PROGNOSTIKER. IHS-Chef Holger Bonin ortet eine "leichte Belebung" durch den Welthandel.
©trend/Sebastian ReichHOLGER BONIN vom Institut für Höhere Studien (IHS) ist in seiner Inflations- und Zinsprognose vorsichtig. Treiber des Aufschwungs: der private Konsum.
Seit Ihrer letzten Prognose haben sich in Österreich einige Branchen auf Lohnabschlüsse geeinigt, allen voran die Metaller - ist das die Höhe, die Sie eingepreist haben?
Im Großen und Ganzen ja. Da und dort sind die Abschlüsse sogar etwas niedriger als erwartet. Die Chancen sind aber intakt, dass der private Konsum der große Treiber des Aufschwungs wird.
Können sich die höheren Arbeitskosten nicht auch negativ auswirken?
Derzeit spricht viel dafür, dass die Unternehmen Arbeitskräfte horten, um sie zur Verfügung zu haben, wenn der Aufschwung wieder beginnt. Natürlich kann es sein, dass dort und da die Kostenschraube überdreht wird und weniger neu eingestellt wird - das ist aber derzeit noch nicht der Fall. Das große Fragezeichen ist der Handel.
Inwiefern?
Dort ist der Wettbewerbsdruck durch den Onlinehandel ein ganz anderer, deshalb hat ein höherer Lohnabschluss auch einen größeren Effekt auf die Beschäftigung. Müssen die Preise angehoben werden, kann sich das in weniger Konsum niederschlagen.
Die Inflation ist zuletzt schneller zurückgegangen als erwartet. Werden wir rascher in die "alte Normalität" zurückkehren?
Da wäre ich vorsichtig. Nicht nur wegen der Lohnentwicklung und der weiter bestehenden Fachkräfteengpässe. Es werden ja auch die erhöhten Kosten für Energie oft nur zeitverzögert an die Kunden weitergegeben.
Und in Österreich spielt bei der Inflation die Gastronomie nach wie vor eine große Rolle. Sie hat eine höhere Gewichtung im Gesamtkonsum, und die höheren Preisen werden offensichtlich noch immer gezahlt.
Auch wenn die Inflation insgesamt sinken wird, könnte die Differenz zwischen Österreich und den anderen Ländern des Euroraums sogar noch wachsen.
Es wird bereits auf eine rasche Zinswende nach unten gewettet, zu Recht?
Wir rechnen mit keinen weiteren Zinsschritten nach oben, aber auch nicht mit schnellen Schritten nach unten. Die Zentralbanken werden etwas länger zuwarten, damit sie hinterher nicht wieder gegensteuern müssen, denn das ist besonders schwierig.
Welche Impulse kommen 2024 von der internationalen Konjunktur?
Es wird eine leichte Belebung durch den Welthandel geben. Für uns überraschend war, wie stark die Erholung in den USA schon jetzt war. Ob sich die starke Beschäftigungsaufnahme und der starke Anstieg der Löhne bei den Geringqualifizierten auch eins zu eins auf die Konjunktur auswirken, ist jedoch noch unklar - das ist ein neues Phänomen. Es sollte aber positive Auswirkungen auf den Export haben.
Nach Hurra hört sich das nicht an.
Nein. Für große westliche Volkswirtschaften wie Deutschland und Frankreich sollte es 2024 zwar besser laufen als 2023. Aber in Summe ist der internationale Motor nach wie vor am Stottern.
Das Interview ist aus trend. edition+ vom Dezember 2023.