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Die neue Generation der Jäger:innen

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Tono Soravia und Paula Mayer-Heinisch in Jagdausrüsstung mit Gewehr, Hut und totem Hasen
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Tono Soravia und Paula Mayer-Heinisch

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Frauen und junge, urbane Schichten haben die Jagd in den letzten Jahren für sich entdeckt. Sie schätzen vor allem das Naturerlebnis und den Genuss von nachhaltigem, selbst geschossenem Wild. Und natürlich landet durch die neue Lust an der Jagd auch so manches Unternehmen einen Volltreffer.

Der ehemalige Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer steht vor den Trümmern seiner politischen Karriere. Mitschuld daran ist bekanntlich ein Foto, das ihn auf der Jagd mit dem nunmehrigen Immobilienpleitier René Benko zeigt, ausgerechnet zu einer Zeit, als Dornauer mit einem Waffenverbot belegt war. Die unschöne Optik zwang ihn schließlich letztes Jahr zum Rücktritt als Parteichef und Regierungsmitglied. Der jüngst erfolgte Parteiausschluss war wohl nur mehr eine logische Folge aus der unschönen Jagdaffäre. Wenigstens seinen Jagdschein bekommt der wilde Abgeordnete bald zurück, wie er kürzlich freudig verkündete.

Dennoch wirft die Causa ein sehr einseitiges Bild auf die heimische Jagd und die Jäger. Die Jagd als kostspieliges Hobby einiger weniger Wohlhabender, bei dem der Wald und die Tiere nur die ansprechende Kulisse dazu bilden? Die Jagd als bloßes Beiwerk zu männerdominierten Zusammentreffen, in deren Zentrum hauptsächlich Businessdeals und Netzwerkpflege stehen? Auch frühere opulente Jagdeinladungen des Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly und René Benkos von Politikern, um diese gewogen zu machen, haben dieses Image entstehen lassen.

Jagdkarten werden beliebter

Die Realität sieht inzwischen weitgehend anders aus. In den letzten Jahren hat ein regelrechter Run auf Jagdkarten eingesetzt. Mehr als 140.000 Personen besitzen in Österreich mittlerweile einen Jagdschein – um 14 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Jedes Jahr kommen 5.000 neue Jäger dazu. Bei den „neuen“ Jägern steht keineswegs das Töten von Tieren oder das die Nähe zu Politikern im Vordergrund, wie es Jagdgegner gerne propagieren, sondern die Natur, die Naturkunde und vor allem – das nachhaltig gewonnene Wildfleisch.

„Natürlich gibt es auch ein paar Adabeis auf der Jagd, aber die Zahl liegt im Promillebereich“, ist Franz Mayr-Melnhof-Saurau, seit Jahresbeginn Österreichs oberster Jäger, überzeugt. Und weiter: „Das Schießen ist nur ein Bruchteil unserer Arbeit. Das Hauptinteresse gilt der Natur. Bei der Jagdprüfung wird einem ein großer Querschnitt durch die Naturkunde geboten.“ Seine Aussagen werden auch von jenen sechs Jäger:innen bestätigt, die der trend getroffen hat und nach ihren Motiven, auf die Pirsch zu gehen, befragt hat. „Für mich ist Jagen das Natürlichste überhaupt, weil es der engste Bezug zur Natur ist“, sagt etwa Tono Soravia, Spross des bekannten Immobilienunternehmers Hanno Soravia.

Auch das Image der Jäger in der Öffentlichkeit habe sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, ist sich Mayr-Melnhof-Saurau, der in der Steiermark eines der größten Waldgebiete Österreichs mit 32.400 Hektar verwaltet, sicher. Eine kürzlich unter der Bevölkerung durchgeführte Umfrage zeigt, dass 87 Prozent der Befragten die Jagd befürworten. Dazu hätten auch, so der Bundesjägermeister, die Initiativen der heimischen Jägerschaft beigetragen, die Plattform jagdfakten.at, die seit letztem Jahr laufende Info-Kampagne „Das ist Jagd“ und die App „Wildes Österreich“, die Jäger und potenzielle Wildfleischkäufer zusammenführt.

