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PrivatBank Ukraine CEO Gerhard Bösch - Banker der Zeitenwende

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Gerhard Bösch, CEO der staatlichen ukrainischen PrivatBank
Gerhard Bösch, CEO der ukrainischen PrivatBank. Inzwischen ist er in Wien angekommen und managt die größte Bank der Ukraine von hier aus.©trend / Michael Rausch-Schott
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Der Vorarlberger Gerhard Bösch leitet mit der PrivatBank die mit Abstand größte Bank der Ukraine. Nun muss er das Institut mit 20.000 Mitarbeitern und 20 Millionen Kunden durch die Kriegswirren steuern - und auf eine Zukunft vorbereiten, von der keiner weiß, wie sie aussieht.

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  • Die PrivatBank, ukrainisch ПриватБанк, ist die mit Abstand größte Bank der Ukraine. Ihr Hauptsitz befindet sich in der Großstadt Dnipro. Die Bank wurde im Dezember 2016 verstaatlicht, um das ukrainische Finanzsystem nicht zu gefährden.
  • Gerhard Bösch, geb. 1957, ist seit Mitte 2021 CEO der Bank mit über 20 Millionen Kunden

Als er sich wenige Tage nach Putins Überfall aus Kiew Richtung Uschgorod in Bewegung setzt, sieht er entlang der Autobahn ein Flugzeug über ihm fliegen, von dem er lange nicht weiß, ob es Freund oder Feind ist. 15 Stunden wird er für die 500-Kilometer-Fahrt an die slowakische Grenze brauchen.

Als er eine Woche später durch die Straßen Wiens fährt, seiner nächsten Station nach Uschgorod, erntet er spontanen Applaus, sobald Leute das ukrainische Kennzeichen an seinem Auto sehen.

Schrecken? Erleichterung? Angst? Gerhard Bösch, fast 65 Jahre alt, ist nicht der Typ, der in der Hitze sofort nach einer Klimaanlage schreit. Die Frage nach seiner Befindlichkeit beantwortet er deshalb mit einem ausweichenden Blick. Immer wieder läutet das Telefon, Nachrichten von der Front.

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Gerhard Bösch, ein "ukrainischer Patriot mit österreichischem Pass". © trend / Michael Rausch-Schott

Der Mann mit der randlosen Brille, dem die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben ist, trägt beim Treffen mit dem trend in einem Wiener Kaffeehaus unterm Pullover eine Wyschywanka, das typische ukrainische Folklorehemd mit Stickmuster. Um das Handgelenk hat er ein blau-gelbes Bändchen gebunden. "Ich bin ein ukrainischer Patriot mit österreichischem Pass", sagt der Vorarlberger mit Stolz.

Bösch managt zwei Wochen nach der Invasion Russlands eine Bank, von der er nicht weiß, wie lange sie noch besteht - und schon gar nicht, zu welchem Staat sie gehören wird. Erst Mitte 2021 hat der langjährige Raiffeisen-Banker, der seit 16 Jahren in Kiew arbeitet, seinen Job als CEO der staatlichen PrivatBank angetreten. Sie ist die mit Abstand größte Bank des Landes und hat 20 Millionen Kunden - mehr als die gesamte Raiffeisen Bank International (RBI) mit ihrem weit verzweigten Osteuropa-Netzwerk.

Seit Oktober haben wir uns auf einen Angriff Russlands vorbereitet.

Nun versucht der Ost-Routinier, das Institut mit 20.000 Mitarbeitern und 1.500 Filialen durch eine Krise zu steuern, die in keinem Managementlehrbuch steht. Aus dem Nichts ist der Krieg zwar nicht gekommen. "Seit Oktober haben wir uns auf einen Angriff Russlands vorbereitet", berichtet er. Selbst Putins Griff nach dem gesamten Land wurde als eine von mehreren Möglichkeiten durchgespielt, "aber es galt nicht als das wahrscheinliche Szenario".

