
Wie können Unternehmen in Zeiten von KI und globalem Wettbewerb sicherstellen, dass sie und ihre Mitarbeitenden nicht den Anschluss verlieren? Strategisch gedachte Weiterbildung ist heute mehr denn je essentiell dafür, langfristig zukunftsfähig zu bleiben. Im Interview sprechen Martina Ernst und Regine Eitelbös von der WU Executive Academy darüber, welche Chancen sich daraus ergeben, wieso Unternehmen diese nicht ungenutzt lassen sollten – und wie im Idealfall alle Beteiligten nachhaltig von einer Weiterbildung profitieren.
Warum ist es gerade heutzutage so wichtig, dass Unternehmen in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren?
Martina Ernst: Weiterbildung ist heutzutage wichtiger denn je. Unsere Welt befindet sich in einer kompletten Transformation, unter anderem ausgelöst durch KI und die Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben. Unternehmen wollen und müssen diese Entwicklungen aufgreifen und überlegen, wie sie sich strategisch aufstellen. Das World Economic Forum hat im Jänner 2024 eine Schätzung abgegeben, die besagt, dass 75 Prozent der Firmen noch nicht auf die Geschwindigkeit vorbereitet sind, mit der die Transformation voranschreitet. Oft befinden sich die Firmen in einem operativen Krisenmodus, der wenig Zeit lässt für strategische Überlegungen. Es wäre aber absolut wichtig, sich gezielt zu überlegen: Was brauchen meine Mitarbeitenden, was braucht meine Organisation, damit das Unternehmen zukunftsfit aufgestellt ist? Weiterbildung muss strategisch gedacht werden.
Welche Überlegungen sollten für Unternehmen bei der Entscheidung für oder gegen eine Weiterbildung ausschlaggebend sein?
Man sollte sich darauf konzentrieren, wie das Marktumfeld derzeit aussieht, welche Trends und aufkommenden Technologien es gibt und wie die Mitbewerber aufgestellt sind. Wie sehr werden die eigenen Produkte oder Dienstleistungen morgen noch gefragt sein, und können sie auch in Zukunft effizient produziert bzw. angeboten werden? Verfügen die Mitarbeitenden bereits über die dafür erforderlichen Skills, oder sind Weiterbildungen sinnvoll?
Wie tragen Weiterbildungen zur langfristigen Bindung der Mitarbeitenden bei?
Unternehmen, die bereit sind, eine "lernende Organisation” zu werden, ermöglichen kontinuierliches Lernen und Weiterbildung und tragen dadurch nicht nur zu einer motivierenden, positiven Employee Experience – sprich Erfahrung am Arbeitsplatz – bei, sondern legen den Grundstein für Innovation. Innovative Unternehmen haben eine höhere Strahlkraft für Mitarbeitende. Mit einem Unternehmen mitwachsen zu dürfen und Gestaltungsmöglichkeiten zu haben, das sind ganz große Treiber für Motivation, Empowerment und Engagement. Und diese Bereitschaft zum Lernen und Wachsen aller zieht wiederum Menschen an, die Innovation ins Unternehmen tragen werden – also Win-Win für alle.
Wie muss sich die Lernkultur innerhalb von Unternehmen verändern, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein?
Das erste, was sich ändern muss, ist das Mindset. Besonders Führungskräfte müssen dazu bereit sein, sich gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden einer neuen Herausforderung zu stellen, Lernräume zu eröffnen und einen Praxistransfer zu schaffen. Dabei spielen auch Themen wie Upskilling und Reskilling eine wichtige Rolle. Es stellt sich zum Beispiel die Frage: Wie kann man es schaffen, dass auch ältere Mitarbeitende am Puls der Zeit und motiviert bleiben? Ganz wichtig ist auch das siloübergreifende Cross Skilling: Wie können Mitarbeitende aus anderen Bereichen und Abteilungen über interne Grenzen hinweg voneinander lernen? Denn die KI ist nicht nur ein kleiner Change, sondern verändert massiv, wie wir arbeiten werden. Und da reichen punktuelle Trainings nicht aus. Wir müssen neu lernen, wie wir lernen – das ist das größte Potenzial, das AI uns liefert.
Was sollten Mitarbeitende beachten, wenn sie sich eine Weiterbildung finanzieren lassen möchten? Gibt es bestimmte Strategien, um die Erfolgschancen zu erhöhen?
