
Wenn es an den Finanzmärkten einmal nicht so gut läuft, bieten Zertifikate die Möglichkeit, hohe Renditen zu erzielen. Sie eignen sich vor allem für Phasen, in denen sich die Notierungen seitwärts bewegen.
Die Welt ist schön. Nein, nicht die Welt da draußen, sondern die glamouröse Welt der
Aktien und Edelmetalle. Gold pendelt rund um historische Höchststände, Silber ebenso, US-Aktien befinden sich im Höhenflug, und auch im verschlafenen Europa tummeln sich die Aktienkurse in bislang ungeahnten Höhen. Schön für alle, die da rechtzeitig eingestiegen sind. Weniger schön für jene, die die Hausse verschlafen haben. Lohnt es, jetzt noch einzusteigen? Oder haben die Optimisten die Kurse nicht schon längst in irrationale Höhen getrieben, und demnächst droht der Absturz?
Investoren, denen die Märkte schon zu heiß sind, müssen nicht unbedingt auf die nächste Korrektur warten. Es gibt Anlageprodukte, mit denen auch Vorsichtige von möglichen weiteren Kurssteigerungen profitieren können, die aber einen Risikopolster beinhalten – nämlich Zertifikate. Bei den meisten dieser Papiere handelt es sich um Anleihen, deren Verzinsung bzw. Rückzahlung an bestimmte Ereignisse, etwa den Verlauf einer Aktie oder eines Index, geknüpft ist.
„Das Marktumfeld für Zertifikate ist derzeit sehr gut. Die herrschende gespannte Unsicherheit an den Märkten, verbunden mit hohen Bewertungen, ermöglicht Anlegern, mit Zertifikaten im Kapitalmarkt zu investieren. Dank tiefer Barrieren und sogar Kapitalschutz können sich Anleger gegen Kurseinbrüche wappnen“, lobt Frank Weingarts, aktueller Vorsitzender des Zertifikate-Forums Austria (ZFA) und Head of Austria Global Investment & Protection Products onemarkets by UniCredit, die Vorteile dieses Anlageproduktes, das bei Investoren mittlerweile angekommen ist.
Dank tiefer Barrieren und sogar Kapitalschutz können sich Anleger gegen Kurseinbrüche wappnen.

Verkaufsrekord.
Nüchterne Zahlen geben ihm Recht. Laut Statistik des Zertifikate-Forums belief sich der Wert aller im Umlauf befindlichen Zertifikate im Dezember 2022 noch auf 13,7 Milliarden Euro, im Juni 2025 waren es bereits 16,3 Milliarden. Diese Zahlen beziehen sich ausschließlich auf Papiere, die von österreichischen Privatanlegern gehalten werden. Im Dezember 2024 überschritt der Monatsumsatz mit Zertifikaten der ZFA-Mitglieder erstmals die Milliarden-Euro-Marke. Was angesichts der schon recht sportlichen Bewertungen, etwa der US-Aktien, besonders verlockend wirkt: „Ich glaube, wir haben aktuell ein sehr gutes Umfeld für Zertifikate. Die zurückkommenden Zinsen lassen Anleger wieder vermehrt nach Alternativen suchen“, sieht auch Heiko Geiger, bei Vontobel für Zertifikate zuständig, gute Chancen.
Wir haben aktuell ein sehr gutes Umfeld für Zertifikate. Die zurückkommenden Zinsen lassen Anleger nach Alternativen suchen.

Treiber des Wachstums sind in erster Linie 100-Prozent-Kapitalschutz-Zertifikate, bei denen das investierte Volumen (Open Interest) von 2,8 Milliarden Euro zum Jahresende 2022 auf 4,5 Milliarden zum Halbjahr 2025 kletterte, dies entspricht einem Zuwachs von 1,7 Milliarden oder knapp mehr als 60 Prozent in zehn Quartalen. Bei diesem Zertifikate-Typ garantiert die emittierende Bank die volle Rückzahlung des eingesetzten Kapitals, allerdings abzüglich der Spesen. Die Verzinsung wiederum hängt von der Kursentwicklung eines Basiswertes, etwa einer Aktie, ab. Freilich bildet so ein Zertifikat die Kursentwicklung nicht vollständig ab. Meist gibt es einen „Cap“, also einen Deckel, über den die Zinsen laut vorher veröffentlichten Anlagebedingungen nicht hinausgehen können.
Worauf Anleger auch achten sollten: Bei manchen Zertifikaten fällt die Zinszahlung nicht nur dann aus, wenn die Aktie am Laufzeitende unter die Barriere gerutscht ist, beobachtet wird vielmehr die gesamte Laufzeit. Durchbricht der Kurs des Basiswert irgendwann die Barriere, dann verwirkt der Inhaber des Papiers das Recht auf Zinszahlung.
