
ANNEMARIE WIDMER leitet das Schweizer Familienunternehmen in dritter Generation.
©Louis WidmerIm Jubiläumsjahr trifft trend. Annemarie Widmer, Inhaberin und CEO der
Louis Widmer SA, in Wien für ein Gespräch über ihren Führungsstil, ihre Nachhaltigkeitspläne und den visionären Innovationsgeist der Marke.
Louis-Eduard Widmer und sein Sohn Louis-Max Widmer gründeten 1960 ihr Schweizer Kosmetik- und Pharmaunternehmen und legten mit ihrem Fachwissen und ihrem Innovationsgeist den Grundstein für den Erfolg der Marke. Mit 22 Jahren stieg Annemarie Widmer ins Unternehmen ein, zwei Jahre später wurde sie in die Geschäftsleitung befördert. 2006 verstarb ihr Vater, und sie übernahm in dritter Generation mit nur 27 Jahren sein Lebenswerk. Engagiert und passioniert führte sie die Marke Louis Widmer international in eine erfolgreiche Ära.
2025 kann das 65-jährige Jubiläum gefeiert werden. Fortan wird das Sortiment in neuem, nachhaltigen Design und sieben Linien für unterschiedliche Hautbedürfnisse präsentiert. Dabei bleiben die Formulierungen unverändert hoch dosiert, effizient und hoch verträglich. Nonchalant meistert Annemarie Widmer den Spagat zwischen pharmazeutischen Richtlinien, strengsten Qualitätsstandards, ambitionierten Nachhaltigkeitsversprechen und inklusivem Führungsstil par excellence.
1960 GRÜNDETEN LOUIS-EDUARD WIDMER und sein Sohn Louis-Max Widmer das visionäre Pharma- und Kosmetikunternehmen.
© Louis WidmerSie haben das Familienunternehmen mit 27 Jahren übernommen. Waren Sie darauf vorbereitet?
Ich wollte immer im Familienunternehmen arbeiten, aber mein Vater hat es nicht erlaubt. Er war der Meinung, man müsse sich zuerst die Hörner abstoßen. Ich habe meine ersten Erfahrungen außerhalb des Konzerns gesammelt. Irgendwann sagte ich ihm: „Ich mache meine Karriere auch ohne dich, ich brauche unser Unternehmen nicht dazu.“ Und er erwiderte: „Jetzt bist du bereit für das Familienunternehmen.“ Er wollte sichergehen, dass ich so weit bin.
Sie haben Louis Widmer in eine erfolgreiche Ära geführt. Wie herausfordernd ist es, in dieser schnelllebigen Zeit ein Unternehmen weiterzuentwickeln?
Ein Vorteil als Familienunternehmen sind flache Hierarchien, denn Entscheidungen können schnell getroffen werden, sei es produkt- oder auch vertriebsseitig. Zudem sind wir unabhängig, auch finanziell, das gibt uns eine gewisse Freiheit im Denken und Handeln. Der Markt ist hart umkämpft, aber wir haben uns von einem Drei-Mann-Betrieb zu einer 250 Mann und Frau starken Organisation entwickelt und konkurrieren mit Großkonzernen wie La Roche Posay, Vichy, Eucerin und Avène. Das Wichtigste ist, seiner Marke und der DNA treu zu bleiben und sie gleichzeitig weiterzuentwickeln.
Ich weiß nicht, ob ich Quoten einführen würde, wenn, dann eher eine Männerquote.
Sind Sie mit der Geschäftsentwicklung zufrieden?
Wir wachsen nachhaltig, nicht nur beim Packaging und der Green Strategy, sondern über die gesamten Produktlebenszyklen. Wir lancieren wenige Neuheiten pro Jahr, damit sich die Produkte im Markt bewähren. Das führt zu stetigem, aber gesundem Wachstum. Ich bin sehr zufrieden.
Sie lukrieren 75 Prozent des Umsatzes im Ausland?
Ja, und das ist herausfordernd, denn wir haben den Schweizer Franken und produzieren in der Schweiz. Gleichzeitig erwirtschaften wir unsere Erträge im Euro. Wir müssen mehr leisten und mehr verkaufen, um den Umsatz entsprechend währungsbereinigt halten zu können.
