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American Dream auf Innviertlerisch

Aktualisiert
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Mit zwölf Jahren begann die heute 33-jährige Sarah Buchner, im Tischlereibetrieb ihres Vaters mitzuarbeiten. Mit Anfang 20 leitete sie Großbaustellen und stieg bei der Strabag ein. Heute verkauft sie ihre KI-Lösungen an viele der größten Baukonzerne der USA. 

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Für die Gründung ihres KI-Start-ups Trunk Tools gab SARAH BUCHNER ihre Karriere bei der Strabag auf. Die Innviertlerin mischt nun von New York aus die US-amerikanische Baubranche auf.

Liest man ihren Lebenslauf, kommt man nicht umhin, sich zu fragen, ob für Sarah Buchner ein Tag mehr als 24 Stunden hat. Mit 33 Jahren hat sie so viel erreicht wie viele Personen in einer ganzen Karriere nicht. Viel Freizeit scheint es bei ihr nicht zu geben. 

Buchner ist nicht nur Gründerin und CEO des KI-Start-ups Trunk Tools, das wie ChatGPT für Bauarbeiter:innen funktioniert. Von ihrem Firmensitz in New York aus konnte sie vor wenigen Wochen auch die neueste Finanzierungsrunde  über 40 Millionen US-Dollar feiern. Die Oberösterreicherin hält außerdem zwei Masterabschlüsse und einen Doktoratstitel von österreichischen Universitäten, ist Autorin eines Buchs und Absolventin der Eliteuniversität Stanford. Vor ihrem Umzug in die USA verfolgte die gebürtige Innviertlerin zudem eine Paradekarriere im Baukonzern Strabag und war auf bestem Weg, in wenigen Jahren einen Vorstandssitz in der Strabag zu erhalten. Ihr damaliger Mentor, der nunmehrige Swietelsky-CEO und ehemalige Strabag-Vorstand Peter Krammer, ist von ihr begeistert: „Sarah Buchner ist hochintelligent, lernt unglaublich schnell und verfügt über eine ausgeprägte soziale Intelligenz. Sie ist zielstrebig und konsequent – und genau das macht sie so erfolgreich. Ihr sind keine Grenzen gesetzt.“

Dass hinter Buchners Erfolg weniger Glück als harte Arbeit steckt, die viel abverlangt, gibt sie offen zu: „Ich musste für all das ganz klar Abstriche machen.“ Für sie gibt es aber keinen Plan B, denn „Entrepreneurship ist eine Obsession. Ich muss es machen.“ 

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Mentor. Peter Krammer, CEO von Swietelsky, lernte Sarah Buchner während seiner Vorstandszeit bei der Strabag kennen. Er ermutigte sie, ihren Doktortitel zu machen, und steht -weiterhin in regem Austausch mit ihr. 

Hoch hinaus.

Der Fleiß scheint sich auszuzahlen. Wie man an der jüngsten Finanzierungsrunde sieht, erkennen auch Investoren das Potenzial von Trunk Tools: „Wir haben Angebote bekommen, ohne dass wir aktiv auf den Markt gegangen sind. Die neue Finanzierungsrunde kam jetzt ein Jahr früher als geplant zustande.“ Der Umsatz des Start-ups hat sich im ersten Halbjahr des Jahres verfünffacht.

Wie viele Bauunternehmen die KI-Lösung verwenden, verrät Buchner nicht. Sie sei auf Tausenden Baustellen in Verwendung, ist das einzige, was sie preisgibt. Der Chat-Agent von Trunk Tools strukturiert Hunderte Seiten Baupläne, Terminabläufe und Verträge und ermöglicht es, diese Dokumente direkt abzufragen. Mithilfe eines leistungsstarken Sprachmodells automatisiert er zudem Prozesse, etwa den Abgleich von Einreichungen mit den Projektspezifikationen. Zudem kann der Agent frühzeitig vor kostenintensiven -Verzögerungen warnen. 

Mit dem neuen Cashflow will Buchner in die Entwicklung und die Vergrößerung ihres Teams investieren. Zur Zeit beschäftigt Trunk Tools 80 Mitarbeiter:innen an drei Standorten in den USA. Bis Jahresende soll auch ein komplett autonomer, proaktiver KI-Agent auf den Markt kommen, erzählt Buchner: „Dieser erkennt Probleme auf der Baustelle, ohne einen Menschen zu involvieren.“ Die Idee scheint einzuschlagen, weil KI im Bauwesen noch nicht so geläufig ist wie in anderen Branchen.

Digitalisierung.

