
Leopoldquartier am Donaukanal
©SquarebytesDer Leerstand am Wiener Büromarkt sinkt, die Mieten ziehen an. Denn die Nachfrage steigt. Ein modernes Büro in Wien ist heute die mit Hochglanzfassade versehene Visitenkarte von ESG-konformen erfolgreichen Unternehmen und zugleich beliebtes Zielobjekt für internationale Immobilieninvestoren.
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Es ist der bisher größte Immobiliendeal des Jahres: Das Bürogebäude mit der Adresse Franz-Jonas-Platz 2–3 in Wien-Floridsdorf wechselt den Eigentümer. Verkauft wurde es von der CPI Europe, der früheren Immofinanz, vermittelt hat die Transaktion das Maklerunternehmen CBRE im Rahmen eines Co-Exklusivmandats mit EHL Das im Jahr 2009 renovierte Objekt in attraktiver Lage direkt am Bahnhof Floridsdorf mit hervorragender Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist voll vermietet. Den Nutzern stehen mehr als 11.000 Quadratmeter modernste Büro- und Gewerbeflächen und 149 Tiefgaragenplätze zur Verfügung. „Wir freuen uns sehr über diese Transaktion, denn sie belegt unsere Einschätzung, dass die Talsohle durchschritten ist. Auch internationale Investoren finden zunehmend attraktivere Rahmenbedingungen vor. Besonderer Treiber dieser Entwicklung sind die bereits wieder steigenden Preise bei den Büroimmobilien“, sagt Lukas Schwarz, Head of Investment Properties bei CBRE Austria.
Der Kaufpreis – Käufer war ein Privatinvestor – entspricht Marktteilnehmern zufolge einer Rendite von deutlich unter fünf Prozent. Das zeigt: Die Preise auf dem Wiener Büromarkt sind nach den Krisenjahren 2023 und 2024 bereits im Steigen, und Investoren nehmen auch deutlich niedrigere Renditen als auf dem Höhepunkt der Immobilienkrise in Kauf. Denn die Rezession trifft nicht alle gleich: Während die Wirtschaft in Österreich absolut gesehen schrumpft, kommt auf jedes Unternehmen, das in Schwierigkeiten gerät, ein anderes, welches trotz der allgemeinen Marktlage sehr gute Ergebnisse erzielt. Damit gibt es zwar auf der einen Seite immer mehr „Büroleichen“ in schlechten Lagen und Projekte von insolventen Bauträgern, die sich nur schwer vermitteln lassen. Doch auf der anderen Seite treffen die besten Objekte auf eine höhere Mieter- und Investorennachfrage als vor zwei oder drei Jahren. „Die wirtschaftliche Eintrübung der vergangenen Quartale wirkt sich selektiv auf den Wiener Büromarkt aus“, erklärt Elisa Stadlinger, Geschäftsführerin und Leiterin Gewerbeimmobilien bei ÖRAG. „In Summe bleibt der Markt zweigeteilt: Während das untere Qualitätssegment unter Druck gerät, zeigen sich im Premiumsegment weiterhin stabile Tendenzen. Während bei älteren Bestandsobjekten ohne nachhaltige Sanierung und ESGZertifizierung oder in peripheren Lagen die Nutzer ausbleiben und damit ein gewisser Preisdruck und steigender Leerstand beobachtet werden können, bleiben hochwertige Flächen in Toplagen weiterhin stark gefragt.“
Höhere Spitzenmieten
„Neue Projekte, die ESG-Kriterien zu wenig berücksichtigen, sind deutlich schwerer zu vermieten als noch vor einigen Jahren“, bestätigt auch Stefan Krejci von Re/Max Commercial. Die Kehrseite der Medaille sei jedoch, dass Mieter auch bereit seien, für Topobjekte weitaus höhere Mieten als vor zwei oder drei Jahren zu bezahlen. Die Spitzenmieten für die besten Objekte in Wien haben bereits um rund 20 Prozent angezogen und 28 Euro pro Quadratmeter im Monat erreicht, wie auch die anderen Maklerunternehmen bestätigen. Allerdings gebe es für diesen nicht präzise definierbaren „Sex Appeal“ einer Büroimmobilie keine universell gültigen Durchschnittswerte, sondern nur lage- und verhandlungsabhängige Erfahrungswerte, so Krejci: „Durch die Vielzahl an aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen sehen wir vermehrt deutlich längere Verhandlungsprozesse. Das ist nachvollziehbar, denn die teilweise unterschiedlichen Interessenslagen müssen auch der aktuellen wirtschaftspolitischen Realität gerecht werden.“
Neue Steuerlasten
Das Steuerpaket der Bundesregierung sorgt für weitreichende Änderungen auf dem gewerblichen Immobilienmarkt. Zunächst wirkt es sich nur auf Investoren aus – weil diese leiden, dürften in Zukunft aber auch Mieter betroffen sein.