Dank Corona ist zumindest Remote Banking kein Problem: Bösch steuert das Unternehmen über Zoom-Konferenzen und Chatgruppen. Teile des Managements und des Aufsichtsrats sind inzwischen in Warschau, Mitarbeiter arbeiten teils unterwegs aus dem Auto heraus. "Ohne die Erfahrung aus der Pandemie würde das nicht so gut funktionieren", so Bösch. Das gilt auch für die Kundenseite: Die Onlineservices sind intakt und werden intensiver genutzt als je zuvor. Davor mussten die IT-Fachleute jedoch eine Serie von Hackerangriffen abwehren, "in einer Dimension, wie wir sie bisher nicht gesehen hatten".

Wie viele Filialen in den Kriegsgebieten zerbombt oder endgültig verloren sind, kann er nicht genau sagen. Dann und wann muss er über die Überwachungskameras mit ansehen, wie russische Marodeure Safes in Bankfilialen knacken.

Lieber hält er sich an den Good News fest: 700 Filialen sind nach wie vor geöffnet, und auch die Befüllung von 4.000 Geldautomaten funktioniert.

Landesverteidigung aus der Bankfiliale

Dafür hat der CEO ein ganz anderes Problem, das in den Krisensimulationsübungen so nicht vorgesehen war. Es ist eine Folge der überraschend großen Verteidigungsbereitschaft der Ukrainer. 320 Geldtransporter gehören der Privat-Bank, 1.500 Mitarbeiter arbeiten in diesem Bereich - praktisch nur Männer. Während einige der gepanzerten Wagen inzwischen von Polizei und Militär benötigt werden, schrumpft das Fahrerpersonal sogar noch stärker. Denn obwohl sie zur kritischen Infrastruktur gehören und deshalb eigentlich nicht kämpfen müssten, sind viele davon nicht abzuhalten, erzählt der CEO. "Ich muss sie davon überzeugen, dass es fürs Land genauso wichtig ist, in der Bank tätig zu sein wie im Schützengraben."

In allen anderen Bereichen der Belegschaft - in der Verwaltung und in den Bankstellen - stellten Frauen schon bisher die Mehrheit, auch bei den Führungskräften. Nun müssen sie, während sie die Geldversorgung am Laufen halten, ihre Männer und Söhne in den Krieg ziehen, fallweise auch sterben sehen -ein emotionaler Ausnahmezustand. Bösch: "Es ist nicht alles Heroentum, es ist auch viel, viel Schmerz."

Entgegen den Erwartungen gibt es bisher keine Bank Runs, also panikartige massenhafte Bargeldbehebungen, die das System schnell kollabieren lassen können. Es gebe sogar Kontoeröffnungen, denn das eigene Heim mit dem Sparstrumpf unter der Matratze gilt angesichts des Vorrückens der russischen Truppen generell nicht mehr als sicherer Ort. "Wir bekommen zum Teil mehr Einlagen, weil insbesondere kleine Unternehmen wie etwa Tankstellen ihr Geld vor den Russen in Sicherheit bringen wollen." Nur die Konvertierung in Fremdwährung musste gestoppt werden, "sonst hätten alle ihre Hrywnja in Dollar getauscht".

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Bösch: "Die Ukraine wurde seit drei Jahrzehnten von der politischen Elite verraten und von der Wirtschaftselite ausgeraubt." © trend / Michael Rausch-Schott

Eine der wichtigsten Aufgaben sei es, dass auch die Hunderttausenden ins Ausland geflüchteten Ukrainer weiterhin auf ihre Konten bei der PrivatBank zugreifen und mit Kreditkarte zahlen können. Dieses Service könnte der Kern für das Geschäftsmodell der Zukunft sein.

Wie seine eigene Zukunft unter dem Licht der aktuellen Ereignisse aussieht, ist völlig offen. Eigentlich hätte der Lustenauer nach seiner langjährigen Tätigkeit für Raiffeisen im Osten nun ein Sabbatical mit viel Reisetätigkeit im Sinn gehabt. Doch das Angebot, CEO der PrivatBank zu werden, war zu verlockend. Es hätte bedeutet, das Institut 2024 zu privatisieren und damit auch die Wirtschaftsgeschichte der Ukraine aktiv mitzuschreiben. Denn die PrivatBank war vor ihrer Verstaatlichung Opfer "des größten Bankraubs in der Geschichte dieses Universums" geworden, wie Bösch formuliert.

