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Aus dem Tunnel ans Licht

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Die KRISEN DER LETZTEN JAHRE haben besonders den KMU zugesetzt. Sie sind die Hauptleidtragenden des Abschwungs. Viele geraten in eine Negativspirale. Aber es gibt auch zahlreiche Beispiele für Kleine und Mittelständler, die trotzdem erfolgreich sind.

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Die Daten erzählen keine schöne Geschichte. In Österreich nehmen Insolvenzen dramatisch zu. Die wirtschaftliche Lage ist angespannt. Und während sich international tätige Konzerne oder diversifizierte Großunternehmen meist irgendwie helfen können, geraten Kleine und der Mittelstand unter die Räder.

Rückenwind dürfen sie so schnell keinen erwarten. Österreich wies schon für die vergangenen fünf Jahre inflationsbereinigt das geringste Wachstum in ganz Europa auf, auch 2024 wird der Wert um null liegen. „Der Gegenwind hält Österreich heuer nahe an der Stagnation“, meinen die Wifo-Experten Marcus Scheiblecker und Stefan Ederer. Und sie prognostizieren außerdem, dass die Wirtschaftsleistung sich auch im kommenden Jahr nur auf 1,8 Prozent erhöhen wird. Im besten Fall.

Die allgemeine Konjunkturschwäche der EU trifft vor allem die auf Investitionsgüter spezialisierten Länder – wie eben Österreich. Ein Umschwung wird nicht zuletzt von einer Lockerung der Zinspolitik durch die Europäische Zentralbank abhängen. Ab Jahresmitte 2024 sollte es eigentlich so weit sein, hofft man allgemein. Für die meisten KMU wird es dennoch einige Zeit dauern, bis sich der Konjunkturhimmel wieder erhellt.

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THILO ÜBLAGGER, der Firmenchef bei k-tec, leitetet ein sehr gut gehendes KMU: „Aber wenn wir alle nicht bald wirklich ernsthaft etwas gegen die hohe Staatsquote und ihre Folgen tun, wird der wirtschaftliche Trend weiter nach unten zeigen.“

 © biegestellt / Lorenz Masser

KUNSTSTOFF-STARS AUS RADSTADT

Krisenspuren

„Die vergangenen Jahre mit ihren verschiedenen Krisen haben unübersehbare Spuren in den Betrieben hinterlassen“, sagt KSV-Insolvenzexperte Karl-Heinz Götze. Der Druck steigt. Und betroffen sind inzwischen – von Großinsolvenzen wie jener der Signa-Gruppe abgesehen – eben vor allem KMU. Um 27,1 Prozent stiegen die Firmenpleiten im ersten Quartal 2024 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auf 1,05 Milliarden Euro haben sich die Passiva erhöht, das ist ein Anstieg um 161 Prozent. Die diversen Signa-Pleiten sind da bereits herausgerechnet. Eine dramatische Tendenz.

Man sehe aktuell „den Auftakt zu einem massiven Anstieg an Insolvenzen“, fürchtet Götze. Besorgniserregend ist laut KSV auch die Zahl der nicht eröffneten Insolvenzverfahren, weil schlicht die nötige Masse fehlt und manche Unternehmen nicht einmal mehr die Verfahrenskosten (4.000 Euro) zahlen können.

Hohe Energie- und Rohstoffkosten sowie die in Österreich deutlich stärker als anderswo gestiegenen Personalkosten haben nicht wenige KMU in einen Balanceakt zwischen Sein und Nichtsein getrieben. „Es ist die Fülle der Themen, die große Bandbreite an Herausforderungen, mit denen KMU konfrontiert sind, die es für kleinere Unternehmen so schwer macht, sich zu bewegen“, sagt Sabine Hönigsberger. Die Leiterin des Firmenkunden-Bereichs in der Erste Bank konstatiert: Es werde immer schwieriger, als KMU zu existieren.

Wendig mit Gelenktransplantaten

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Wendig mit Gelenktransplantaten

Markus Mateyka, Eigentümer des Eisenstädter Familienunternehmens Haemo Pharma

Alles sauber hingekriegt

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Alles sauber hingekriegt

Tatsächlich hat sich ein ganzer Berg an Stolpersteinen aufgebaut, die jetzt im Weg liegen: die hohen Zinsen, die immer kompliziertere Regulatorik – vor allem in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit, der Nachholbedarf bei Digitalisierung und KI.

Es herrscht Fachkräftemangel, die geopolitische Lage ist unsicher. Die Inflation in Österreich liegt nach wie vor deutlich über dem Durchschnitt des Euroraums. Und ob die Energiepreise auf dem gegenwärtig wieder niedrigen Niveau bleiben, muss sich erst zeigen.

„Da darf man als KMU den Kopf nicht in den Sand stecken“, warnt Erste-Bankerin Hönigsberger. Aber Optimismus zu bewahren, ist zu einer schwierigen Übung geworden.

Hilfreich kann ein Blick auf jene Unternehmerinnen und Unternehmer sein, die ihre Betriebe mit Mut und Anpassungsfähigkeit trotz des Gegenwindes erfolgreich auf den Märkten steuern – siehe die diversen Beispiele in den Kästen dieser Story.

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MUTMACHERIN. Erste-Bank-Firmenkunden-Chefin Sabine Hönigsberger will „den Unternehmen vermitteln, dass sie ihre Sache gut machen und dass es trotz der Probleme weitergeht“. Sie sieht aber auch „die große Bandbreite an Herausforderungen, die es KMU schwer machen, sich zu bewegen“.