Auch das althergebrachte Bild des heimischen Jägers scheint sich allmählich zu verändern. Weg vom älteren, ländlich geprägten Mann, hin zu mehr Frauen und zu einer jüngeren, auch urbanen Zielgruppe. Mittlerweile liegt der Frauenanteil unter heimischen Jägern bereits bei 14,7 Prozent. Tendenz deutlich steigend. In den Jagdkursen, die meist rasch ausgebucht sind, liegt die Frauenquote oft sogar über 20 Prozent. Laut Auskunft von Jagd Österreich ist das Durchschnittsalter unter Jägern in den letzten zehn Jahren um fünf Jahre auf 47 Jahre bei Frauen und 54 bei Männern zurückgegangen. Auch Eva Erlacher, Anwältin, die Jagdrecht selbst unterrichtet, registriert den Wandel: „Die Jagd ist zwar immer noch männerdominiert, aber man merkt in den Kursen stark, dass immer mehr Frauen Interesse an dem Thema haben.“ Diesen Beobachtungen schließt sich Sandra Bauernfeind, Geschäftsführerin von Heimat Österreich, an. In ihrem Kurs waren sogar fast die Hälfte der Schüler Frauen: „Frauen sind mutiger geworden, die Zeiten, in denen Frauen ihr Leben abgegeben haben, als sie geheiratet haben, sind vorbei“, sagt sie.

An dem Wandel hin zu jüngeren Interessenten haben auch die mittlerweile zahlreichen Jagd-Influencer einen nicht unwesentlichen Anteil. Anwältin Erlacher ist unter „Austrian Huntress“ auf Instagram zu finden und hat bereits mehr als 21.000 Follower. „Als ich damit begonnen habe, wollte ich zeigen, dass Frauen auch auf die Jagd gehen, und den Leuten in der Stadt das Gefühl der Natur in Österreich weitergeben“, sagt die Mutter zweier kleiner Kinder. Sie hat auf ihrem Kanal auch keine Scheu, sich mit dem von ihr erlegten Wild, egal ob Gams oder Rehbock, abzubilden. Die Kritik daran, so Erlacher, habe sich bislang in Grenzen gehalten. Inzwischen sind viele Influencer auf das Thema Jagen aufgesprungen. In Deutschland etwa zählt die bekannte Jagd-Influencerin mrs_artemis mehr als 175.000 Follower.

Das Jagd-Duo: Paula Mayer-Heinisch und Tono Soravia

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Gastronom Tono Soravia, 29, und Schuhproduzentin Paula Mayer-Heinisch, 30

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Jagd als Wirtschaftsfaktor

Das zunehmende Interesse an der Jagd schlägt sich auch in wirtschaftlichen Kennzahlen nieder. So kommt eine eben erst publizierte Studie der italienischen Universität Urbino zu dem Schluss, dass die Jagd in Europa mit einer Wertschöpfung von 180 Milliarden Euro ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden ist. 1,1 Millionen Arbeitsplätze werden dadurch gewonnen, heißt es. Insgesamt würden europäische Jäger und Sportschützen 96,3 Milliarden Euro für ihre Tätigkeit ausgeben, sagt die Studie.

Allein in Österreich würde die Wertschöpfung eine Milliarde Euro ausmachen, teilt Jagd Österreich mit. Davon profitieren in erster Linie Waffenproduzenten, Erzeuger von optischen Jagdutensilien und -fahrzeugen, Verkäufer von Jagdbekleidung sowie Verpächter von Jagden. Auch wenn man die Jagd vielleicht nicht mehr als elitär bezeichnen kann, die Erstausrüstung ist nach wie vor nicht ganz billig. Das gibt auch Erlacher zu: „Die Grundausstattung beim Jagen ist schon teuer, aber die meisten Sachen halten auch sehr lange.“

Insgesamt muss man zu Beginn jedenfalls mit mehreren Tausend Euro rechnen. Für den Jagdschein allein schlagen rund 1.000 Euro zu Buche, für Beginn jedenfalls mit mehreren Tausend Euro rechnen. Für den Jagdschein allein schlagen rund Jagdwaffen je nach Marke und Größe 1.000 Euro aufwärts, wobei richtige Jagdbüchsen kaum unter 10.000 Euro zu bekommen sind.

