
Dieses Jahr sind Weihnachtsfeiern für mich wie ein Spiegel.
Nicht, weil sie neu wären – im Gegenteil.
Aber noch nie habe ich sie so unterschiedlich erlebt.
Ich war überall nur Beobachterin: mal eingeladen, mal als Plus-Eins, manchmal nur stille Zuhörerin jener Geschichten, die man danach erzählt. Und doch zeigen diese Feiern mehr über Kultur als jede Mitarbeiterbefragung. Sie zeigen, wie Teams fühlen – und wie Führung tatsächlich wirkt.
Bauen & Wohnen – ein Tag, der verbindet
Ein Lieblingskunde lädt sein ganzes Team zum Skitag ein.
Liftkarten, Hotel, Abendessen, gemeinsamer Spaß.
Keiner überlegt, ob er kommt. Alle wollen dabei sein.
Man spürt sofort: Hier herrscht Stolz – und echtes Miteinander.
Kreativbranche – die Pflichtveranstaltung
In einer Wiener Agentur beginnt der Tag mit einer Klausur im Büro, endet im Restaurant.
Klingt eigentlich nett – wäre da nicht die Info, dass jede:r selbst bezahlt.
Die Stimmung davor? „Müssen wir?“
Die danach? „Zum Glück vorbei.“
Anwesenheit ohne Verbindung.
Medizin – die Feier, die keiner verpassen will
In Kärnten lädt ein Klinikleiter ins Haubenlokal.
Mitarbeiter:innen buchen freiwillig Hotelzimmer.
Nicht, weil der Heimweg zu weit wäre – sondern weil sie gemeinsam feiern wollen.
Hier spürt man: Dieses Team hat Vertrauen, Nähe – und Lust auf ein echtes Wir.
Organisation in der Krise – wenn die Stimmung kippt
Eine andere Organisation feiert im Büro.
Pot-Luck-Buffet, dazu gleich zu Beginn schlechte Nachrichten.
Manche bleiben fern, viele sind kurz da, niemand bleibt lang.
Kultur ist hier spürbar – nur eben als Leerstelle.
Banken – das Event mit Identität
In einer großen Bank ist die Weihnachtsfeier seit Jahren ein Fixpunkt.
Durchdacht, hochwertig, energiegeladen.
Outfits werden geplant, Babysitter gebucht – Wochen im Voraus.
Das ist kein Termin.
Das ist Identität im Festkleid.
Zwischen den Zeilen
Fünf Feiern. Fünf Kulturen. Ein Muster: Eine Weihnachtsfeier ist kein gesellschaftliches Add-on, sondern ein ehrlicher Seismograph. Man erkennt, ob Teams verbunden, distanziert oder erschöpft sind.
Kultur zeigt sich dort, wo Organisation auf Menschliches trifft – am Buffet, beim Lachen, beim Bleiben.
Momente, die uns wichtig sind, geben unserem Leben Richtung.
Psychologische Sicherheit – der soziale Sauerstoff
Wenn Menschen freiwillig bleiben, obwohl sie gehen könnten, zeigt das Vertrauen. Amy Edmondson nennt das „psychologische Sicherheit“ – das Fundament jeder echten Zusammenarbeit. Sie entsteht, wenn Menschen sich zeigen dürfen, ohne Angst, bewertet zu werden. Wie in der Kärntner Klinik: Hier hält das Klima – nicht die Kontrolle.
Handlungsempfehlung
Pflegen Sie alltägliche Sicherheit: zuhören, Rückfragen stellen, eine offene Haltung kultivieren. Sagen Sie öfter: „Ich weiß es gerade auch nicht.“ Sicherheit wächst nicht durch Kontrolle, sondern durch Resonanz.
Psychologische Sicherheit ist kein Gefühl, sondern ein Verhalten in Gruppen.
Beziehungsgleichgewicht – „Ich bin OK, du bist OK“
In der Wiener Agentur war niemand wirklich präsent. Harris liefert das Modell dazu: Teams funktionieren nur, wenn beide Seiten innerlich sagen können – Ich bin OK, du bist OK. Ist dieses Gleichgewicht gestört, bleiben Menschen höflich, aber innerlich fern.