Einem zusätzlichen Risiko setzen sich Anleger aus, die auf Zertifikate mit mehr als einem Basiswert – häufig drei Aktien – setzen. Auch wenn sich alle drei Werte über der Barriere halten, gibt es keine höheren Zinsen. Durchbricht aber nur ein einziger die Barriere, droht je nach Ausgestaltung des Papiers ein Minus oder zumindest der Entfall der Zinszahlung – also dreifaches Risiko bei gleicher Chance. Was allen Zertifikaten gemeinsam ist: Das Emittentenrisiko gilt hier wie bei „normalen“ Anleihen. Macht die emittierende Bank Pleite, dann verwandelt sich das Zertifikat daher meist in eine nachrangige Forderung.
Angebotsvielfalt.
Neben den Kapitalschutz-Zertifikaten beliebt sind derzeit die Bonus-Zertifikate, die üblicherweise eine höhere Verzinsung bietet, allerdings um den Preis eines entsprechend höheren Risikos. In diesem Fall ist nämlich nicht die volle Rückzahlung des eingesetzten Kapitals garantiert, die Kapitalgarantie bezieht sich vielmehr auf eine vorher definierte Barriere, etwa 60 oder 80 Prozent des Nominale. Fällt die Notierung des Basiswertes, durchbricht die Barriere aber nicht, wird immerhin noch das Nominale rückerstattet. Rutscht der Basiswert aber tiefer, dann bestimmt dessen Notierung die Rückzahlung. Nach oben bestimmt die Entwicklung des Basiswertes die Verzinsung, allerdings gibt es auch hier oft eine Obergrenze.
2022 belief sich das Marktvolumen in diesem Sektor auf 878 Millionen Euro, bis zum Juni 2025 kletterte es auf 1,6 Milliarden – ein Plus um beachtliche 85 Prozent. In den Zertifikatemarkt können Anleger entweder gleich bei der Emission oder aber auch später auf dem Sekundärmarkt einsteigen. Bei zahlreichen Zertifikaten wird nämlich eine Börsennotierung beantragt, was einen Erwerb zu Tageskursen ermöglicht. Das Angebot ist vielfältig und deckt zahlreiche Märkte ab.
Produktpalette.
Ein besonders interessanter Markt sind Seltene Erden. Die teils bereits wahr gemachte Ankündigung Chinas, den Export der strategisch wichtigen Mineralien einzuschränken, löste in einigen zentralen Wirtschaftsbereichen helle Panik aus. Der Solactive Rare Earth & Minerals Index bildet die Kursentwicklung von Unternehmen ab, die in der Exploration, Förderung, Verarbeitung und Veredelung von Seltenen Erden und kritischen Mineralien tätig sind. Das Vontobel Open-End Partizipationszertifikat auf den Solactive Rare Earth & Minerals Index (ISIN: DE000VK9VM18) ermöglicht Anlegern eine diversifizierte Beteiligung im Bereich „Seltene Erden und kritische Mineralien“.
In einen „normaleren“ Markt investiert der Erste-Responsible-Stock-Global-Fonds, nämlich in internationale Aktien. Die Wertentwicklung dieses Fonds bildet der BNP Erste Responsible Sock Global Fonds-Garant (ISIN: DE000PU993M9) ab. Die Laufzeit endet am 6. November 2030, die zu 100 Prozent garantierte Rückzahlung ist mit 125 Prozent begrenzt – mehr erhalten Anleger auch dann nicht, wenn der Fonds eine bessere Performance aufweist. Ein Verlustrisiko ist allerdings ausgeschlossen.
Eine interessante Spekulation auf Infineon ermöglicht die RBI mit dem Express-Zertifikat Infineon Express 6 (ISIN: AT0000A3PPD4). Liegt die Infineon-Aktie an einem der jährlichen Bewertungstage auf oder über dem jeweiligen Auszahlungslevel, so erfolgt die (vorzeitige) Rückzahlung inklusive einer Verzinsung von 8,5 Prozent pro Laufzeitjahr. Notiert die Aktie am Laufzeitende nach maximal fünf Jahren auf oder unter der Barriere von 60 Prozent, kommt es zur Lieferung der Aktie. Deren Wert liegt dann freilich deutlich unter dem Nominalbetrag des Zertifikats.
Mit beachtlichen 9,9 Prozent Zinsen winkt die von UniCredit begebene Aktienanleihe auf Aktie der TUI AG (ISIN: DE000HV4Z5Y1). Das Produkt weist eine kurze Laufzeit bis 25. November 2026 auf. Die Verzinsung von 9,9 Prozent wird am Laufzeitende in jedem Fall ausgeschüttet. Eine volle Tilgung des eingesetzten Kapitals erfolgt allerdings nur dann, wenn der Basiswert der Aktie, der mit 80 Prozent des Kurses vom anfänglichen Beobachtungstag, dem 21. November 2025, festgelegt wird, nicht unterschritten wird. Tritt dieser Fall ein, dann erfolgt anstatt einer Bar-Rückzahlung die Lieferung von Aktien der TUI AG in festgelegter Anzahl, also dem Bezugsverhältnis.
Als Seitwärtsstrategie eignen sich solche Zertifikate daher sehr gut. Wer hingegen an einen bevorstehenden Crash glaubt, muss, außer bei Kapitalschutz-Produkten, mit Verlusten rechnen. Auch für ausgeprägte Optimisten eignet sich diese Anlageform nicht, da die Verzinsung meist eine Obergrenze aufweist.