Die Jägerin: Eva Erlacher

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Eva Erlacher, 36, Rechtsanwältin und Influencerin

 © Carolus Haschka

Das Geschäft mit der Jagdausstattung

Für den bekannten Wiener Jagdausstatter Joh. Springer’s Erben bleibt der große Boom dennoch aus. „Wir sind klassischen Schwankungen nach oben wie nach unten nicht ausgesetzt“, erläutert Chef Christian Johann Springer. Denn die hier erhältlichen Waren sind tatsächlich nur etwas für jene Menschen, „die das entsprechende Budget“ zur Verfügung haben. So bekommt man hier auch sehr viel teure englische Kleidung aus Tweed, von der für gewöhnlich nur 150 Teile pro Jahr verkauft werden, so Springer. Bekleidung macht vom Gesamtumsatz seines Unternehmens etwa ein Drittel aus, den Rest setzt das Unternehmen, das zu 23 Prozent dem Investor Alexander Schütz gehört, mit Waffen um. Prächtig laufen die Auktionen von alten Waffen, die Joh. Springer’s Erben seit einigen Jahren veranstaltet.

Etwas preisgünstiger können Waidmänner und Waidfrauen bei der Firma Kettner einkaufen, die insgesamt 18 Filialen betreibt, zwei davon im benachbarten Ausland. 2024 lag der Umsatz um 3,5 Millionen Euro unter jenem des Vorjahres. Auch der Jahresüberschuss lag mit 208.000 Euro zuletzt deutlich unter jenem von 2023. Beim Tiroler Unternehmen Swarovski Optik, einem der größten Anbieter für optische Jagdgeräte, wo vom Zielfernrohr bis zum Tracking-Assistenten so gut wie alles rhältlich ist, was das Jägerherz begehrt, lief es schon einmal besser. 2024 wurde zwar der Umsatz leicht auf 143 Millionen Euro erhöht, der Ertrag fiel aber mit minus 8,4 Millionen Euro negativ aus. Dies allerdings, nachdem es die letzten zehn Jahre für den Tiroler Platzhirsch in Sachen Jagdoptik prächtig lief und der Umsatz nahezu verfünffacht werden konnte. Ähnlich wie auch in anderen Industrieunternehmen werden im Lage bericht neben hohen Energie- und Personalkosten Rückgänge beim Export als Gründe dafür genannt.

Die Jägerin: Huberta Tacoli

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Huberta Tacoli, 32, Goldschmiedin beim Juwelier Halder

 © Beigestellt

70 Hirsche für 72.000 Euro

Beständiger dürfte das Geschäft aktuell mit der Jagdverpachtung laufen. Das legt jedenfalls der Jahresbericht der Bundesforste, des größten Verpächters von Jagdflächen in Österreich, nahe. 25,6 Millionen Euro wurden mit der Jagd im vergangenen Jahr eingenommen, in den Jahren davor fiel etwas weniger ab. Insgesamt verfügen die Bundesforste über 1.600 Jagdreviere, die sie entweder verpachten oder in denen sie Abschuss- und Pirschverträge vergeben. Aktuell ist etwa ein Pachtvertrag mit 3.919 Hektar in der Steiermark um 72.000 Euro pro Jahr ausgeschrieben. Nebenkosten im Ausmaß von 160.800 Euro sind noch nicht mitgerechnet. Dafür winken dann auch attraktive Abschüsse, wie die Ausschreibung der Bundesforste verspricht: 70 Hirsche, 30 Rehe, zehn Gämsen, ein Auerhahn und ein Murmeltier warten auf den Pächter.

Ähnlich groß wie der Grundbesitz der Familie Mayr-Melnhof, der auch zum Teil verpachtet wird, ist mit 23.500 Hektar die Alwa Güter- und Vermögensverwaltung GmbH, die über Gebiete in der Obersteiermark, Niederösterreich und Ungarn verfügt. Dabei handelt es sich auch um eines der größten Jagdgebiete des Landes, das vor einigen Jahren vom Deutschen Ernst Wilhelm Ferdinand von Baumbach gekauft wurde. Er stammt aus einer der reichsten Familien Deutschlands, die den Pharmakonzern Boehringer Ingelheim besitzt. Hier lässt sich aus der Bilanz ein Gewinn von knapp 14 Millionen Euro ersehen.

