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Vom Tourismusschüler zum Europa-Chef von Marriott

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Satya Anand steht in einem grauen Anzug in einem seiner Marriott-Hotels und lächelt in die Kamera.
 © Lukas Ilgner

Satya Anand

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Satya Anand hat eine beeindruckende Karriere in der Hotelbranche hingelegt. Auf dem Weg an die Spitze des Marriott-Konzerns hat der charismatische Manager viele Fans gewonnen - und auch am Semmering vorbeigeschaut.

Wie lehnt sich ein Mann lässig an eine Reling, die für seine Gardemaße zu tief ausgefallen ist und lächelt entspannt für ein Foto? Eine Herausforderung. Satya Anand bleibt gelassen, geduldig und folgt den Anweisungen des Fotografen. Dieser hat die ikonische Treppe im Foyer des Vienna Marriott Hotels bewusst gewählt. Sie ist wie eine Bühne, passend für einen Mann, der in seiner Branche ein Star ist. „Hey Satya!“ oder „Servas Satya“ schallen freudige Begrüßungen zu ihm hinauf. Lohndiener oder Rezeptionisten huschen vorbei, Anand begrüßt sie mit einem Lachen. Die Mitarbeitenden freuen sich offensichtlich mehr als viele andere, wenn sie ihren Chef sehen – wobei, „der Satya“, wie sie ihn hier liebevoll nennen, ist seit fünf Jahren der ultimative Oberchef und selten im Wiener Marriott, das heute eines von über 1.300 Hotels ist, für die er Verantwortung trägt. Sein Office ist jetzt in London.

Seit 2020 ist Anand als President Europe, Middle East & Africa zuständig für den nach den USA zweitgrößten Markt des Marriott-Konzerns, der an der Börse 70 Milliarden Dollar schwer ist. Er führt eine Region mit Rekordwachstum. Allein im letzten Jahr kamen in seinem Portfolio fast 300 Hotels dazu. Das ist der vorläufige Höhepunkt einer Karriere, die am 16. August 1988 hier im Vienna Marriott begann: Der an der Tourismusschule Semmering frisch ausgebildete Manager trat „aufgeregt, nervös und neugierig“ seinen ersten Vollzeitjob an, als „Night Auditor“.

Dieses Jobprofil gibt es noch heute, nur machen das im Vienna Marriott „heute drei bis vier Personen, die als nächtliche Vertretung der Direktion für alles zuständig sind“, erzählt Dieter Fenz, General Manager des Hauses am Ring, „vom nächtlichen Ein- und Auschecken und Tagesabschluss bis hin zu Sicherheitsrundgängen für die 400 Gäste im Haus.“ Fenz, damals in der Bankettabteilung, freut sich über die Karriere vom Anand: „Er ist an der Spitze. Er ist smart, authentisch, tiefenentspannt, bescheiden und hat immer ein offenes Ohr. Er verkörpert die Marriott-Kultur perfekt, in der noch immer ein Familienbetrieb steckt.“ So beschreiben ihn viele: als visionären Manager, den Menschen empathisch verbunden und offenbar ein Mann, der Karriere macht, ohne verbrannte Erde zu hinterlassen.

Indische Lehrjahre am Semmering

Wie landet ein junger Inder aus Bangalore aus einer Familie ohne Hotel-Bezug Mitte der 80er in Österreich? „Schöner Zufall“, erzählt der heute 60-Jährige. „Nach meiner Betriebswirtschaftsausbildung in Bangalore wollte ich etwas anderes kennenlernen. Österreichs Hotellerie hatte international einen Ruf, und der Semmering war die einzige Tourismusschule mit englischsprachigem Angebot.“ Die internationale Studentengemeinschaft und hilfsbereite Einheimische halfen dem jungen Inder über den ersten Kulturschock hinweg, den er, aus einer Sechs-Millionen-Metropole kommend, doch hatte, als er bei der Ankunft realisierte, dass der Semmering ein kleines Dorf ist und er kein Wort Deutsch konnte. Anand kann dafür extrem gut mit Menschen: „Wer im Tourismus arbeitet, sollte Menschen mögen und auch den dienenden fürsorglichen Aspekt in unserem Tun. In Österreichs Tourismus ist dieses Zuhause-Gefühl hoch kultiviert, und das macht den Reiz aus.“ Die professionelle Gastfreundschaft trainierte er am Semmering, mit Zahlen umzugehen, hatte er schon am College in Bangalore gelernt. Beste Voraussetzungen für das, was auf den Nachtdienst in mehr als drei Jahrzehnten bei Marriott folgen sollte.

Über dreizehn Funktionen national wie international ging’s die Karrieretreppe hoch: „Geplant war das so nicht“, sagt Anand, er sieht es als glückliche Fügung: „In unserem Geschäft will jede und jeder General Manager werden, also ein Hotel führen. Das wollte ich auch, dann hat sich eins zum anderen ergeben: Die Firma, die Umgebung, ein Teil war auch Glück. Ich hatte das Privileg, mit großartigen Führungskräften zu arbeiten: Stefan Kochi, der das Marriott hier in Wien eröffnet hat, unser früherer CEO Arnie Sorensen und nicht zuletzt Mr. Marriott himself, den ich in seiner aktiven Zeit noch kennenlernen durfte, haben mich dorthin gebracht, wo ich heute bin.“ Da ist sie wieder diese Bescheidenheit, von der alle schwärmen.

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Satya Anand Mitte der 80er in der Tourismusschule am Semmering, beim Service im Hotel Panhans.

