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Es geht wieder aufwärts

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Nach Jahren sinkender Prämieneinnahmen zeichnet sich bei Lebensversicherungen eine Trendwende ab. Doch das Zinsumfeld und die Steuern bremsen das Geschäft immer noch.

Konservativ, ein wenig bieder, aber zumindest sicher – Lebensversicherungen galten jahrzehntelang als der Inbegriff eines Investments für jedermann. Doch dann wurde die Kritik der Konsumentenschützer immer lauter: zu hohe Kosten, intransparente Spesengestaltung, miese Performance: Aus der einstigen Cashcow für Versicherungsunternehmen wurde das Sorgenkind. Der Knick zeichnete sich bereits 2010 ab, spätestens seit 2015 ging das Prämienvolumen der meisten Lebensversicherer deutlich zurück. 

Doch am Horizont taucht ein Hoffnungsschimmer auf: Laut Statistik des Verbandes der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVÖ) pendelt sich das Prämienvolumen derzeit auf niedrigerem Niveau ein. 2023 beklagte die Branche noch einen Rückgang um 4,5 Prozent auf 5,14 Milliarden Euro, 2024 gab es endlich wieder ein Plus um – allerdings noch etwas magere – 1,3 Prozent auf 5,2 Milliarden Euro. Läuft das Geschäft mit Lebensversicherungen jetzt wieder etwas runder – und wenn ja, warum? 

„Die Stabilisierung des Marktes ist vor allem auf die Zinswende zurückzuführen. Nach Jahren des Niedrigzinses gewinnen klassische Lebensversicherungen wieder an Bedeutung. Gleichzeitig wächst in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit das Bedürfnis nach Planbarkeit und Sicherheit – Lebensversicherungen erfüllen genau diesen Wunsch“, glaubt Martin Sturzlbaum, Chief Insurance Officer Leben/Kranken der Generali Versicherung, den Grund für die erhoffte Trendwende zu kennen. „Hinzu kommt die verstärkte Nachfrage nach flexiblen und nachhaltigen Produkten, die Sicherheit mit Renditechancen verbinden. Einmalbeitrags- und Hybridlösungen sind besonders gefragt. Diese Faktoren haben den Markt nach einer längeren Schwächephase auf einem stabilen Niveau gefestigt.“

Vorsorge.

René Knapp, Vorstand für Personenversicherung bei Uniqa Insurance Group AG, ortet auch volkswirtschaftliche Gründe: „Die angespannte Lage des Staatshaushaltes ist nicht nur medial ein derzeit bestimmendes Thema. Und die demografische Entwicklung verschärft die Herausforderungen beim Pensionssystem: Beispielsweise wird die Zahl der Menschen in Österreich, die über 65 Jahre alt sind, von 1,8 auf 2,9 Millionen 2070 steigen. Die Österreicher:innen handeln in diesem Sinne sehr verantwortungsbewusst und treffen Maßnahmen für die finanzielle Sicherheit im Alter – und wesentlich dabei ist die Lebensversicherung.“

Sonja Raus, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen Versicherung, kritisiert freilich den Gegenwind aus dem gesetzlichen Umfeld: „Sehr viele Lebensversicherungen mit laufender Prämie, die bis 1996 abgeschlossen wurden und aus damaliger Sicht noch steuerlich nutzbar waren, sind abgelaufen. 2021 ist bekanntlich die steuerliche Absetzbarkeit von Lebensversicherungsprämien zur Gänze gestrichen worden.“ Und diese bildete für zahlreiche Vorsorgewillige ein wichtiges Motiv für die Vertragsunterzeichnung. 

Trotz des leichten Prämienwachstums – eine wichtige Zielgruppe fühlt sich offenbar nicht angesprochen. Laut einer Studie des Research Institute des Beratungsunternehmens Capgemini zeigen sich Millennials und die Gen Z eher skeptisch, was Lebensversicherungen betrifft. Demnach lehnen 32 Prozent der befragten Konsument:innen unter 40 Jahren traditionelle Lebensversicherungen ab, weil sie ihrer Meinung nach nicht zu ihrer Lebensphase passen. Für 28 Prozent stellen die Prämien eine zu hohe finanzielle Belastung dar, und 25 Prozent erkennen keinen unmittelbaren Vorteil durch den Abschluss einer Lebensversicherung.  

Die im „World Life Insurance Report 2026“ veröffentlichte Studie gibt aber auch einen gewissen Anlass zur Hoffnung für Assekuranzen. Denn beachtliche 68 Prozent der unter 40-Jährigen geben an, dass sie Lebensversicherungen doch irgendwie als entscheidend für eine sichere finanzielle Zukunft betrachten. Der Grund für die Zurückhaltung: Die Studie stellt fest, dass junge Konsument:innen einen kurzfristigen Mehrwert durch leicht zugängliche Leistungen erwarten, die in einer traditionellen Lebensversicherungspolizze oft nicht enthalten sind. Und jeder Vierte findet Lebensversicherungen zu kompliziert und die Fachsprache unverständlich. 

Kritik.

