
Co-CEO Julian Jäger
©Picturedesk/Kurier/Gilbert NovyNach dem vergangenen Rekordjahr startete der Flughafen Wien mit einem Passagierplus von 2,4 Prozent ins erste Halbjahr 2025. Flughafen-Wien-Vorstand Julian Jäger über Millioneninvestitionen und den Sommerflugverkehr, auf den er ohne Bedenken blickt.
Die Gewerkschaft befürchtet einen Kollaps im Sommerflugverkehr durch Personalengpässe, vor allem bei der Flugsicherung. Teilen Sie die Sorge?
Prognosen sind immer schwierig, aber wenn ich aus dem schließe, wie es jetzt bei uns am Flughafen läuft, kann ich die Sorge nicht teilen. Wir sind deutlich pünktlicher als im Vorjahr, sogar unter den pünktlichsten Flughäfen Europas. Auch die Zahl der Flüge wird im Sommer nicht mehr massiv steigen. Ich erwarte also keinen Kollaps.
Sie fürchten auch keine höheren Sicherheitsrisiken durch zu wenig Personal bei der Flugsicherung?
Nein, die Sicherheit und Verlässlichkeit ist in Europa sehr hoch.
Wie ist es denn um die Sicherheit am Flughafen Wien bestellt? Wir erinnern uns an den Fall, dass jemand ohne Pass an Bord gelangt ist.
Die Sicherheit am Flughafen Wien ist insgesamt sehr hoch. Wir haben das Geschehen am Standort immer genau im Blick und können im Einsatzfall sofort handeln, auch dank der exzellenten Zusammenarbeit mit der Polizei. Dieser blinde Passagier ist durch eine Sicherheitskontrolle gegangen. Hier hat also nie ein Sicherheitsrisiko bestanden. Wir haben dennoch die Maßnahmen verschärft und beschäftigen wesentlich mehr Personal bei der Bordkartenkontrolle. Auch technische Vorkehrungen haben wir getroffen: So wurde die Sensibilität bei den Zugangseinrichtungen erhöht, was aber auch zu mehr Fehlalarmen führt.
Der Flughafen Wien rechnet mit 32 Millionen Passagieren am Ende des Jahres. Wie viel davon in den Sommermonaten?
In den vier Hauptmonaten von Juni bis September rechnen wir mit insgesamt rund zwölf Millionen, also etwa drei Millionen pro Monat.
Was sind die gefragtesten Destinationen?
Nach wie vor Griechenland, Türkei, Spanien, Italien. Auf der Langstrecke nach wie vor die USA, auch wenn man da ab Herbst eine Abschwächung spürt. Die Nachfrage aus den USA nach Europa ist jedenfalls sehr stark. Ein größeres Problem für Wien und die AUA ist, dass Flüge von und nach Tel Aviv wegfallen. Dadurch fallen auch viele Umsteiger in die USA aus. Aktuell wird die nachlassende Nachfrage in die USA aber durch niedrigere Ticketpreise abgefangen.
Ich habe in letzter Zeit Beschwerden gehört, dass man in Wien sehr lange auf sein Gepäck warten muss. Woran liegt das?
Wir monitoren das täglich. Heuer ist die Dauer tatsächlich etwas kürzer als im Vorjahr – in aller Regel unter 30 Minuten, aber natürlich müssen wir nach Dringlichkeit abwägen. Das Transfergepäck hat Vorrang.
Das ist also eine Ressourcenfrage?
Nicht nur, aber auch. Mit mehr Personal könnte man die Situation verbessern, aber das ist eine wirtschaftliche Überlegung.
Im Sommer will man auch nicht mehr Personal einsetzen?
Das tun wir ohnehin. Wir haben rund 300 zusätzliche Mitarbeiter:innen aufgenommen. Für den Sommer ist die Personalplanung damit abgeschlossen, aber natürlich nehmen wir alle Beschwerden sehr ernst und bemühen uns sehr um rasche Abfertigung.
In den letzten Jahren sind die Ticketpreise teurer und das Fliegen weniger komfortabel geworden. Wie erklären Sie sich die ungebremste Nachfrage nach Flugreisen?
