So verändert Corona den Büromarkt
Viele Wiener Büro-Immobiliendeals wurden im ersten Halbjahr 2020 wegen Corona kurz vor dem Finale abgeblasen, bei Neuvermietungen von Büros werden Prioritäten neu gesetzt, sowohl was Fläche und Qualität der Büros betrifft. Wie Entwickler reagieren. Der große Büromarkt-Bilanz seit dem Ausbruch der Pandemie.
Büro-Objekte, wie myhive am Wienerberg, die mehr Platz für Kommunikation bieten und hochwertig ausgestattet sind, sind seit Corona besonders gefragt.
An der Oberfläche ist von einer Krise am Wiener Büroimmobilienmarkt nichts zu spüren. Mit einem Investitionsvolumen von 1,5 Milliarden Euro in Wien fiel die Höhe der Transaktionen nur etwas geringer als im selben Zeitraum des Vorjahres, was ein Rekordjahr war. Das liegt jedoch daran, dass ein großer Teil der Transaktionen schon vor dem Lockdown weit fortgeschritten war und während oder nach dem Lockdown final umgesetzt wurde. Mehrere große Objekte, wie der Austro Tower oder das Quartier Lassalle wurden im höheren dreistelligen Millionenbereich verkauft. Viele Mietverhandlungen wurden laut dem EHL-Büromarkt-Bericht aber unterbrochen, einige Unternehmen haben ihre Umzugspläne gestoppt oder aus Eis gelegt.
Die Ausgangslage ist jedoch günstig. Denn in den vergangenen Jahren ist die Leerstandsrate kontinuierlich von über sechs Prozent auf aktuell 4,7 Prozent gesunken. Die Zahl der entstehenden Büros ist seit 2016 gesunken und war im ersten Halbjahr 2020 mit 160.000 Quadratmeter genau halb so hoch wie im Vergleichszeitraum 2016 (siehe Grafik). Die Durchschnittsmieten steigen sogar leicht, jene von Topmieten sind stabil.

Die Zahl der neu gebauten Büroflächen in Wien ist in den letzten Jahren merklich zurückgegangen und damit auch die Leerstandsraten.
Neue Arbeitsplatzkonzepte führen zu geringerem Flächenbedarf
Auch Mietinteressenten, die sich schon in fortgeschrittenen Gesprächen befinden, überdenken derzeit ihren tatsächlichen Flächenbedarf an potenziellen neuen Standorten. Neue Arbeitsplatzkonzepte werden entwickelt, wofür mitunter weniger Flächen als bisher benötigt werden, stellt EHL fest. Um sogenanntes Remote Working zu etablieren, sind schließlich weniger fixe Büroarbeitsplätze nötig.
Klein- und Gruppenbüros lösen Großraumbüros ab
Gleichzeitig ist aber insbesondere bei mittleren und großen Unternehmen ab etwa 150 Mitarbeitern ein gegenläufiger Trend zu erkennen: Mit Klein- oder Gruppenbüros statt Großraumstrukturen sollen Infektionsrisiken minimiert werden, diese erfordern aber insgesamt mehr Fläche.
Weniger Schreibtische, mehr Platz für soziale Räume
Beide Entwicklungen gleichen sich oft aus. Die geringere Anzahl von fixen Arbeitsplätzen wird räumlich anders strukturiert und mit attraktiven Allgemein- und Kollaborationsflächen ergänzt. Das physische Büro wird in Zukunft viel stärker als bisher zu einem Ort des Austausches werden und soll mit qualitativ hochwertigen modernen Bürokonzepten die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen stärken.
Das Büro soll damit als Arbeitsplatz nicht überflüssig werden. Sozialer Kontakt und Interaktion der Mitarbeiter bleiben unverzichtbar. „Es ist daher auch in den nächsten Jahren nicht damit zu rechnen, dass es der Flächenbedarf signifikant sinkt“, so der Büromarktreport.
Nachfrage nach top-sanierten Büros gestiegen
Nicht nur bei der Fläche und der Aufteilung der Büros verändert sich durch Corona auch der Anspruch an die Qualität der Büros. So waren im ersten Halbjahr hochwertig sanierte Büroobjekte stark gefragt. Von den 160.000 Quadratmetern, die im ersten Halbjahr fertiggestellt wurden, waren rund 20 Prozent solcher Refurbishments. Dazu zählten in Wien das Haus am Schottentor, die Bürostandorte am Wienerberg, in der Ungargasse und sanierte Stilaltbauten in der Opern- und Walfischgasse.
Top-Objekte erzielen höhere Preise als 2019
Insgesamt ist das Interesse der Käufer seit Corona deutlich gewandelt: „Objekte in guter Lage mit hochwertiger technischer Ausstattung, die eine langfristige Verwertung an Mieter bester Bonität versprechen, sind laut der Analyse von Büroimmobilienspezialist EHL weiterhin stark gefragt. Bei diesen akzeptieren Käufer sogar höhere Preise als 2019. Die Spitzenrenditen liegen bei nur mehr drei Prozent. „Hohe Nachfrage und geringes Angebot für Spitzenobjekte werden die Renditen dafür weiter unter Druck bringen“, so die EHL-Prognose. Die besten Preise werden laut EHL-Bericht für langfristig an die öffentliche Hand oder staatsnahe Unternehmen vermietete Objekte erzielt.
Risiken wiegen schwerer als vor der Krise
Risiken wie Leerstände, auslaufende Mietverträge, schlechte Lage oder technische Ausstattung, werden im aktuellen Marktumfeld hingegen tendenziell stärker oder überbewertet, was zu einem deutlichen Anstieg des Renditeabstands zwischen Topobjekten und den nachgelagerten Qualitätsbereichen auf bis zu 200 Basispunkte führt, so das Ergebnis des EHL-Berichts.
In den nächsten Jahren deutlich weniger neue Objekte
Entwickler sind wegen der schwachen Konjunkturaussichten bei Neuprojekten deutlich zurückhaltender. Damit werden 2021 und vor allem in den Jahren danach spürbar weniger Bürogebäude fertiggestellt werden. Das Angebot an zum Verkauf stehenden Objekten wird daher gering bleiben und der limitierende Faktor für das Marktvolumen sein.
Top-Adressen für Investitionen wegen Niedrigzinsen weiter gefragt
Gleichzeitig sorgt die nach heutigem Wissensstand noch für mehrere Jahre zu erwartende Niedrigstzinspolitik der EZB für eher noch steigendes Interesse an möglichst sicheren Investitionen in Top-Immobilien. Diese Kombination wird im Spitzensegment zu tendenziell weiter steigenden Preisen führen, da der Abstand zu den Renditen von Staatsanleihen ausreichend groß ist.
Käufer wieder verstärkt Österreicher und Deutsche
Eine spürbare Verschiebung gibt es seit Beginn der Coronakrise bei der Herkunft der Käufer. Nachdem mehrere Jahre lang internationale Investoren, insbesondere aus Asien, Marktanteile gewonnen haben, wird der Markt nun wieder lokal und ist von deutschen und österreichischen Käufern geprägt.