Laut dem McKinsey Global Institute führt fehlender KI-Einsatz zu jährlichen Produktivitätsverlusten von nahezu einer Billion US-Dollar. Besonders kritisch ist die Situation in den USA, wo die Produktivitätsraten im Bauwesen sogar rückläufig sind. Buchner adressiert mit ihrem Start-up dieses Problem. Sie rechnet vor, dass rund ein Drittel der 14-Billionen-Industrie von bürokratischer Arbeit dominiert ist. Etwa 80 Prozent davon lassen sich durch KI optimieren und digitalisieren. 

Die Unternehmerin sieht vor allem die überbordende Bürokratie als Problem für die abnehmende Produktivität auf Baustellen: „Leute, die handwerklich begabt sind, wollen nicht ewig am Computer sitzen und irgendwelche Sachen ausfüllen. Wir reduzieren diese bürokratische Arbeit“, erklärt Buchner. Damit soll auch dem Fachkräftemangel entgegengear-beitet werden. Denn Buchner setzt sich mit Trunk Tools zum Ziel, das Handwerk attraktiver zu machen. 

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40 Millionen Dollar. Ende Juni verkündete Buchner die neueste Finanzierungsrunde ihres Start-ups. Die 40 Millionen-Dollar-Finanzierung gelang ein Jahr früher als geplant.

Unfairer Vorteil.

Unattraktiv ist das Bauwesen besonders auch bei Start-up-Gründer:innen. Vergleichsweise wenige Jungfirmen werden in dieser Branche gegründet. Dies hat Buchner, die bereits mit zwölf Jahren anfing im Tischlerei-betrieb ihres Vaters mitzuarbeiten, als ihren großen Vorteil erkannt: „Mein Rat an junge Gründer:innen ist: Du musst etwas können, was andere nicht können oder tun wollen, und damit kannst du dich etablieren. Ich habe 20 Jahre im Bau gearbeitet, das war mein riesiger ‚Unfair Advantage‘.“ 

Sie begann mit 24 Jahren während ihres Architekturstudiums, bei der Strabag-Tochter Züblin zu arbeiten. Schnell stieg sie auf und leitete eine Gruppe im Konzern, die auf die Digitalisierung der Baubranche spezialisiert ist. Buchner konnte sich in einer männerdominierten Branchen als junge Frau schnell einen Namen machen. Ihr Mentor Krammer riet ihr damals zum Doktorratsstudium im Bereich Digitalisierung des Bauwesens, auch, weil man „als Frau in der Baubranche etwas braucht, mit dem man heraussticht“, erzählt Buchner. Dass sie dann für den MBA in Stanford den Konzern verließ und ihr eigenes Unternehmen in den USA gründete, war im Plan des Mentors nicht vorgesehen. Dabei unterstützt hat Krammer seinen Schützling aber von Anfang an. 

Unangepasst.

Buchners Karriere ist von ihrer Zielstrebigkeit geprägt. Hätte sie 2021 auf viele vermeintlich gut gemeinte Ratschläge gehört, wäre es niemals zur Start-up-Gründung gekommen. Viele Menschen rieten ihr vor diesem Schritt ab: „Diese Risikoaversion hat mich aus Europa vertrieben“, so Buchner. Sie war davon überzeugt, dass ihr eine erfolgreiche Gründung in den USA gelingen würde. Und das sogar ganz alleine. Auch das ist ungewöhnlich für eine Frau: „Ich kenne kaum Frauen, die alleine gründen. Und das ist sehr schade, weil der finanzielle Ausstieg am Schluss, wenn du es alleine machst, viel besser ist.“ Es verlange aber einiges an mentaler Stärke, reflektiert Buchner. 

Nervenstärke beweist sie auch, wenn sie sich dafür rechtfertigen muss, warum sie in den USA und nicht in Österreich gegründet hat. Die Bürokratie, die fehlende Unterstützung, die Mentalität und besonders die schwierigen Finanzierungsmöglichkeiten sprechen für die Innviertlerin klar gegen Europa. „Am Anfang werden die Unternehmen in den USA dermaßen gefördert. Du hast circa ein Jahr, wo du dich nicht um Geld sorgen musst“, erzählt sie. Wäre sie in Europa geblieben, würde sie heute nicht diese Erfolge feiern, ist sie überzeugt. Kein Wunder, dass für Buchner eine Rückkehr nach Österreich nicht in Frage kommt. Auch eine Europa-Expansion des Start-ups ist nicht geplant. 

„Das Unternehmen, das sie jetzt aufgebaut hat, ist aber sicher nicht das Ende“, ist Mentor Krammer überzeugt. Zurück in einen Baukonzern wie die Strabag wird es Buchner so schnell jedoch nicht mehr ziehen – mit einer Ausnahme: „Das klingt zwar vielleicht arrogant oder amerikanisch. Aber wenn ich wieder in einen Konzern zurückgehen würde, dann nur als CEO.“ 

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