Die Bedürfnispyramide der Menschen hat sich verändert. Reisen ist für junge Menschen zu einem Grundbedürfnis geworden. Da hat die Pandemie vielleicht mitgeholfen. Ich glaube nicht, dass Fliegen unbequemer geworden ist. Die Passagiere gewöhnen sich daran, dass es gewisse Regeln wie Sicherheitskontrollen oder eigene Regeln bei Low-Cost-Airlines gibt, und auf Zwei-Stunden-Flügen legen die wenigsten wert auf Essen oder Zeitungen.
Wie wird es mit den Ticketpreisen weitergehen?
Aktuell sehen wir eine flache Entwicklung. Ich gehe jedenfalls nicht davon aus, dass das Fliegen dramatisch billiger wird, weil durch die Verzögerung bei der Auslieferung von Flugzeugen kaum zusätzliche Kapazitäten in den Markt kommen. Andererseits sehen wir durch die wirtschaftliche Entwicklung eine gewisse Nachfrageschwäche.
Ist der Businessverkehr auf dem Level vor Corona?
Nein, das wird so schnell auch nicht passieren. Im Verkehr nach Deutschland sind wir aktuell etwa 25 Prozent unter Vor-Corona-Niveau. Dafür ist der Privatreiseverkehr deutlich gestiegen. Wir erleben hier also eine Verlagerung. In Summe ergibt das dennoch mehr Passagiere als vor der Pandemie.
Der Flughafen investiert heuer 300 Millionen Euro, viel davon in Logistik oder Immobilien vor Ort. Kann es sein, dass diese Einnahmen einmal wichtiger als jene durch das Fliegen an sich werden?
Das Standbein „Retail“ ist gegenüber dem „Airport“ tatsächlich ein wachsendes. Mit der Süderweiterung des Flughafens wird diese Entwicklung noch beschleunigt werden. Wir bekommen ja in Kürze 10.000 Quadratmeter zusätzliche Flächen für Gastronomie und Shopping dazu. Ich bin heute den ganzen Tag in Bietergesprächen mit Gastronomen gesessen. Erfreulich ist, dass fast die ganze Wiener Spitzengastronomie mitbietet. Entscheidungen dazu fallen im Herbst. Ziel ist es, dass wir mit jedem Passagier durch ein besseres Angebot mehr Umsatz machen. Wir wollen ja das Geld, das wir in die Süderweiterung investieren, irgendwann wieder reinbekommen. Aber dass dieses zweite Standbein „Non-Aviation“ größer wird als das Standbein „Aviation“, glaube ich nicht.
Die Entscheidung für die dritte Piste soll nächstes Jahr fallen. Aus heutiger Sicht: Würde der Bau Sinn machen?
Die Frage werden wir in den nächsten sechs bis zwölf Monaten beantworten. Der wichtigste Parameter dabei ist die Wirtschaftlichkeit.
Die Beteiligungen des Flughafens Wien in Malta und Košice laufen ganz gut. Gibt es Überlegungen, weitere Zukäufe zu tätigen?
Wir sind mit der Entwicklung der Beteiligungen sehr zufrieden. Wir haben aber in unserer Strategie vor rund 13 Jahren festgelegt, dass wir darüber hinaus nichts kaufen. Ausnahme wäre Bratislava. Aber der Markt ist kein einfacher mit sehr potenten Marktteilnehmern. Aktuell sehe ich nicht, dass wir die Strategie von damals ändern werden.
AUA-Chefin Annette Mann hat kürzlich wieder darauf hingewiesen, dass Österreich nach Deutschland der zweitteuerste Standort ist. Gemeint waren die Luftverkehrsabgabe und die Flughafengebühren in Wien. Wieso ist Wien so teuer?
Meines Wissens nach hat sich die AUA hier auf die staatlichen Standortkosten wie Flugabgabe, Sicherheitstarif und Flugsicherungsgebühren bezogen. Der Flughafen Wien ist deutlich günstiger als Frankfurt, München und Zürich und Brüssel. Wir haben also sehr wettbewerbsfähige Flughafentarife. Im nächsten Jahr werden wir unsere Tarife sogar um 4,6 Prozent senken. Das beruht auf einer gesetzlichen Formel. Ich sehe also keinen Handlungsbedarf.