Luft nach oben

Nicht überall, aber in vielen Branchen sind die Auftragsbücher alles andere als gefüllt. Der Sektor Gewerbe und Handwerk etwa umfasst alle investitionsgüternahen Branchen von Bau bis Elektro ebenso wie konsumnahe Bereiche. Die Auftragslage in dem mit knapp 250.000 Unternehmen, 770.000 Beschäftigten und einem kumulierten Jahresumsatz von etwa 130 Milliarden Euro wichtigsten KMU-Sektor in Österreich ist aber überschaubar.

Laut dem Quartalsbericht des KMU-Forschungsinstituts müssen beinahe die Hälfte aller Betriebe (46 Prozent) mit Auftragslücken zurechtkommen. Sie könnten neue Aufträge sofort annehmen und auch abarbeiten. 30 Prozent der Betriebe beurteilen ihre Geschäftslage als „schlecht“.

„Das Stimmungsbarometer liegt deutlich unter dem Vorjahresniveau“, schreiben die beiden KMU-Expertinnen Karin Gavac und Cornelia Fürst in ihrem aktuellen Bericht. Zehn Prozentpunkte unter Vorjahr liegt auch die Quote jener Rückmeldungen, in denen die allgemeine Situation als gut bewertet wird. Um 14 Prozentpunkte sind die Erwartungen für das laufende Quartal gesunken. „Per saldo überwiegen die Unternehmen mit einem schlechten Geschäftsverlauf“, heißt es bei der KMU Forschung.

Hohe Energie

Aber es gibt sie immer noch, die Leuchttürme in der KMU-Landschaft. Auch wenn rundherum Betriebe durch den hohen Wellengang gefährlich ins Schlingern geraten, schaffen es gar nicht so wenige, mit Bravour durch den Sturm zu navigieren, ohne Schaden zu nehmen. Meistens sind es Spezialisten, die sich in Nischen einen gewissen Status der Unantastbarkeit erarbeitet haben.

„Es ist eigentlich bewundernswert“, staunt selbst Bankerin Hönigsberger, „wie viele Unternehmen an all die Herausforderungen mit unfassbarer Energie herangehen und – obwohl es insgesamt ruppiger wird – nach dem Motto ‚We are here to stay‘ an ihre Sache herangehen.“

Da ist zum Beispiel der Radstädter Kunststoffhersteller k-tec, der seine gebogenen Plexiglas-, Kunststoff- oder Vakuumtiefziehteile auf Brücken, in Feuerwehrautos oder bei sonstigen Anwendungen vom Motorboot bis zum Unterwassertunnel einbaut. So stammen die Tunnels in den Aquarien des Wiener Hauses des Meeres oder der Seitenschutz auf der höchsten Brücke der Welt aus dem Pongau.

Das Eisenstädter Unternehmen Haemo Pharma fasste in der Coronakrise frischen Mut und beschloss, zu expandieren und neue Geschäftsbereiche zu eröffnen. Man stieg in die Produktion eigener Gelenkimplantate ein.

Der Logistikspezialist LTS wiederum reüssiert in einer seit Jahren besonders umkämpften Branche. Und das mit Fassadenreinigung befasste KMU Sigron will in ein neues Segment expandieren und so weiter. Vorzeige-KMU gibt es auch in den schwierigen Zeiten noch genug.

Gegen den rauen Wind auf der Straße

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Gegen den rauen Wind auf der Straße
 © beigestellt

Rohrpost als Erfolgsgarant

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Rohrpost als Erfolgsgarant
 © beigestellt / Severin Wurnig

Was kommen könnte

Der nächste Zinsschritt der EZB wird eine Senkung sein. So rasant wie bergauf wird es mit den Zinsen zwar nicht bergab gehen, doch selbst kleine Schritte könnten eine Entspannung bringen. Thomas Oberholzner von KMU-Forschungsinstitut blickt daher „vorsichtig optimistisch“ in die Zukunft: „Es wird eine Markt-bereinigung geben“, aber die Lage werde sich in den nächsten Jahren einrenken. Ein Boom ist nicht zu erwarten. „Im guten Fall reden wir von einem mäßigen Entwicklungspfad.“

Welche Hebel können KMU jetzt ansetzen? In schweren Zeiten ist jedenfalls echte Kostentransparenz gefragt. Wem nicht klar ist, wo Geld verdient und wo es verloren wird, kann schwer Strategien entwerfen. Geschäftsmodelle sollten hinterfragt werden, und KMU sollten sich – wo es möglich ist – diversifizierter aufstellen, um bei Problemen umschwenken zu können. Das ist jedoch leichter gesagt als getan, räumt Deloitte-Experte Albrecht Rauchensteiner ein: „Wenn’s nichts zum Schwenken gibt, wird es schwer.“

Auch der Ressourceneinsatz muss stärker hinterfragt werden: Wie bleiben die Mitarbeiter motiviert, wie setzt man die Leute an den richtigen Stellen ein?

Ganz ohne Hilfe der öffentlichen Hand wird es aber nicht gehen, die nächste Regierung ist gefordert. Längst überfällig wäre laut Experten die seit Jahren eingemahnte Senkung der Lohnnebenkosten – und zwar nicht nur in homöopathischen Dosen.

Für noch wichtiger für den Weg zurück in die Erfolgsspur halten die meisten Mittelständler eine radikale Entbürokratisierung. Österreich ist ohne Zweifel drastisch überreguliert. Vieles müsste dabei im Gleichklang mit der EU über die Bühne gehen. Aber es besteht auch genug Spielraum im eigenen Land.

Erste-Bankerin Sabine Hönigsberger ist um Optimismus bemüht: „Die Zinssenkung wird kommen“, ist sie überzeugt. „Den Unternehmen muss man daher einfach Mut machen und vermitteln, dass es besser wird.“ Man müsse ihnen sagen: „Ihr seid einfach großartig.“

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Der Artikel ist trend. PREMIUM vom 24. Mai 2024 entnommen.
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