Auf die Kritik an angeblich hoher Spesenbelastung geht Sonja Raus ein: „Konsumentenschützer vergleichen Lebensversicherungen oft mit kurzfristigen Sparprodukten. Lebensversicherungen sind aber langfristige Produkte. Mit zunehmender Laufzeit reduzieren sich die Kosten in Relation zum veranlagten Vermögen.“ Schließlich wirkt sich auch die vierprozentige Versicherungssteuer nachteilig auf die Rendite aus. Dieser Steuersatz wurde 1994 von drei auf vier Prozent erhöht. Damals konnten die Assekuranzen in ihrem Deckungsstock angesichts eines Eckzinssatzes von 4,5 Prozent noch bis zu sieben Prozent erwirtschaften. „Die Versicherungsbranche fordert seit längerer Zeit eine Senkung der Versicherungssteuer“, so Raus. 

Wobei gerade die Verzinsung zu den heiklen Themen zählt, wenn es um Lebensversicherungen geht. Grundsätzlich existieren hier nämlich zwei höchst unterschiedliche Versionen ein und desselben Produktes: die „klassische“ Variante und die fondsgebundene Lebensversicherung. Daneben gibt es auch noch hybride Angebote. Streng reguliert ist das Universum, aus dem die klassische Lebensversicherung ihren Deckungsstock zusammenstellen darf: Überwiegend besteht dieser aus Anleihen. Ein typischer Anlagemix kann etwa so aussehen: Anleihen höchster Bonität: 77,3 Prozent, Immobilien: 9,2 Prozent, Aktien: 6,5 Prozent, Darlehen: 4,9 Prozent, Beteiligungen: 0,1 Prozent, Rest Cash (diese Allokation entspricht der tatsächlichen Veranlagung einer großen Assekuranz). Dass damit angesichts der aktuellen Zinssituation keine großen Sprünge zu machen sind, ist verständlich. 

Die demografische Entwicklung verschärft die Herausforderungen beim Pensionssystem. Die Österreicher:innen handeln verantwortungsvoll.

René KnappUniqa Versicherung
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Hinzu kommt, dass die Unternehmen in der Werbung äußerste Vorsicht walten lassen müssen: Verwendet werden darf nur der sogenannte Rechnungszins. Diesen legt die Finanzmarktaufsicht auf Basis des Versicherungsaufsichtsgesetzes fest. Er markiert die Mindestrendite, die Versicherungen garantieren müssen – und diese liegt derzeit bei null Prozent. In der Vergangenheit war dieser Rechnungszinssatz deutlich höher (siehe Tabelle rechts), doch die aktuell mageren Anleihezinsen lassen einen höheren Zinssatz unter der Bedingung höchstmöglicher Sicherheit nicht zu. Dies ist freilich nur die Untergrenze – die tatsächlich erzielte Rendite am Laufzeitende sollte darüberliegen. Allzu viel dürfen sich die Versicherungskunden allerdings nicht erwarten. 2,5 Prozent für klassische Lebensversicherungen gelten bereits als sehr ambitioniertes Ergebnis. Und wer aus seinem Vertrag vorzeitig aussteigen möchte, muss sogar mit einem Verlust rechnen. 

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Der Rechnungszins sinkt seit Jahren.
Quelle: FMA

Womit sich aber die Frage aufdrängt, ob so ein Produkt überhaupt noch zeitgemäß ist? „Ja, die Lebensversicherung ist nach wie vor zeitgemäß. Sie bietet nicht nur eine stabile Altersvorsorge, sondern auch finanzielle Sicherheit für die Familie im Todesfall“, so die optimistische Einschätzung von René Brandstötter, CSO der Allianz Versicherung. „Moderne kapitalmarktnahe Produkte bieten zudem hohe Renditechancen und Flexibilität, was sie zu einer attraktiven Option für die Vorsorge macht.“ Womit die zweite Variante, die fondsgebundene Lebensversicherung, angesprochen wäre. In diesem Fall investieren die Assekuranzen den Ansparteil nicht in ein „Hochsicherheitsportfolio“, sondern in einen oder mehrere Fonds.

Sich nur auf die staatliche Pension zu verlassen, wird nicht mehr reichen. Das erhöhte Risikobewusstsein hat sich positiv ausgewirkt.

Sonja RausWiener Städtische Versicherung
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Kombiangebot.

Damit hängen die Renditen zwar von der Entwicklung der jeweiligen Anlageklasse ab, sind also entsprechenden Schwankungen ausgesetzt, der Anlagehorizont von 15 Jahren – so lang beträgt die gesetzlich vorgeschriebene Mindestlaufzeit – sollte bei monatlichen Prämienzahlungen aber dazu beitragen, dass Volatilitäten ausgeglichen werden. Einige Assekuranzen bieten auch hybride Modelle an, etwa Ergo. Hier wird das Kapital in zwei Töpfe aufgeteilt: einen klassischen mit Garantieverzinsung und eine fondsgebundene Komponente. Eine sicherheitsorientierte Kapitalanlage mit gleichzeitigem Renditepotenzial ist attraktiv für Kunden, die zwar Chancen nutzen, aber Verluste vermeiden wollen.

Mit Optimismus blickt jedenfalls Sonja Raus in die Zukunft: „Sich nur auf die staatliche Pension zu verlassen, wird künftig nicht mehr reichen. Das erhöhte Risikobewusstsein, der Wunsch nach Sicherheit und das Bedürfnis, die Familie abzusichern, haben sich somit positiv auf die Lebensversicherung ausgewirkt.“ Die von Statista veröffentlichte durchschnittliche prognostizierte jährliche Wachstumsrate für den Zeitraum 2025 bis 2030 gibt ihr jedenfalls recht: Diese beträgt zwar nur magere 0,55 Prozent, doch der Abwärtstrend dürfte damit einen Boden erreicht haben. 

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