasien oder Hongkong: Die meisten Jugendlichen handeln fast nur noch in Krypto.
In der Breite kommt bei uns das Thema nicht so recht vom Fleck?
Der obere Mittelstand in Europa, insbesondere in Zentraleuropa, hat irgendwie das Gefühl, dass Krypto etwas Schlechtes oder Gefährliches ist. Dieses Gefühl ist leider einfach weit verbreitet.
Es gab ja auch extrem volatile Preisentwicklungen, dazu genügend Skandale und Betrugsfälle, zuletzt die in Großbritannien verurteilte „Krypto-Queen“. Das hat das Vertrauen nicht unbedingt gestärkt.
Das stimmt. Aber das hat sich jetzt geändert mit der Regulierung, weil man zum Beispiel mit dem neuen Stablecoin Act in den USA jetzt darauf vertrauen kann, dass Verbraucher geschützt werden. Wer jetzt an die Börse geht, dem kann man mehr vertrauen, weil es Audits, Investorengespräche und vieles andere gibt, und natürlich auch unabhängige Boards.
In den USA und in Asien geht die Post ab, und Europa bleibt auf der sicheren Seite, profitiert aber null. Wieder einmal, oder?
Europa war eigentlich sogar voran mit seiner EU-Krypto-Richtlinie MiCAR. Der regulatorische Rahmen war schon früh ausgereift. Aber nicht nur der Kapitalmarkt, sondern auch der institutionelle Markt in Europa war relativ schwach und klein im Vergleich zu Amerika. Das Interesse war einfach nicht da. Ich glaube, es hat ein bisschen damit zu tun, dass Europa auf diesem Gebiet ganz einfach traditioneller und konservativer ist.
Sie meinen, dass die USA auch bei den Stablecoins die Nase vorne haben, digitalen Währungen, deren Wert z.B. an den Dollar gebunden ist?
Das ist eine große Gefahr, weil Europa Gefahr läuft, durch Stablecoins Dollar-kolonialisiert zu werden. Genauso wie Europa durch Microsoft, Facebook, Google & Co. Tech-kolonialisiert worden ist. Deshalb sollte schnell daran gearbeitet werden, einen starken EU-Stablecoin herauszubringen. Stablecoins sind überall auf der Welt ein Thema, auch in Hongkong, Japan und Korea.
Ich habe Sie bisher nicht als großen Trump-Fan eingeschätzt …
Nicht unbedingt (lacht) …
Aber dennoch müssen Sie auf einen Wahlsieg Trumps bei den Midterms im November 2026 hoffen, damit die Krypto-Euphorie anhält …
Egal, was bei den Midterms passiert, Krypto wird unausweichlich seinen Weg machen. Natürlich haben wir bei den letzten Wahlen in New York und Virginia gesehen, dass das Pendel zurückschlagen kann, so dass man kalkulieren kann, dass Trump im November 2026 zumindest ein Haus im Kongress, wenn nicht sogar beide verliert. Und dann wird es schwieriger, Kryptoregelungen weiter zu fördern. Wir sind jedoch der Meinung, dass Krypto inzwischen viel mehr parteiübergreifend akzeptiert wird. Die meisten Demokraten sehen das jetzt nicht mehr so gefährlich wie früher. Inzwischen ist die Jugend viel stärker kryptoaffin als noch vor Kurzem. Und ganz besonders, wenn man glaubt, dass KI noch weiter steigt – und das glaube ich –, dann wird Krypto noch wichtiger.
Zur Person
Yat Siu, geb. 1973 in Wien, lernte am Konservatorium Klavier, ehe er sich aufs Programmieren verlegte. Er gründete 2014 in Hongkong Animoca Brands. Ursprünglich auf Gaming spezialisiert, ist das Unternehmen heute mit 620 Beteiligungen an Krypto- und Blockchainfirmen Treiber des sogenannten Web3.
Das Interview ist im trend.PREMIUM vom 21. 11. 2025 erschienen.