Sie beschäftigen 250 Mitarbeiter aus elf Nationen, 64 Prozent sind Frauen, und die Hälfte des Leadership Managements ist weiblich.
Diese Quote hat sich natürlich ergeben, denn unsere Hauptkonsumentin ist die Frau. Als die Fabrik noch nicht hoch automatisiert war, hatten wir einen viel höheren Frauenanteil, das sind heute weniger. Und im Außendienst hatten wir damals nur Männer, jetzt hauptsächlich Frauen über alle Länder und Gesellschaften hinweggesehen. Jede Person soll so platziert sein, dass sie ihr volles Potenzial entfalten kann. Ich weiß nicht, ob ich Quoten einführen würde, wenn, dann eher eine Männerquote. Aber das wird nicht von irgendeinem Headquarter in einem weit entfernten Land als KPI auferlegt. Wir entscheiden selbst.
Ihr Führungsstil ist geprägt von Transparenz und Authentizität. Sie verstehen sich aufs Krisenmanagement – in Zeiten von wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit nicht einfach.
Wir haben klar definierte Firmenwerte, Führungswerte und Mitarbeiterwerte. Es geht um das Funktionieren miteinander. Wir sprechen Themen direkt an, jeder darf sich kritisch äußern. Respekt und Chancengleichheit sind wichtig, das fordere ich ein. Mein Vater war ein typischer Patron, er war für viele eine Vaterfigur und hat den Mitarbeiter ins Zentrum gestellt, er praktizierte People Business vom Feinsten.
Sie setzen auf energieeffziente Technologien und wollen eine CO2-neutrale Produktion bis 2028?
Dieses Ziel haben wir uns 2021/22 gesetzt. Die Themen „Green Strategy“ und „Committed to Care“ treiben wir stetig voran. Ich denke, dass wir das bis 2028 erreichen können. Der größte Hebel in unsere Industrie ist das Packaging, also Materialreduktion und Monomateralien. Mit unserem Relaunch 2024 sind bereits 95 Prozent des Sortiments recyclierbar, an den restlichen fünf Prozent arbeiten wir noch mit der Verpackungsindustrie. Es braucht Druck von außen, um Großes zu bewirken.
„Look good, feel better“ – Sie engagieren sich seit 2008 in dieser Stiftung. Warum?
Mein absolutes Herzensprojekt, das international von der Beautyindustrie getragen wird und länderabhängig und länderspezifisch organisiert ist. Die Stiftung bietet Beauty-Workshops für Krebspatientinnen. Das sind kleine Workshops mit höchstens acht bis zehn Personen. Die Patienten kommen und sind verhalten, scheu und in unterschiedlichen Stadien der Chemotherapie. Wenn sie gehen, sehen sie blendend aus, fühlen sich wohl, tauschen Nummern aus, gehen noch Kaffee trinken. Es ist ein heilsamer Moment.
Sie feiern 65-jähriges Jubiläum und sind in Wien, um das Sortiment in neuem Design und sieben Linien für unterschiedlichste Hautbedürfnisse, gesunde und kranke Haut, zu präsentieren.
Das ist seit Anbeginn unser Anliegen. Mein Großvater war Drogist und begnadeter Salesman, mein Vater ein Kaufmann. Sie haben in einigen Kosmetikfirmen gearbeitet, bis der Wendepunkt kam, der ihnen bewusst gemacht, dass sie das selbst auch können. Sie haben mit pharmazeutischen Produkten im Bereich der Akne begonnen, später kam die Dermokosmetik hinzu. Wir verstehen uns heute als Brücke zwischen Kosmetik und Pharmazie, mit Pflege, die auch beim Heilungsprozess bei Hauterkrankungen oder bei der Rückfallprophylaxe mitzuwirken versucht. Die neue Sortimentsstruktur soll Kundinnen und unseren Beraterinnen und Beratern die Orientierung erleichtern. Deshalb sind unsere Produkte nur im Fachhandel erhältlich.
Als Frau, als Mutter und als Unternehmerin: Haben Sie ein bestimmtes Pflegeritual?
Egal, wie stressig der Morgen oder Abend ist, das Pflegeritual muss sein. Ich brauche an einem normalen Tag etwa zwölf Produkte aus unserem Hause.