Regine Eitelbös: Man sollte das Thema wie jedes andere Projekt angehen – gute Vorbereitung ist die halbe Miete. Überlegen Sie sich vorab genau: Welche Inhalte oder Perspektiven bekomme ich extern, die mein Unternehmen intern nicht bieten kann? Besonders wertvoll ist der Austausch mit Peers aus anderen Unternehmen – so fließen neue Impulse und konkrete Skills zurück ins eigene Team. Wichtig ist, im Gespräch zu betonen, dass die Weiterbildung nicht nur der eigenen Entwicklung, sondern vor allem dem Unternehmen einen klaren Mehrwert bringt.
Wie sollte man reagieren, wenn das Gespräch mit der Führungskraft nicht nach Plan verläuft?
Das ist ein sehr wichtiger Punkt: Nicht immer deckt sich die eigene Vorstellung über eine geplante Weiterbildung mit jener der Führungskraft. Deshalb sollte man sich schon vorab überlegen: Welche Alternativen habe ich bzw. was kann ich sonst noch anbieten, das für beide Seiten passt? Ich empfehle hier, möglichst offen und flexibel zu sein. So zeigen Sie, dass Sie auch die Sicht des Unternehmens verstehen. Die gute Nachricht hier lautet: Es gibt nicht immer nur eine richtige Form der Weiterbildung. Vielleicht ergibt sich ja im Gespräch mit Ihrer Führungskraft, dass eine andere Variante für Sie selbst und das Unternehmen sogar die noch viel bessere Lösung ist.
Zu welchem Zeitpunkt sollte man das Thema Weiterbildung als Mitarbeiter:in idealerweise ansprechen?
Ich empfehle immer, das Thema dann zur Sprache zu bringen, wenn die Budgets neu bestimmt werden – oft ist das im Herbst der Fall. Auch die Mitarbeitendengespräche, die meist am Beginn oder Ende des Jahres stattfinden, sind eine gute Möglichkeit, das Thema zur Sprache zu bringen – denn auch für die Führungskraft und das Unternehmen gilt: Planung ist alles. Und das erhöht wiederum für Sie die Chance, dass Sie mit Ihrem Weiterbildungswunsch erfolgreich sind.
Was sind die nächsten Schritte, wenn eine Weiterbildung genehmigt wurde?
Martina Ernst: Vor dem Ausbildungsbeginn wird gemeinsam mit dem oder der Mitarbeitenden ein so genannter Ausbildungskostenrückersatz unterschrieben. Dabei wird festgelegt, in welchem Ausmaß die Kosten, die vom Unternehmen übernommen wurden, zurückgezahlt werden müssen, falls er oder sie das Unternehmen vorzeitig verlässt. Auch die Bindungsdauer und die Vorgehensweise bei einer etwaigen Beendigung des Dienstverhältnisses werden hier geregelt.
Weiterbildung bringt fachliche Expertise, steigert die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und fördert die Motivation und Bindung der Mitarbeitenden. Gibt es noch weitere Vorteile, an die man im Vorfeld eher weniger denkt?
Regine Eitelbös: Ein oft unterschätzter Vorteil ist das Netzwerk, das in einer Weiterbildung entsteht. Wer über einen längeren Zeitraum mit Peers aus anderen Unternehmen zusammenarbeitet, gewinnt nicht nur neue fachliche und persönliche Perspektiven, sondern auch Kontakte und Partnerschaften, die man zu Beginn gar nicht im Blick hatte. Viele unserer Community Members betonen: Mit den Inhalten haben sie gerechnet – nicht aber mit einem lebenslangen Netzwerk, von dem auch das Unternehmen langfristig profitiert.
Sie möchten mehr über das Thema Weiterbildung, die Übernahme von Ausbildungskosten sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen erfahren? Unter diesem Link finden Sie alles Wissenswerte auf einen Blick.
Zu den Personen
Martina Ernst ist People & Culture Profi, Unternehmerin (E&S FairEqualSolutions), akademische Leiterin an der WU Executive Academy und Global Executive MBA Alumna. Als ehemalige Personalchefin der Erste Bank und Aufsichtsratsvorsitzende sowie Geschäftsführerin bei Berlitz in Central South-East Europe betont sie als akademische Leiterin im People & Culture Management Lehrgang an der WU Executive Academy, wie wichtig strategisches Lernen und Weiterbildung für die Zukunftsfitness der Unternehmen sind.
Regine Eitelbös ist Community Engagement Managerin der WU Executive Academy. Seit über 15 Jahren begleitet sie die Absolvent:innen der WU Executive Academy im Rahmen des WU Executive Club. Dabei liegt ihr Fokus nicht nur auf den nächsten Karriereschritten, sondern ebenso auf Engagement und Vernetzung innerhalb der Community.