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Die Welt 2026: Anpassung statt Aufbruch

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Der erste Trump'sche Zollschock scheint zwar verkraftet zu sein. Die Aussichten für die Weltwirtschaft bleiben jedoch verhalten. Selbst Zugpferde wie Indien müssen mit sinkenden Wachstumsraten rechnen. Neben geopolitischen Unsicherheiten und Risiken an den Finanzmärkten belasten wachsende Staatsschulden nicht nur Österreichs Wirtschaft. 2026 wird ein Jahr der Bewährung.

Mitte Dezember erneuerte Donald Trump sein großes Wohlstandsversprechen. „Hunderte von Milliarden Dollar“ würden seine Zölle den USA einbringen, sagte der US-Präsident in einer Rede in Pennsylvania. Doch bislang zeigt seine Zollpolitik vor allem ihre Kehrseite. Der von Trump im vergangenen April ausgerufene „Liberation Day“, an dem Washington weite Teile der Welt mit Zöllen belegte, hätte dem Motto „Make America Wealthy Again“ folgen sollen. Stattdessen belastet er vor allem die eigene Wirtschaft: Unternehmen bleiben verunsichert, die Infl ationsrisiken steigen, der Arbeitsmarkt verliert an Dynamik, und die Budgetlage verschärft sich. Der Internationale Währungsfonds sagt der USA ein Wachstum von 2,1 Prozent für 2026 voraus, die OECD geht lediglich von 1,5 Prozent aus. Ein Zoll-Boom schaut anders aus.

Der Rest der Welt hat sich notgedrungen an das Trump’sche Zollchaos angepasst, verlagert Investitionen, organisiert Lieferketten neu und baut Handelswege um. Dennoch: Der Welthandel nimmt langsam, aber stetig zu. Laut der Welthandels- und Entwicklungskonferenz wird der globale Handel heuer erstmals einen Wert von über 35 Billionen USDollar erreichen. Im kommenden Jahr wird er jedoch schwächer. Die Welt bleibt vorsichtig resilient. „Die US-Außenzölle sind per se nicht das größte Problem. Das Urproblem ist die Furcht vor der Ausbreitung. Es ist ein befürchteter Dominoeffekt“, analysiert Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Die Zollspirale ist dabei nur ein Faktor in einem Umfeld historisch hoher Unsicherheit.

Düster

Das kommende Jahr wird kein Krisenjahr, aber auch kein Jahr der großen Dynamik. Die rund drei Prozent Wachstum sind der „Best Guess“, so der Wifo-Chef: „Es gibt hinter den Kulissen vieles, das schief hängt und Potenzial hat, das globale Wachstum von drei Prozent auf zwei Prozent oder schlimmer zu verwandeln.“ Indien sticht mit einem prognostizierten BIP-Zuwachs von 6,2 Prozent hervor, auch wenn sich das Tempo gegenüber 2025 verlangsamt. Die Prognose für China liegt mit 4,5 Prozent ebenfalls unter der des Vorjahres. Europa und der EuroRaum bleiben auf niedrigem Niveau stabil, in Deutschland und anderen europäischen Staaten zeichnen sich verhaltene Aufwärtstrends ab. Für größere Würfe scheint die globale Stabilität zu fehlen.

Blasenschmerzen

Neben der befürchteten Zollspirale verunsichern die Entwicklungen an den Finanzmärkten. Das Platzen der KI-Blase ist für viele Expert:innen nur mehr eine Frage der Zeit. Wann es passieren wird, bleibt die „Gretchenfrage“, so Felbermayr. „Wenn die großen Tech-Werte absinken, ist es überall spürbar. Die Menschen fühlen sich ärmer, wenn sie auf ihr Depot schauen, und das löst auf der ganzen Welt Negatives aus.“ Auswirkungen wie bei der Dotcom-Blase in den 2000er-Jahren sind jedoch nicht zu erwarten, so Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria: „Die großen Tech-Unternehmen sind vielleicht zu hoch bewertet, aber sie machen Gewinne.“

