
Eine Bienenkönigin setzt ihren Stachel gegen Rivalinnen ein, um ihre Vormachtstellung in einem Bienenstaat zu verteidigen.
©Getty ImagesDas Queen-Bee-Syndrom kann den Zusammenhalt zwischen Frauen am Arbeitsplatz unterlaufen. Die Forschung hat neue Erkenntnisse zur mitunter komplizierten Dynamik zwischen Chefin und Mitarbeiterinnen.
Für Kosima Kovar sind Selbstbewusstsein und Solidarität unverzichtbare Mittel, um die Karriereleiter zu erklimmen: „Wenn die Tür, durch die du gehen möchtest, noch nicht offen steht, dann trete sie ein. Dreh dich um, streck deine Hand aus und nimm die nächste Frau gleich mit.“ Mit ihrer Herangehensweise ist die Ed-Tech-Gründerin nicht allein. Eine wachsende Anzahl an Frauennetzwerken steht für die Kraft des Miteinanders und ist stolz, dass das Thema Karriere vom Einzelkämpferinnenprojekt zum kollektiven Prozess wurde. Gelebte Frauensolidarität – zumindest offiziell. Denn gleichzeitig werden im Flüsterton Schreckensgeschichten erzählt: von der bösen Chefin, den zufallenden Türen, von Kämpfen um den Thron.
Die Bienenkönigin
In der Forschung gibt es für dieses Phänomen einen Namen: den Queen-Bee-Effekt. Die Bienenkönigin steht dabei für eine weibliche Führungskraft, die den ihr untergebenen Frauen Steine in den Weg wirft. Wer dem Thron zu nahe kommt, muss mit Denunzierung und Lästerei rechnen.
Erstmals in den 1970er-Jahren erforscht, gibt es rund um das „weibliche“ Verhalten am Arbeitsplatz mittlerweile zahlreiche Artikel und Studien, die den Queen-Bee-Effekt teils stark kritisieren oder widerlegen. Er würde Vorurteile reproduzieren und nur einen kleinen Ausschnitt des Bildes zeigen, heißt es. Eine Sichtweise, die viele Frauen der Chef:innenetage teilen. „Wer behauptet, Frauen in Führungspositionen würden systematisch andere Frauen blockieren, unterschätzt die Komplexität von Organisationen und Karrierewegen“, sagt Iris Brachmaier, Präsidentin des International Women’s Forum Austria.
Dass der Queen-Bee-Effekt dennoch nicht bloß ein Konstrukt ist, zeigte kürzlich eine im „Human Resource Management (HRM) Journal“ veröffentlichte Studie zur Karrierezufriedenheit von Frauen in über 30 Ländern. Das Ergebnis: Eine Frau an der Spitze mindert die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen. Co-Studienautor Olivier Furrer, Professor im Departement für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Freiburg (CH), betont im trend-Gespräch die Übereinstimmung zwischen Bienenkönigin-Syndrom und Studienergebnis: Es sei ein statistisch nachweisbarer Zusammenhang zwischen einer erhöhten Unzufriedenheit am Arbeitsplatz und Frauen als Vorgesetzten feststellbar.


ZUFRIEDENHEIT mit der eigenen Karriere hänge bei Frauen unter anderem davon ab, ob die Vorgesetzten weiblich sind, zeigt eine neue länderübergreifende Studie von Professor Olivier Furrer der Universität Freiburg.
Die Datensätze der Studie sind allerdings anonymisiert. „Man hütet sich, über negative Erfahrungen zu reden“, kritisiert Mediengründerin Manon Soukup, die ein fast rein weibliches Team führt, „denn unterm Strich bleibt hängen: Frauen können nicht zusammenarbeiten.“
Viele Chefinnen
Dass Frauen sehr wohl zusammenarbeiten können, lässt sich allerdings aus der gleichen Studie schließen: Während eine Chefin allein unzufriedener macht, führt eine hohe Anzahl an weiblichen Vorgesetzten zu mehr Karrierezufriedenheit bei untergebenen Frauen. Ein höherer Frauenanteil in der Chef:innenetage wirkt sich außerdem positiv auf Aufstiegschancen junger Frauen aus und verringert die Fluktuation.
