Plattenbau-Pleitier: Linzer legte zweitgrößte Immo-Insolvenz Deutschlands hin
Wie ein 35-jähriger Linzer mit SPÖ-Background die zweitgrößte Immo-Pleite Deutschlands hinlegte und die Credit Suisse 1,1 Milliarden Euro kostete.
Der Mittwoch dieser Woche wird wohl in die Historie der Credit Suisse (CS) eingehen. Das zweitgrößte Schweizer Geldinstitut meldete den größten Jahresverlust seiner 153-jährigen Unternehmensgeschichte: 5,44 Milliarden Euro. Unser Ergebnis ist enttäuschend, kommentierte Firmenchef Brady Dougan zerknirscht.
Milliarden-Scherflein
Nicht extra erwähnte Dougan, dass auch ein Österreicher zu dem Milliarden-Minus sein Scherflein beitrug: der aus Linz stammende Cevdet Caner. Über mehrere Dutzend Firmen des 35-jährigen Entrepreneurs, allen voran die Level One Holding, wurde vor wenigen Wochen Insolvenz eröffnet die zweitgrößte Immobilienpleite Deutschlands. Und die Credit Suisse ist mit rund 1,15 Milliarden Euro einer der Hauptgläubiger von Caners Firmen. In wenigen Jahren zog der türkischstämmige Oberösterreicher in Ostdeutschland ein Immobilienreich im Wert von rund 1,5 Milliarden Euro hoch. Die von ihm gegründeten Gesellschaften Hauptsitz der Holding ist die britische Kanalinsel Jersey besitzen rund 30.000 Plattenbauwohnungen in Berlin, Dresden und anderen Oststädten. Doch das anfangs hohe Renditen versprechende Geschäft ging schief. Nur, wer ist schuld an der Insolvenz?
Insolventer Restaurant-Zustellservice
Für Caner, der mit seinen Immobiliendeals ein millionenschweres Privatvermögen angehäuft haben dürfte, ist klar: Die Credit Suisse und einige Hedgefonds haben mich in die Pleite getrieben, sagt er im
FORMAT-Interview
. Die Credit Suisse will den Fall nicht kommentieren und ist unsicher, ob rechtliche Wege beschritten werden sollen. Denn die damals zuständige Abteilung gibt es mittlerweile nicht mehr. Noch ist nicht geklärt, warum die Großbank dem jungen Geschäftsmann überhaupt so viel Geld anvertraut hat. Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass ein von Caner aufgebautes Geschäft schiefging. So schnell wie der zurückhaltend wirkende Jungunternehmer Plattenbausiedlungen aufkaufte, war auch sein früher beruflicher Aufstieg: Im Alter von 23 Jahren gründete der BWL-Studienabbrecher und Vorsitzende der Sozialistischen Jugend in Linz einen Restaurant-Zustellservice. Er kämpfte bei den Sozialisten für die Rechte von Bäckerlehrlingen und machte im Geschäft großspurige Ansagen. Sein Call Center CLC werde Marktführer in Zentraleuropa, kündigte er damals an und brachte das Unternehmen 2001 an die Börse. Doch mit dem Platzen der New-Economy-Blase endete auch der Höhenflug. Der Aktienkurs sank, Caner musste 2002 auf Druck der anderen Kernaktionäre aussteigen. Sein Nachfolger Mike Lielacher schaffte es nicht, das Unternehmen wieder auf sichere Beine zu stellen, eine Pleite war die Folge.
30.000 Wohnungen für Level One
In deutschen Immobilien sah der begabte Netzwerker seine neue Chance: Als vor vier Jahren die deutschen Kommunen aus Geldnot ihre Wohnungsbestände in großem Stil privatisierten, schlug der Linzer zu. In nur drei Jahren häufte die Level-One-Gruppe sie besteht aus mehr als 150 Einzelgesellschaften in Jersey, London, Deutschland und Linz 30.000 Wohnungen an. Die Banken unterstützten ihn. Die Zinsen waren niedrig, die Banken suchten nach alternativen Investments. Sie rissen sich um solche Geschäfte, beschreibt Caner sein Boom-Business. Caner verwies in den Verhandlungen mit Kapitalgebern stets auf hohe Mieteinnahmen und Renditen von bis zu acht Prozent. Tatsächlich lukrierte der Unternehmer jährlich rund 85 Millionen Euro Mietumsätze. Auch der 35-jährige, der privat in Monaco residiert und Villen in London und Berlin besitzt, dürfte gut verdient haben. Laut Eigenangabe machte die Level-One-Gruppe 2006 rund 130 Millionen Euro Gewinn, 2007 waren es immerhin noch 80 Millionen Euro. Für Freunde aus Studien- und SPÖ-Zeiten in Linz gab es ausreichend Platz im Unternehmensreich Caner: Markus Eidenberger, der eine Zeit lang Organisationssekretär der SPÖ Oberösterreich war, wurde Geschäftsführer der Level One Operations Management in Linz. Der Bruder von SP-Landesrat Josef Ackerl, Herbert Ackerl, pendelte für Caner zwischen London und Linz.
Großzügige Bankkredite
Seine Immo-Transaktionen finanzierte er zu 90 Prozent mit fremdem Geld. Die Banken, neben der Credit Suisse auch die Royal Bank of Scotland und JPMorgan, gewährten ihm dabei großzügig Kredite: Die Level One hat heute rund 1,3 Milliarden Euro Bankschulden. Im März 2007 wollte Caner seine Immo-Firma an die Börse bringen, um frisches Geld zu bekommen. Außer hohen Kosten blieb davon aber nichts über. Credit Suisse sowie mehrere Hedgefonds gewährten zur Überbrückung kurzfristige Kredite. Doch mit der aufziehenden Finanzkrise wurden sie zunehmend nervöser. Schließlich beauftragten die Financiers im Sommer 2008 die Consultingfirma Rölfs Partner damit, das Management zu stützen. Die Berater bemerkten, dass Level One Rechnungen nicht zahlte. In einem Bericht des Info-Anbieters Debt Wire vom September ist davon die Rede, dass das Unternehmen 60 Millionen Euro Verbindlichkeiten offen hatte. Die Consulter dürften angeblich auch hohe Abflüsse in Privatfirmen von Cevdet Caner gefunden haben, weiß ein Unternehmensinsider. Die Banken ließen die Level One im August 2008 schließlich unter Zwangsverwaltung stellen, und im Herbst wurde die erste Insolvenz beantragt. Der Zustand der Immobilien ist gut, und sie sind ordentlich vermietet, sagt Insolvenzverwalter Rolf Rattunde jetzt.
Neues Investment, neues Glück
Die festgestellten Geldflüsse irritieren Caner nicht: Für die Verwaltung der Objekte in Deutschland verrechneten separate Firmen Caners in London und Jersey der Holding in Jersey hohe Gebühren. Caner gibt jetzt gegenüber FORMAT zu, alleine bis 2006 rund 50 Millionen Euro auf diesem Weg kassiert zu haben. Die Gebühren waren branchenüblich, verteidigt sich Caner. Wie es mit Caners ehemaligem Immobilienimperium weitergeht, ist offen: Mitte März findet ein Gläubigertreffen statt. Dort soll entschieden werden, ob die Gesellschaften liquidiert oder saniert werden. Caner selbst hält sich derzeit in New York auf und hält nach wie vor Ausschau nach neuen Investments. Die Credit-Suisse-Aktionäre ärgern sich indes über den Kursverfall ihrer Wertpapiere, die seit dem Bekanntwerden der Level-One-Pleite weiter gesunken sind.
Von Miriam Koch und Barbara Nothegger