Handlungsempfehlung: Führen Sie regelmäßige Check-ins ohne Agenda ein. Eine halbe Stunde im Monat, in der nur gefragt wird: „Wie geht’s uns eigentlich gerade?“ Kein Meeting, kein Protokoll – nur Beziehungspflege.
Reife Beziehungen beginnen dort, wo beide Seiten sich als grundsätzlich in Ordnung ansehen.
Angstkommunikation – warum Kontrolle Vertrauen zerstört
In der Organisation im Krisenmodus begann die Feier mit schlechten Nachrichten. Gerald Hüther sagt: Menschen entwickeln ihr Potenzial dort, wo sie sich sicher und zugehörig fühlen. Angst erzeugt Rückzug – und jede Angstgeschichte schreibt sich in die Teamkultur ein.
Handlungsempfehlung
Trennen Sie Informationsräume von Beziehungsräumen. Hiobsbotschaften gehören in ehrliche Gespräche – nie in symbolische Momente. Feiern sind Orte des Wir-Gefühls, nicht der Unsicherheit.
Menschen folgen keiner Vision, die sie nicht fühlen können.
Rituale – Identität in Bewegung
Die Bankenfeier zeigt das Gegenbild: Vorfreude, Planung, gespannte Gespräche. Strelecky nennt solche Momente „Bedeutungsanker“ – Erlebnisse, die Identität festigen. Gemeinsame Rituale sind keine Maske, sondern Erinnerung: Wir gehören zusammen.
Handlungsempfehlung
Setzen Sie Rituale, die Sinn stiften – vom symbolischen Jahresabschluss bis zum Danke-Ritual. Rituale stabilisieren Kultur stärker als jede Strategie.
Menschen entfalten sich dort, wo sie sich sicher und zugehörig fühlen.
The Field of Impact™ – wo Teamdynamik wirklich entsteht
Und doch geht es um mehr. Hinter jeder Stimmung liegt ein unsichtbarer Raum – The Field of Impact™. Er ist nicht messbar, aber spürbar. Man erkennt ihn im Blick, im Ton, in der Pause zwischen zwei Sätzen.
Hier entsteht, was Teams wirklich trägt – im Zusammenspiel von Selbst, Begegnung, System und Wirkung. Ein Team entwickelt sich dort, wo alle vier Ebenen in Bewegung bleiben. Bleibt eine davon stehen, wird Kultur brüchig. Weihnachtsfeiern sind deshalb mehr als Partys – sie sind Verdichtungen und der Spiegel dieses gesamten Gefüges.
Handlungsempfehlung
Beobachten Sie Ihr Team in diesen Momenten. Nicht, um zu bewerten, sondern um zu verstehen. Was spürbar wird – Energie, Schweigen, Nähe oder Rückzug – erzählt mehr über gemeinsame Wirksamkeit als jede Kennzahl.
Kultur ist das, was passiert, wenn keiner hinsieht.
Conclusio
Weihnachtsfeiern sind kein organisatorisches Pflichtprogramm. Sie sind die ehrlichen Momente, in denen sich zeigt, ob Kultur lebt. Man kann Strategie simulieren, Prozesse planen, Visionen gestalten –
aber man kann keine Stimmung vortäuschen. Sie entsteht. Oder sie entsteht nicht.
Wer Feiern als strategische Touchpoints begreift, erkennt früh, wo Bindung wächst – und wo sie bereits zu bröckeln beginnt. Die Frage ist also nicht, ob wir feiern. Sondern: Was lassen wir zwischen den Menschen feiern?
Wenn jede Weihnachtsfeier eine Geschichte über Ihr Miteinander erzählt – welche schreibt Ihre gerade? Und welche soll es im kommenden Jahr sein?
Real Connection. Real Growth. Real Impact.
Inspiriert von
Gerald Hüther (2017): Wie wir werden, wer wir sind
Amy Edmondson (2019): The Fearless Organization
Thomas A. Harris (1969): Ich bin ok. Du bist ok.
John Strelecky (2007): The Big Five for Life
Edgar H. Schein (2010): Organizational Culture and Leadership
Edlinger, M. (2025): The Field of Impact™ – Architektur dynamischer Teamentwicklung