„Der Queen-Bee-Effekt ist kein Problem von Frau zu Frau, sondern ein direktes Produkt eines Systems, das Frauen marginalisiert und sie gegeneinander ausspielt“, interpretiert Ed-Tech-Gründerin Kovar. Dieses System sei eines, das von Männern für Männer gebaut wurde. Frauen seien mit Hürden konfrontiert, die Männer nicht erleben.
Eine Begründung, die aber nicht zur Ausrede werden dürfe, so Soukup: „Ja, das Patriarchat ist ein Problem, aber das Hauptproblem ist, dass wir in dem Denken verankert sind, es sei nicht genug für alle da.“ Und Denkweisen, die über Generationen weitergegeben wurden, lassen sich nicht unmittelbar ablegen.
Angepasste Frauen
Solche tradierten Verhaltensmuster scheinen weltweit universell zu sein. So heißt es in der erwähnten Studie, dass Kultur und Region kaum Einfluss auf weibliche Arbeitsbeziehungen haben. Auch lokale Gesetze zur Geschlechtergleichstellung mindern den Queen-Bee-Effekt nicht. Stattdessen herrsche eine „globale Unternehmenssubkultur“ vor, die sich durch Hierarchien und Individualismus auszeichne, so Furrer: „Wenn Frauen in die Arbeitswelt eintreten, tendieren sie dazu, sich dieser Kultur anzupassen, anstatt ihre eigene zu leben.“
Das Problem dabei: Werte dieser globalen Unternehmenssubkultur – von Ambition bis Selbstbewusstsein – sind nach wie vor einem Geschlecht zugeordnet und werden bei Männern als kompetent wahrgenommen, bei Frauen hingegen als kühl und unsympathisch. Weigert sich eine Frau, den gesellschaftlichen Erwartungen rund um Empathie zu entsprechen, wird sie bestraft. Und wenn sie die untergebenen Frauen nicht aktiv fördert, wird ihr oftmals vorgeworfen, sie sei eine Bienenkönigin.
Womöglich kämpfen Frauen also weniger gegeneinander als gegen ihren Ruf als Bienenköniginnen. Wer tatsächlich negative Erfahrungen im Zusammenhang mit der eigenen Chefin erlebt, sollte selbstverständlich Hilfe in Anspruch nehmen. Das AMS empfiehlt, den Betriebsrat oder den Arbeitgeber zu informieren, wenn ein Verdacht auf Mobbing besteht.
Ein weiterer Tipp: den Schutz der Gruppe zu suchen. Denn im Miteinander liegt Kraft. Das sieht auch Martina Roither, Gründerin des Finanzberatungsunternehmens Nulldrei, so. Für sie ist die gemeinsame Definition von Werten der Schlüssel zu einer gesunden Unternehmenskultur.
Koopetition
Um dem komplexen Thema gerecht zu werden, etabliert sich in der entsprechenden Forschung seit Kurzem ein Begriff aus Studien zu strategischen Allianzen: Kooperation und Konkurrenz werden hier nicht als widersprüchlich erachtet. Denn am Arbeitsplatz brauche es oftmals beides: „Koopetition“ ist angesagt.
Der Begriff suggeriert, dass auch in einer Bienenkönigin Solidarität schlummert. Kovars Appell ist deshalb klar: „Frauen, die andere scheinbar ausbremsen, tun das oft nur, weil sie selbst gelernt haben, dass nur so Erfolg möglich ist. Macht diesen Frauen sichtbar, dass es anders geht. Sprecht es an, lebt es vor, aber verurteilt sie nicht!“
Drei Frauen, eine Überzeugung
Wie Gründerinnen sich für ein wertschätzendes Miteinander einsetzen können, leben Kosima Kovar, Manon Soukup und Martina Roither vor.