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Kalte Empathie: Die unterschätzte Macht im Management

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Empathisches Verstehen und Einfühlen ist Grundlage sozialer Intelligenz. Eiskalt kognitiv eingesetzt, maskiert kalte Empathie aber auch Manipulation und Machtstreben. Was wichtig ist, um nicht Opfer zu werden.

Oh, hehre Empathie. Kaum ein Anforderungsprofil, Mission Statement, Wertekatalog, Verhaltenskodex, keine Corporate-Governance-Richtlinie kommt ohne diesen Schlüsselbegriff der Sozialkompetenz aus. Moderne Führungsansätze fordern Empathie als Soft Skill von Führungskräften ein, auf dass sie Perspektiven und Handlungsmotive von Mitarbeitenden und Stakeholdern verstehen und Vertrauensverhältnisse aufbauen. Besonders laut tönt das Hohelied der Empathie aber oft dort, wo es nicht so ganz mit gelebten Firmen- und Führungskulturen harmoniert. Neben dem inflationären Einsatz als Worthülse hat wohl auch das viel zu einer kritischeren Betrachtung des Begriffs, der Grundlagen und Grenzen von Empathie beigetragen.

Michael W. Busch, Privatdozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Management und Leadership Development der FH Wiener Neustadt, beschäftigt sich schon lange intensiv mit dem Thema. Ein von ihm kürzlich im Fachjournal „Forschung & Lehre“ publizierter Beitrag auf Basis seiner wissenschaftlichen Arbeit lenkt den Blick gezielt auf einen wenig beachteten, oft unausgesprochenen Aspekt: die dunkle Seite der Empathie. Im deutschen Sprachgebrauch wird das Wort meist ausschließlich positiv im Sinne von Einfühlungsvermögen verwendet – sich in andere Menschen hineinzuversetzen, um zu verstehen, wie man sie unterstützen kann.

„Genau genommen beschreibt das aber nur einen Teil von Empathie – nämlich emotionale Empathie“, so Busch. Dieser stehe die kognitive oder kalte Empathie gegenüber: andere Menschen rational zu durchschauen, ihr Verhalten ­vorherzusehen und dieses Wissen gezielt einzusetzen. „Anders als emotionale Empathie, die Mitgefühl und Mitfreude umfasst, kann die kalte Variante auch zur strategischen Einflussnahme und Manipulation in Verhandlungssituationen, in Führungsrollen oder im digitalen Raum führen“, sagt Busch. „Es macht einen Unterschied, ob ich mein Gegenüber verstehen will, um zu helfen, oder um seine Schwächen für eigene Zwecke auszunutzen.“ Diese Unterscheidung sei für reflektierten Umgang mit Empathie im Beruf – und im Alltag – entscheidend.

Sein Fokus auf diesen Aspekt rührt auch von der nachhaltigen Beschäftigung mit der „dunklen Triade“ von Persönlichkeitsmerkmalen im Management: Machiavellismus, Narzissmus und Psychopathie. Pathologische Verhaltensmuster gefallener Managementhelden stehen seit Dotcom- und Finanzkrise immer wieder im Brennpunkt öffentlicher Empörung: Madoff, Middelhoff, Skilling (Enron), Tanzi (Parmalat), in jüngerer Zeit Bankman-Fried (FTX) oder Benko. Stürzte einer der vorher medial gefeierten Businesshelden tief, hieß der Befund dann oft: Mangel an Empathie. „Interessant ist, dass man das kaum je hörte, solange jemand erfolgreich war“, beobachtete Busch. Das zu verstehen, hilft die Betrachtung der Empathie von zwei Seiten: die Führungsforschung kennt durchaus die Ambivalenz von Charisma und Narzissmus. Die Grenzregion von selbstbewusstem und selbstherrlichem Verhalten fasziniert Medien wie Öffentlichkeit. „Gerade charismatische Blender sind hochempathische Wesen. Jedoch nicht in einem mitfühlenden, sondern einem strategischen, kalt berechnenden, manipulativen Sinn. Ihre Führungskunst ist eher als Verführungskunst zu begreifen, die zweifellos neben kognitiver auch soziale und emotionale Intelligenz erfordert“, erklärt der Führungsexperte.

Karriere-Booster

Berechnendes Vorgehen kennt dabei perfide Volten wie den manipulativen Appell kalter Machtmenschen an die Empathie anderer, um deren erwünschtes Verhalten im Sinne eigener Macht- und Karriereambitionen zu bewirken. „In rationalen Organisationen ist der Einsatz rationaler Empathie überlebensnotwendig“, gesteht Busch zu. Kalter Empathie begegne man etwa in Vorstellungsgesprächen, bei der Selbstvermarktung auf LinkedIn oder in Meetingdynamiken. Soziale Medien fördern zudem die selbstdarstellerische Attitüde.

Wie Busch sieht auch Patrizia Tonin, Organisationsberaterin und Vorstand der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS), Empathie mehrdimensional: „Es geht darum, die Balance zu finden. Unschön und gefährlich wird es dann, wenn kalte Empathie zur Manipulation aus egoistischen Motiven verwendet wird.“

Das durch Coaching zu unterstützen, sei konträr zur humanistisch-aufklärerischen Haltung als Basis der ÖVS. „Unser Beratungsverständnis hat immer auch die Organisation als Ganzes im Blick, nicht nur persönliche Interessen.“ Beide Experten plädieren dafür, sich mit der eigenen empathischen Haltung kritisch auseinanderzusetzen. Organisationsberaterin Tonin: „Es geht um das Überprüfen und Reflektieren des eigenen Zugangs und konkreten Verhaltens, um für sich, das Team und Organisationsziele funktional zu bleiben. Leadership verlangt diese Selbstreflexion.“ Voraussetzung dafür ist aber wohl schon eine recht gesunde Balance von rationaler und emotionaler Empathie.

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