Die neue Umwidmungsabgabe soll bei der erstmaligen Umwidmung von Grünland zu Bauland fällig werden – und zwar bezogen auf die Wertsteigerung durch die Umwidmung. „Projektentwicklungen verteuern sich damit deutlich, Büroentwicklungen auf neu gewidmetem Grund tragen künftig eine zusätzliche Steuerlast“, sagt Immobilienökonom Herbert Petz, Leiter des Bereichs Investment bei der ÖRAG. Damit wird es noch weniger Projektentwicklungen geben, da das Marktumfeld den Neubau ohnehin schon sehr schwierig gestaltet. Letztlich trägt dies zu einer weiteren Verknappung von neuen Flächen bei, was den Druck auf die Mieten weiter erhöht. „Mit dem geplanten Umwidmungszuschlag wird erstmals systematisch versucht, die enormen Wertzuwächse bei Baulandumwidmungen steuerlich abzuschöpfen“, analysiert TPA-Immo--Experte und Steuerberater Lukas Bernwieser. „Das ist aus Sicht des Gesetzgebers nachvollziehbar, bedeutet aber für Projektentwickler und Verkäufer eine -spürbare Zusatzbelastung.“
Die Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 0,5 auf 3,5 Prozent bei gewerblichen Transaktionen bringt Investoren um ihre bisherigen Steuervorteile im Vergleich zu privaten Käufern. „Das trifft Immobiliengesellschaften hart, der Druck auf geplante Deals steigt massiv“, so Bernwieser. „Diese Änderung verteuert vor allem großvolumige Bürotransaktionen“, ergänzt Petz – mit Auswirkungen auf den Gesamtmarkt: „Deal-Strukturierungen werden komplexer, was kleinere Investoren oder internationale Player abschrecken könnte.“
Mehr Vermietungen
Wenn das gelingt, steht einem Mietabschluss nichts im Wege: Im Vorjahr wurden 200.000 Quadratmeter Büroflächen in Wien vermietet, und damit rund 30 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Heuer rechnen die Maklerunternehmen mit einer noch höheren Vermietungsleistung. Denn auch die Rückkehr vieler Unternehmen aus dem Homeoffice hin zu überwiegend präsenzbasierten Arbeitsmodellen verleihe dem Wiener Büromarkt spürbare Impulse, erklärt Frank Brün, Leiter des Büroconsulters Vienna Research Forum (VRF). „Während in und nach der Pandemie viele Betriebe auf Flächenreduktion setzten oder temporär auf Expansion verzichteten, zeigt sich nun ein klarer Trend zur strategischen Neuausrichtung: Büroflächen werden nicht nur wieder verstärkt nachgefragt, sondern auch gezielt umgestaltet – hin zu attraktiven, kommunikationsfördernden Arbeitswelten in sehr zentralen Lagen beziehungsweise zu Büroclustern, die sowohl Teamarbeit als auch individuellen Rückzug ermöglichen“, so Brün. „Das Büro wird damit zur zentralen Plattform für Unternehmenskultur, Innovation und Zusammenarbeit.“ Das bestätigt auch Stadlinger: Das Büro sei heute mehr denn je eine Beton gewordene Visitenkarte jenes Unternehmens, das dort seine Zelte aufschlage. „Ein modernes Büro ist ein strategischer Erfolgsfaktor für Arbeitgeberattraktivität, Effizienz und ESG-Compliance“, so die ÖRAG-Geschäftsführerin. „Büros müssen anpassbar und multifunktional sein, von Open Spaces über Rückzugsräume bis zu Bereichen für Kollaboration. Besonders gefragt sind zonierte Flächenmodelle, die sowohl fokussiertes Arbeiten als auch kreativen Austausch innerhalb von Teams ermöglichen. Denn Ergonomie, akustisch optimierte Zonen und Smart-Office-Lösungen unterstützen nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Produktivität und Mitarbeiterbindung.“
Mangelware neue Flächen
Wer ein modernes Büro als steinerne oder gläserne Visitenkarte für sein Unternehmen sucht, muss aber bald noch tiefer in die Taschen greifen. Denn das Angebot wird dünner: Die Leerstandsrate ist durch den Mangel an Fertigstellungen seit 2023 stark gesunken und liegt laut VRF bei 3,8 oder laut CBRE bei 3,4 Prozent, „ein im internationalen Vergleich sehr niedriger Wert“, wie Brün anmerkt. Vor dem Hintergrund eines zurückhaltenden Fertigstellungsvolumens bleibe das Angebot an modernen Büroflächen aber weiterhin begrenzt. So werden heuer und nächstes Jahr weit weniger als 100.000 Quadratmeter neue oder modernisierte Büroflächen errichtet. Zum Vergleich: Vor der Pandemie waren Jahre mit dem Doppelten dieser Neubauleistung die Regel.
