
Designer integrieren die Krawatte in ihren Kollektionen als Symbol für weibliche Stärke. Ein zeitgemäßer Stilansatz, der auf Inklusivität setzt und dabei die genderfluide Perspektive in den Fokus stellt.
Power Dressing gibt in der Mode den Ton an und wird von den bedeutendsten Kreativen in jeder Saison neu interpretiert. Kreativdirektor Anthony Vaccarello präsentierte in seiner SS25-Kollektion für Yves Saint Laurent maskuline Zweireiher mit besonders breit akzentuierten Schulterpartien, Oversized-Hemden und Krawatten. Eine Hommage an Couturier Yves Saint Laurent, der eine Vorliebe für gut geschnittene Anzüge und die dazu passenden Krawatten hegte.
Bei der Modenschau sorgte der Plot Twist für Aufsehen, denn die massiv maskulinen Elemente wurden mit weiblichen Accessoire-Details wie Pumps und Armreifen verbunden. Dadurch entstand eine hybride Ästhetik, die modern und zeitlos zugleich ist. Nahtlos knüpften namhafte Luxus-Labels wie Vivienne Westwood oder Emporio Armani in ihren HW25-Kollektionen daran an und inszenierten die Krawatte als nonchalantes Statement in ihren Kreationen.
Die Krawatte steht seit je her für guten Stil, Seriosität und Professionalität. Als Frau eine Krawatte zu tragen, ist eine kraftvolle Möglichkeit, dem persönlichen Kleidungsstil eine starke Note zu verleihen. Es ist ein Spiel mit Kontrasten, denn heute wird das männlich konnotierte Accessoire auf moderne, genderfluide Weise in die Garderobe der modeaffnen Frau integriert und fast beiläufig zu einem Empowerment-Symbol stilisiert.
Der Krawatten-Modetrend blickt auf eine bedeutende Historie zurück. Ende des 17. Jahrhunderts trugen Frauen sie erstmals als Teil der Reitbekleidung, eine Art Uniform. Bedeutung erlangte das maskuline Accessoire in der ersten Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts. Zur damaligen Zeit eine bewusste Form der Provokation, denn Feministinnen sahen in der Krawatte ein Symbol von männlicher Autorität und Macht. Das Tragen eines Männeranzug samt Krawatte wurde als Signal für den Beginn der Emanzipation gelebt. Die Selbstbestimmung rückte fortan in den Fokus. Sie suggerierte die Bereitschaft, dieselben Positionen einnehmen zu wollen und zu können.
DAS VERBINDENDE ELEMENT.
Selbst heute noch kommt die Krawatte in der Mode als Empowerment-Symbol zum Tragen. Ein Blick auf die aktuellen Kollektionen genügt, um die Raffinesse der Krawatte anzuerkennen. Treffend formulierte schon Leonardo da Vinci: „Einfachheit ist die höchste Form der Raffinesse.“
Und die neue Business-Ästhetik beeindruckt in dieser Saison dank einfachem Halsgebinde. Schmale Langbinder wirken mit einer Rock-Kreation besonders subtil, der breite Schlips hebt sich als maskulines Element hervor und kommt zu Oversized-Blazern auffallend zur Geltung. Selbst die Länge beeinflusst das Erscheinungsbild und wird durch das Binden eines Krawattenknotens bestimmt.
Laut einer Studie von Thomas Fink und Yong Mao gibt es 85 Knotenarten vom einfachen Four-in-Hand- über den Kent- bis hin zum Windsorknoten. Tatsächlich ist das Binden eine nützliche Kunst, da sie die Länge der Krawatte regulieren kann. Darüber hinaus spielen Stoff und Textur eine entscheidende Rolle.
Seide wirkt edel und in Pastellnuancen wie Rosé zart und feminin. Wollkrawatten in dunklen Farbtönen wirken klassisch und gediegen. Karo-Prints versprühen Vintage-Flair, und Ton-in-Ton-Muster setzen moderne Akzente. Die modeaffine Klientel kann den einst androgynen Garçonne-Look heute mit einer Leichtigkeit perfektionieren und dank stilvollen Krawattenklammern, Pumps oder einer modernen Hornbrille individualisieren.
Rückblickend steht die Entwicklung der Krawatte in der Mode exemplarisch für die kulturellen Veränderungen und die kreative Ausdrucksfreiheit. Man stellt veraltete Konventionen infrage, setzt auf Vielfalt und einen inklusiven Stilansatz. Ein kleines Stück Stoff – mit tragender Wirkung.