
Michal Brönner, Country Manager Österreich von Mastercard
©Kurt KeinrathMastercard-Österreich-Chef Michael Brönner über digitale Peer-to-Peer-Zahlungen, Agentic Commerce mit KI-Assistenz und warum Cybersecurity zur zentralen Währung geworden ist.
Österreicher:innen hängen am Bargeld, auch Überweisen via Paypal und Co. ist im Vergleich noch eher unbeliebt. Warum ist sogenanntes digitales Peer-to-Peer-Payment hierzulande unterentwickelt?
Weil es bislang zu viele Hürden gibt. Wenn man heute jemandem zehn Euro schicken will, muss ich nach der IBAN fragen, mein Gegenüber sucht und kopiert diese aus der Banking-App, schickt sie mir, damit ich sie wieder in meine Banking-App kopiere und schlussendlich eine Zahlung durchführen kann. Unsere Idee von Mastercard ist, Geld senden künftig einfach über Telefonnummer oder E-Mail-Adresse direkt in der Banking-App zu integrieren. So bleibt alles in einer sicheren Umgebung, ob George, Raiffeisen Mein Elba, Bank Austria Mobile Banking oder eine andere App.
Also wie Paypal, nur direkt in der Bank-App?
Genau. Unsere Vision ist, dass alle großen Banken – Erste, Raiffeisen, Bank Austria, BAWAG, Bank99 – eine gemeinsame Lösung anbieten. Man gibt einfach den Namen oder die Telefonnummer ein, und die App gleicht die Daten über unser Click-to-Pay Directory ab.
Was steckt hinter Click-to-Pay?
Das ist unsere E-Commerce-Checkout-Lösung für Bestellungen. Kunden können auf Wunsch ihre Daten wie Name, E-Mail oder Lieferadresse einmalig speichern. Click-to-Pay ersetzt dann die künftige manuelle Eingabe von Karten- und Bestelldaten im Guest-checkout. Sicherheitsmechanismen wie Tokenisierung und Zwei-Faktor-Authentifizierung bieten Nutzer:innen maximale Sicherheit bei minimalem Aufwand. Diese Directory wollen wir künftig auch für Peer-to-Peer-Zahlungen nutzen ohne neue App und weitere Registrierung. Alles läuft über die bestehende Bankverbindung.
Wann soll das in Österreich verfügbar sein?
Wir sprechen aktuell intensiv mit den Banken. Möglich ist eine Einführung 2027.
Mastercard arbeitet auch am sogenannten „Agentic Commerce“. Chatbots kaufen also bald für uns ein?
Das ist eine neue Form des E-Commerce, bei der KI-Agenten wie ChatGPT, Copilot oder Perplexity Einkäufe für uns erledigen. Ich glaube wir befinden uns in einer sehr transformativen Zeit. Das wird eine ähnlich große Disruption, wie es Amazon oder Booking.com vor rund 20 Jahren waren. Ein Beispiel: Ich plane meine Japanreise mit ChatGPT. Heute bekomme ich am Ende 15 Links zu Fluglinien, Hotels, Restaurants, etc. In Zukunft kann ChatGPT die Reise direkt buchen und bezahlen. Meine Mastercard ist hinterlegt, ich autorisiere biometrisch einmalig zum Beispiel 5.000 Euro, und die KI übernimmt die Einzelbuchungen automatisch bei allen 15 verschiedenen Händlern.
Aber will ich wirklich, dass ChatGPT meine Käufe selbstständig abschließt?
Gute Frage. Der Schlüssel ist der Consumer Intent, also wie klar die Absicht definiert ist. Wenn ich sage: „Kaufe die Laufschuhe für meine Frau, sobald sie im Sale sind, spätestens bis 23. Dezember“, kann das die KI erledigen. Schwieriger wird es, wenn Monate vergehen oder neue Modelle auf den Markt kommen. Diese Feinheiten zu definieren, ist eine der spannendsten Aufgaben. Aber das Potenzial ist enorm: ChatGPT hat bereits über 800 Millionen Nutzer und wächst schneller als jede andere digitale Plattform es jemals zuvor getan hat. Das zeigt, dass die Menschen solche Anwendungen wollen, auch wenn sie nicht jeden Use Case sofort nutzen.
Mastercard nutzt KI auch für Betrugserkennung. Wie funktioniert das konkret?
Jede Transaktion wird in Echtzeit analysiert. Wir berechnen die Wahrscheinlichkeit, ob sie legitim oder betrügerisch ist. Mit 3,3 Milliarden Karten und über 160 Milliarden Transaktionen pro Jahr erkennen wir Muster, die manuell kaum erfassbar wären. Wir erleben rund 200 ernstzunehmende Cyberangriffe pro Minute auf unser Netzwerk. Deshalb investieren wir jährlich deutlich über eine Milliarde US-Dollar in Cybersecurity. Das ist ein permanentes Wettrennen zwischen Angreifern und Verteidigern.
Mastercard wickelt täglich Millionen an Transaktionen ab. Wie versuchen Sie, Cyberangriffe frühzeitig zu erkennen und abzuwehren?
Ein Beispiel ist unsere Tochterfirma Recorded Future, ein führender Anbieter im Bereich Threat Intelligence. Das Unternehmen durchsucht sowohl das Clear Web als auch das Dark Web nach gestohlenen Daten oder verdächtigen Aktivitäten – etwa ungewöhnlichen Zugriffen auf Domains oder Leaks von E-Mail-Adressen. So können mögliche Angriffe früh erkannt werden, bevor sie stattfinden. Recorded Future ist mittlerweile so weit, dass es auch bestimmte Hackergruppen aktiv überwacht und identifizieren kann. Diese Erkenntnisse stellen wir unseren Partnern zur Verfügung.
Wird der Zahlungsverkehr durch KI tatsächlich sicherer oder werden Betrüger einfach schlauer?
Es ist ein ständiges Wettrennen. Aber wenn man die letzten Jahrzehnte betrachtet, hat sich die Sicherheit enorm verbessert: vom Magnetstreifen über Chipkarten bis zur Tokenisierung im E-Commerce. Heute erkennen wir über 99,99 Prozent aller legitimen Transaktionen korrekt. Dank KI konnten wir die Fehlalarme – also legitime Zahlungen, die fälschlich blockiert wurden – um mehr als 30 Prozent reduzieren. Null Prozent Betrug wird es nie geben, aber wir bauen unseren Vorsprung im Wettrennen weiter aus.
Zur Person
Seit Juni 2022 ist Michael Brönner Country Manager von Mastercard Austria. Zuvor leitete er das Business Development im Bereich Data & Services in Österreich und weiteren europäischen Märkten. Vor Mastercard arbeitete Brönner bei McKinsey & Company mit Schwerpunkt auf Strategie, Vertrieb und Digitalisierung im Finanzsektor. Danach verantwortete er bei AXA Deutschland als Head of Corporate Development sowie Head of Investments and Strategic Partnerships zentrale Strategie- und Innovationsthemen.