„Der Wiener Büromarkt ist von einer paradoxen Entwicklung geprägt: Einerseits hohe Nachfrage nach den besten Flächen, andererseits eine stagnierende Neubautätigkeit“, stellt auch Christian Sommer, Geschäftsführer Engel & Völkers Commercial, fest. „Die Zahl der Baugenehmigungen ist rückläufig, Genehmigungsverfahren dauern oft viele Monate, gleichzeitig steigen die Baukosten kontinuierlich.“ Heuer kommen in diesem Umfeld überhaupt nur vier neue Büroprojekte in Wien: Drei Bauteile des „TwentyOne Central Hubs“, „DC Waterline“ in Floridsdorf und Donaustadt sowie „Enna“ in Wien-Landstraße und „Carré Muthgasse“ in Döbling. Übrigens: In keinem der neuen Projekte kalkulieren die Entwickler mit Spitzenmieten. Im „Enna“ beispielsweise werden laut ÖRAG trotz City-Nähe und einem umfassenden Gastronomie- und Fitnessangebot nur 18 bis 20 Euro pro Quadratmeter im Monat veranschlagt. Im „Leopoldquartier“ am Donaukanal, das 2026 die größte Fertigstellung wird, verlangt Entwickler UBM Development mit rund 24 Euro pro Quadratmeter im Monat ähnlich moderate Mieten – wer seinen Umzug bereits jetzt vor der Fertigstellung plant und den Mietvertrag noch heuer unterschreibt, ist natürlich im Vorteil.
Günstige Bundesländer
Flächen zu deutlich günstigeren Mieten sind allein in wenig attraktiven Bestandsobjekten in schlechteren Wiener Lagen zu haben – oder in den Bundesländern. Während am Wohnungsmarkt der Westen Österreichs teils noch teurer als Wien gehandelt wird, sind Büroflächen abseits der Hauptstadt meistens Sonderangebote. Am teuersten ist noch Linz, wo die Spitzenmieten in noch im Bau befindlichen Vorzeigeprojekten wie dem „Quadrill“ auf dem Gelände der Tabakfabrik oder dem „Techbase“ auf den Siemens-Gründen laut Re/Max bis zu 20 Euro pro Quadratmeter im Monat erreichen. In den anderen Bundesländern sind selbst in den neuesten ESG-konformen und als moderne Headquarters geeigneten Objekten nur bis zu 16 Euro möglich. In Graz, wo vor dem Beginn der Immobilienkrise sehr viele neue Büros errichtet wurden, ist das Ende der Fahnenstange sogar bei nur 14 Euro pro Quadratmeter im Monat erreicht – und damit bei der Hälfte der Wiener Spitzenmieten. „Wegen der Fertigstellung hochwertiger Neubauten sind wir von einer Steigerung der Spitzenmieten ausgegangen“, sagt Alois Marchel von Re/Max Commercial Graz – weil die Nachfrage verhalten war und viele geplante Projekte krisenbedingt auf unbestimmte Zeit verschoben wurden, hat sich diese Hoffnung aber bisher noch nicht erfüllt.
In den Bundesländern können Unternehmen also mit dem Mietabschluss noch warten – allerdings nicht in Wien, warnt ÖRAG-Geschäftsführerin Stadlinger: Angesichts der weiterhin hohen Bauund Finanzierungkosten gebe es in bestimmten Lagen noch über Jahre Aufwärtspotenzial bei den Mieten, sagt sie. „Besonders in den zentralen Innenstadtlagen sowie im Gebiet rund um den Hauptbahnhof zeichnen sich Mietsteigerungen ab, da hier die Flächenqualität mit ausgezeichneter Infrastruktur und ESG-konformer Ausstattung zusammentrifft“, rät sie umzugswillige Unternehmen dazu, sich bald für ihr neues Headquarter zu entscheiden. Denn wie meistens in der Wirtschaft zahlt es sich auch bei der Bürosuche aus, First Mover zu sein.