32 Millionen Passagiere sollen heuer am Flughafen Wien landen oder abfliegen. Damit wird der Passagierrekord von 31,7 Millionen Passagieren aus dem Jahr 2019 gebrochen. Ob das den Bau einer dritten Piste rechtfertigt, wird in den nächsten Monaten entschieden.
© Istockphoto/Markus MainkaZur Person
Julian Jäger, geb. 1971, steht mit Günther Ofner seit 2011 an der Spitze des Flughafens Wien. Der Jurist gilt als SPÖ-nahe, sein Vertrag als Vorstand des Flughafens wurde letztes Jahr bis 2030 verlängert. Jäger ist außerdem Präsident des Dachverbands der österreichischen Luftfahrtbranche Aviation Industry Austria (AIA).
Um wie viel sind die Flughafengebühren in Wien seit 2019 gestiegen?
Die Gebühren sind zwar seitdem um 15 Prozent gestiegen, liegen aber auf dem Niveau von 2015. Auch 2026 werden wir wieder deutlich absenken.
Jetzt, wo die Grünen nicht mehr in der Regierung sind, sehen Sie eine Chance, dass die von Ihnen kritisierte Luftverkehrsabgabe abgeschafft wird?
Dass die Abgabe in budgetär engen Zeiten abgeschafft wird, ist nicht sehr realistisch, auch wenn wir natürlich großes Interesse daran hätten. Jedenfalls vernünftig wäre aber eine Zweckwidmung für die SAF(Sustainable-Aviation-Fuel)-Produktion. Hier muss noch viel passieren, um 2050 CO2-neutral zu werden. Staatliche Unterstützung wäre hier wichtig. Man muss auch die Regulierung ändern: Es ist völlig absurd, dass von der EU nur das anerkannt wird, was in Europa produziert wird.
Haben Sie noch weitere Wünsche an die Regierung?
Wir sehen durch die neue Regierung jetzt wieder einen positiven Zugang zur Luftfahrt. Im neuen Verkehrsminister haben wir einen Ansprechpartner, der die wirtschaftliche Bedeutung der Luftfahrt zu schätzen weiß. Das ist ein wesentlicher Schritt zur Vorgängerregierung, wo versucht wurde, die Luftfahrt zurückzudrängen. Was in dem Zusammenhang auch zu wenig Beachtung findet, ist die Zulieferindustrie in Österreich. Airbus kauft zu 60 Prozent bei europäischen Zulieferern, mit FACC ist ein großer österreichischer ganz vorne mit dabei.
In Deutschland soll die Luftverkehrssteuer gesenkt werden. Welche Auswirkungen könnte das auf Österreich haben?
Das kann nur positive Auswirkungen haben, weil dann hoffentlich wieder mehr Verkehr zwischen Deutschland und Österreich passieren wird. Und Deutschland ist ja nach wie vor unser größter Markt.
Haben Sie nicht Angst, dass Fluglinien wie etwa Scoot aus Singapur, die ab Juli Wien anfliegt, dann doch lieber einen Flughafen in Deutschland wählen?
Dass die Luftverkehrsabgabe in Österreich niedriger ist als in Deutschland, war auch ein Faktor, aber sicher nicht der einzige Grund, warum Scoot nun Wien anfliegt.
Haben Fluggäste zu viele Rechte? Die EU will Entschädigungen erst ab vier Stunden Verspätung gewähren …
Die Erwartungshaltung der Passagiere, günstige Tickets zu bekommen, ist groß. Gleichzeitig sind Entschädigungen, die die Airlines bei Verspätungen zu zahlen haben, deutlich über den Ticketpreisen. Ich verstehe, dass die Airlines damit ein Problem haben. Dass man das etwas abmildert, dafür habe ich Verständnis. In dieser strengen Form gibt es das auch bei keinem anderen Verkehrsmittel. Diese Zusatzkosten werden ja letztlich auf die Ticketpreise umgelegt.
Flughafen Wien in Zahlen
Passagiere: 32 Millionen am Ende des Jahres, mehr als ein Drittel davon in den Sommermonaten.
Destinationen: 190 werden diesen Sommer angeflogen.
Investment: 300 Millionen Euro.
Marktanteil: Mit 46 Prozent ist die AUA größter Carrier.
EBIT 2024: 306,1 Millionen Euro.
Das Interview ist in der trend.EDITION vom 27. Juni 2025 erschienen.