Im Technologiewettkampf konkurrieren China und die USA wie eh und je. Im Handel wiederum entkoppeln sie sich zunehmend – mit weitreichenden Folgen. China verlagert seine innerstaatliche Krise immer stärker auf die ganze Welt. Das Land kämpft mit einem geringen Binnenwachstum, überflutet den Welthandel gleichzeitig mit Produkten. Das ist eine „Herausforderung für die ganze Welt“, meint Bruckbauer. Der Wettbewerbsdruck steigt damit auch für Österreichs Wirtschaft massiv an. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) hat errechnet, dass vor rund 20 Jahren etwa 15 Prozent der heimischen Exportprodukte in direkter Konkurrenz zu chinesischen Exporten standen. Dieser Anteil hat sich bis heute verdoppelt und wird deutlich zunehmen, so Gerhard Fenz, Leiter der Konjunkturabteilung der OeNB.

Defizit

Die Risiken für die Weltwirtschaft liegen jedoch nicht nur in den Märkten selbst. Auch die hohen strukturellen Staatsdefizite vieler Länder wirken konjunkturdämpfend. Besonders deutlich zeigt sich das in den USA. Trotz zusätzlicher Zolleinnahmen dürfte die Staatsschuldenquote bis 2030 auf rund 143 Prozent des BIP steigen. Nicht zuletzt deshalb fordert Trump Zinssenkungen und greift die US-Notenbank in ungeahnter Weise an. Der IWF warnt heuer zum ersten Mal eindringlich vor den konjunkturellen Folgen politischer Angriffe auf die Unabhängigkeit von Zentralbanken.

Auch in Österreich belastet das Budgetdefizit weiterhin. „Da ist noch ein längerer Weg zu gehen. Die Rückführung des Defizits wird uns auch 2027 und 2028 etwas Wachstum kosten“, analysiert Fenz.

Lichtblicke

Österreichs Wirtschaft wird sich zwar künftig „unterdurchschnittlich“ entwickeln, so Fenz. Aufwärtsrisiken erkennt die OeNB jedoch beim privaten Konsum und dem Wohnbau. Bei den Stimmungsindikatoren ist ein „gewisse Aufh ellung merkbar“. Der Trend geht vorsichtig nach oben.

So ist aus österreichischer Sicht auch das Wachstum der Eurozone zu interpretieren. Die Prognose ist zwar minimal schwächer als für das Jahr 2025, aber vorteilhafter. So wird Österreich zumindest teilweise von der Dynamik in Deutschland profitieren. Die deutschen Infrastrukturpakete und die steigenden Verteidigungsausgaben dürften österreichischen Unternehmen zusätzliche Aufträge bringen.

Trotz aller Krisen und Risiken, die Silberstreifen lassen sich auch 2026 finden. Von den neuen Handelswegen profitiert etwa Südostasien am deutlichsten. Vietnam wächst mit rund 5,6 Prozent. Die Schwellenländer zeigen sich mit rund vier Prozent Wachstum zudem äußerst resilient, Subsahara-Afrika überrascht positiv. Und die Infl ation kommt vielerorts wieder zurück zur Normalität. Chinas Defl ation scheint langsam zu enden, und in Indien wird ein Rückgang der Teuerung auf vier Prozent erwartet.

Sollte 2026 ein stabiler Frieden in der Ukraine gefunden werden, könnte dies der europäischen Wirtschaft einen wichtigen Impuls geben. „Aber es ist zu bezweifeln, dass ein von Russland und den USA diktierter Frieden tatsächlich positiv auf die europäische Wirtschaft wirkt“, dämpft Bruckbauer von der Bank Austria die Erwartungen.

Im kommenden Jahr wird die Weltwirtschaft auf die Probe gestellt. Die zahlreichen Unsicherheitsherde bleiben ein Bremsklotz für das globale Wachstum – trotz aller Anpassungsfähigkeit.

Den ganzen Artikel lesen Sie in der trend.EDITION vom 19. 12. 2025.

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