Opfer des größten Bankraubs in der Geschichte dieses Universums.

Gegründet von Privatleuten, sollen vor der Verstaatlichung 2016 fast sechs Milliarden Dollar über Tarnfirmen ins Ausland verschoben worden sein. Kontrolliert wurde die PrivatBank damals von den Oligarchen Igor Kolomoiskij und Gennadij Bogoljubow. Kolomoiskij hat auch Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj, der in einem seiner Sender populär wurde, unterstützt. Mit Hunderten von Klagen in England, der Schweiz und den USA wurde zuletzt um das Geld gestritten -ehe Putins Armee vor den Toren Kiews stand.

Die Bank selbst ist inzwischen wieder hochprofitabel, sie hat am 4. März eine Milliarde Dollar Dividende ausgeschüttet. Wie sie vor dem Zugriff der Russen verteidigt werden kann? Nach dem trend-Termin hat Bösch eine Videokonferenz mit Londoner Anwälten, es geht um die Sicherung und die zukünftige Struktur der Bank - mehr lässt der Österreicher nicht durchblicken.

"Selenskyj ist ein richtig guter Kriegspräsident"

Dabei hätte es jetzt eine Chance für die Ukraine gegeben, sagt er, die alten Zeiten hinter sich zu lassen. Das Land sei seit drei Jahrzehnten "von der politischen Elite verraten und von der Wirtschaftselite ausgeraubt worden", zuletzt waren aber die Wirtschaftszahlen trotz Pandemie recht gut. Während er mit den ukrainischen Oligarchen null Mitleid hat, bedauert er die vielen tüchtigen Unternehmer, vor allem in der Agro- und der IT-Industrie, die in den letzten Jahren etwas aufgebaut haben. Sie stehen jetzt vor dem Nichts.

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Gerhard Bösch im Gespräch mit Bernhard Ecker: "Ich glaube nicht, dass Putin es zulassen wird, dass Selenskyj überlebt." © trend / Michael Rausch-Schott

In Präsident Selenskyj hatte Bösch anfangs wenig Vertrauen: "Er ist 2019 ohne einen Hauch von politischem Programm angetreten, nur mit der Botschaft: Ich bin anders", sagt er über den früheren Schauspieler. Doch der TV-Komiker habe sich immerhin als nicht schlimmer als die Herrscher in den Jahrzehnten davor herausgestellt. Und jetzt sei er ein richtig guter Kriegspräsident, "da habe ich ihn falsch eingeschätzt". Bitterer Nachsatz: "Ich glaube nicht, dass Putin es zulassen wird, dass Selenskyj überlebt."

Der trend hat mit Bösch in den letzten Wochen mehrere Gespräche geführt, stets wirkte er hoch konzentriert und motiviert. Das ganze Land sei "energetisiert", sagt er selbst, ehe er aufsteht und sich nur wenig von seiner Abgekämpftheit anmerken lässt. Seine Bank ist Teil des Widerstands gegen die Russen geworden: Wenn Geld fließt und Kartenzahlungen funktionieren, stützt das die Verteidigungsmoral.

Dann sagt er zum weiteren Verlauf der Ereignisse noch einen Satz, der einen erschüttert zurücklässt. Es ist die Essenz der Stimmung in einem Krieg, der plötzlich über die Ukraine und Europa hereingebrochen ist und den Bösch in den letzten Wochen, besonders aber in den letzten Tagen hautnah erlebt hat: "Kapitulation wird nicht passieren, selbst wenn es 100.000 Tote gibt." Er verabschiedet sich mit dem offiziellen Gruß der militärischen Streitkräfte, der längst zum Kampfruf gegen Russland geworden ist: "Slawa Ukrajini!" oder: "Hoch lebe die Ukraine!"

Der Artikel ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 11. März 2022 entnommen.

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