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EMEA-Region bei Marriott boomt

Dass die Geschäfte in der EMEA-Region so gut laufen, ist natürlich auch sein Verdienst, auch wenn er das nicht so gerne betont wissen will. Anand und seine Teams wissen, die digitalen Transformation für die Hotellerie geschickt zu nutzen: Erst das Internet, dann das Smartphone und nun stellt Künstliche Intelligenz wieder einmal alles auf den Kopf. „Wir sind gerade daran, Reservierungs-und Hotelmanagement und die 248 Millionen Bonvoy-Mitglieder auf einer Plattform zu vereinen. Damit wird ein Gästeerlebnis möglich, das es so noch nicht gibt. Maßgeschneiderte und personalisierte Vorschläge kommen, die sich unsere Kunden nicht erst zusammensuchen müssen“, erzählt er begeistert.

Im größten Kundenbindungsprogramm der Hotellerie sind alle drin, Jungtouristen der Generation Z ebenso wie die Ultrareichen. Marriott hat für alle ein Bett. Und wer einen treuen Kundenstamm hat, macht sich nebenbei von mächtigen Buchungsplattformen unabhängiger. Das Reisen habe sich stark verändert, erzählt Anand: „Seit der Pandemie sehen wir, dass Kunden geschäftliche und private Trips stärker miteinander verbinden als früher. Die Menschen machen öfter und kürzer Urlaub, suchen Erlebnisse, die sie noch nicht kennen.“ Noch etwas erzählen die Daten der Marktforschung: „Menschen gehen heute für andere Dinge auf Reisen: Sport und Musik.“ So werden Olympische Spiele oder Konzerte von Taylor Swift zu Bettenfüllern. Auch gutes Essen ist ein häufiges Reisemotiv. Anand: „Das war mit ein Grund, warum wir heute in San Sebastian sind, an einem Ort mit hoher Michelin-Stern-Dichte.“

Wertschätzender Visionär

Martin Winkler, Vorstandsvorsitzender des Verkehrsbueros, hat mit Anand seit eineinhalb Jahren geschäftlich zu tun. Im Mai wurde vereinbart, dass fünf Verkehrsbuero-Hotels künftig als Franchise unter Marriott-Marken laufen. „Anand hat einen extrem klaren und kompetenten Blick auf die Industrie, egal, ob es um KI geht oder um den massiven Boom im arabischen Raum. Er ist ein sehr guter Sparringspartner, extrem wertschätzend und auf Augenhöhe. Wer ihn im Umgang mit Kolleg:innen erlebt, würde nicht vermuten, welche Position er international hat.“ Und so, Winkler: „Er kann Visionen entwickeln, Menschen mitnehmen, sieht die Chancen und nicht die Hürden.“ Auf diese trifft man ohnehin. Anand hat in dem Geschäft auch Krisenzeiten erlebt. Erschüttert hat ihn eine: „Für die Pandemie hatten wir kein Krisenrezept. Wir lieben es, Hotels zu eröffnen, aber Hotels zu schließen über Nacht? In meiner Region wurden 80 Prozent der Hotels geschlossen, das war hart, sehr hart für die Menschen. Sich vor die Mitarbeitenden hinzustellen und sagen zu müssen: ‚Ihr habt bald vielleicht keine Arbeit mehr‘, war eine der härtesten Erfahrungen meiner Karriere.“ Echte Leadership offenbart sich im Krisenmanagement. Vermutlich als verspätete Lorbeeren erhält Anand heuer einen Preis als „Human CEO of the Year“, von dem er sich nicht erklären kann, womit er den verdient habe.

Mehr erzählen die Kommentare in seinem LinkedIn-Feed: kein pflichtschuldiger Schmeichel-Applaus für den Chef, sondern Fanpost. Anand erzählt da lieber, wie schön es ist, wenn andere Preise bekommen. Bei Marriott passiert das jährlich im Mai, dem Monat der Firmengründung. 15 Ausgewählte der 700.000 Mitarbeitenden erhalten Exzellenzpreise. Bei der Zeremonie ist die Marriott-Familie dabei. Der Sohn des Gründers, Kinder, Enkel und Urenkel jubeln mit: „Ich kenne kein Unternehmen, das so etwas macht, wenn es erst einmal so groß geworden ist. Jedes Mal, wenn ich dort bin, wird mir klar, warum ich hier arbeite. Manchmal habe ich Tränen in den Augen, weil ich mich so freue über das, was unsere Leute geleistet haben.“

Ob er auf seine Lebensleistung noch eins draufsetzen wird? Anand seufzt: „Langfristige Planung in eigener Sache war nie meins. Das Unerwartete ist immer auf mich zugekommen. In meinem Alter ist es erfüllend, die jungen Führungskräfte aufzubauen. Ich habe Mentees und halte Vorlesungen. Das ist mir wichtiger als meine Karriere.“ Und wie urlaubt ein Mann, der 180 Tage im Jahr auswärts schläft? „Das entscheidet meine Frau“, lächelt er, „sie liebt das Meer. Wir sind aber auch in den Alpen unterwegs. Und heuer waren wir mit unserer Tochter erstmals auf einer Safari.“ Kennengelernt hat er seine Herzdame am Semmering, was einen Teil der emotionalen Verbindung zu Österreich erklärt. „Schau dich nicht so um“, flüstert sie ihm beim Einchecken auswärts oft zu. „Da kann ich nicht anders, mir springen Details ins Auge. Seele und Teamgeist eines Hotels spürt man schon in der Lobby“, sagt er – und lächelt seinen Kolleg:innen im Vienna Marriott zu.

Das Marriott-Imperium

Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 26. 9. 2025 erschienen.

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