Der Jäger: Ronald Bauer

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Ronald Bauer, 44, Rechtsanwalt in Wien

 © trend/Lukas Ilgner

Nachhaltiges Wildfleisch

Nahezu jeder oder jede der neuen Jäger führt als Grund neben dem Naturerlebnis die Lust auf das wilde Fleisch an. Auch der Wiener Rechtsanwalt Ronald Bauer, der erst seit zwei Jahren über den Jagdschein verfügt und selbst am liebsten Niederwild, also Fasane, Rebhühner oder Wachteln schießt: „Ich persönlich esse fast nur mehr Wildfleisch. Da weiß ich wenigstens, dass es weidgerecht erlegt wurde.“ Ähnlich sieht das die Goldschmiedin Huberta Tacoli: „Wild zu genießen ist in jedem Fall klimaschonender, als etwa Rinder zu verzehren, die einen extremen CO2-Ausstoß verursachen und meist nicht artgerecht gehalten werden.“

Auch der oberste Jäger Franz Mayr-Melnhof-Saurau bestätigt den Run auf Wildfleisch: „Uns rufen junge Familien an und wollen wissen, wo sie das Fleisch bekommen können“, berichtet er. Aktuell isst der durchschnittliche Österreicher rund 65 Kilo Fleisch pro Jahr, wovon allerdings nur 0,7 Prozent Wildfleisch sind. Genau das soll die App „Wildes Fleisch“ aber ändern. Auch Tono Soravia will den Österreichern das Wild am Teller schmackhaft machen. In seinem Restaurant „Collina am Berg“ am Wiener Spittelberg zelebriert der 29-Jährige die neue wilde Küche. Neben Hirschtatar und Reh-Croquetas stehen dort auch ein Wildschweinragout und ein Wildschnitzel aus eigener Jagd auf der Speisekarte. Für ihn ist Wild zu essen „die höchste Ehre“. „Damit zollen wir dem Tier und der Leistung der Jagd Respekt. Viel ethischer kann man Fleisch nicht essen.“

Und auch die nächste Generation wird bereits an die Jagd und den Verzehr von Wild gewöhnt, wie Eva Erlacher bestätigt. Wenn die Anwältin jetzt auf die Jagd geht, was wegen ihren zwei kleinen Kinder seltener geworden ist, wünscht ihr ihre Dreijährige: „Weidmannsheil“ und ersucht darum, ihr einen großen Bock von der Jagd mitzunehmen. Auf die Jagd geht Erlacher meist allein oder zu zweit.

Für die meisten Jäger ist die Jagd hingegen ein gesellschaftliches Ereignis, schon allein deshalb, weil nicht jeder über ein eigenes Jagdrevier verfügt und zur Jagd eingeladen werden muss. „Die Jagd ist etwas Gemeinschaftliches“, findet Huberta Tacoli, die auch gerne mit ihren Freundinnen Jagen geht. Das sieht auch Rechtsanwalt Bauer so. Er nützt die Zeit in der Natur, um von seinem stressigen Job abzuschalten: „Man ist den ganzen Tag in der Natur und es sind immer nette Jagdkollegen dabei.“ Diese, so Bauer, seien auch von der Herkunft immer diverser.

Diese Diversität zeigt sich auch in der Liste prominenter Jäger, wo sich neben Raiffeisen-Managern und VP-Politikern etwa auch Red-Bull-Eigentümer Mark Mateschitz oder SP-Chef Andreas Babler, ein Linker wie er im Buch steht, wiederfinden. Und eben der mittlerweile wilde Abgeordnete Georg Dornauer.

Die Jägerin: Sandra Bauernfeind

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Sandra Bauernfeind, 51, Geschäftsführerin Heimat Österreich

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Promi-Jäger:innen in Österreich

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Promi-Jäger:innen in Österreich

Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 24. Oktober 2025 erschienen.

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