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Pierer, Benko, Maculan, Meinl: Gefallene Helden

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Die Geschichten über Aufstieg und Absturz von Unternehmer-Stars sind bunt wie das Leben. Manche haben sich ehrenhaft übernommen, andere haben zu viel gezockt. Und bei einigen ist auch ein gehöriges Maß an krimineller Energie im Spiel.

Alexander Maculan: Ein Sir ist er geblieben

Der trend schrieb 1979, er sei der einzige Bauunternehmer, „der ohne politische Bindungen Milliardenaufträge – vom AKH bis zur UNO-City – an Land ziehen“ kann. Als Millionenerbe schon in jungen Jahren hatte Alexander Maculan freilich einen Startvorteil.

Der Wiener war aber auch eine starke Persönlichkeit: Österreichs bester Golfer, Netzwerker, Ferrari-Fahrer, beliebt bei Mitarbeitern und Betriebsrat. Ein Investment in den „Kurier“ verband er mit der Hoffnung, „dass die Zeitung nach links und rechts Schläge austeilen“ werde.

Maculan war der Ost-Pionier der Baubranche, einer der ersten ausländischen Investoren in der Ex-DDR, wo er schon 1992 sechs Unternehmen besaß. Er nutzte die Aufbruchstimmung und war auch in Russland tätig. Der Maculan-Konzern verdreifachte seinen Umsatz zwischen 1987 und 1992 und ging 1990 an die Börse.

Fünf Jahre später wurde jedoch offenkundig, dass sich Maculan durch das extreme Wachstum in Deutschland übernommen hatte. Sanierungsversuche scheiterten letztlich. 1996 folgte der bis dahin zweitgrößte Konkurs der Republik. Die Gruppe wurde zerschlagen.

Der heute 84-Jährige verschwand weitgehend aus der Öffentlichkeit. Mit Baustoffen und Holz in Osteuropa, als Hotel- und Kaffeehausbesitzer baute er eine kleine, aber feine Firmengruppe auf. Und  blieb im Unterschied zu anderen Pleitiers ein Sir im besten Wortsinnn.

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Alexander Maculan

 © Johannes IFKOVITS/CONTRAST

André Rettberg: Mit der Dotcom-Blase geplatzt

Der Ruhm des Unternehmers André Rettberg währte kaum fünf Jahre. Seit 1984 Geschäftsführer von Libro, schlug 1997 seine große Stunde. Mit Finanzchef Bruno Knöbl und Finanzpartnern, vor allem der UIAG, übernahm er im Zuge eines Management-Buy-outs die mäßig erfolgreiche Kette mit damals 220 Filialen von der Wlaschek-Privatstiftung.

Der Gang nach Deutschland und der Kauf der Buchhandelskette Amadeus waren die ersten Expansionsschritte. Doch rasch setzte der gebürtige Holländer als Frontrunner voll auf den beginnenden Internet-Boom. Er gründete die Tochter Lion.cc, um sie als Pendant zum Onlinebuchhändler Amazon zu positionieren und wollte mit LibroTel groß in den Mobilfunk einsteigen. Und weil zu dieser Zeit alles vergoldet wurde, was irgendwie mit Dot.com zu tun hatte, schaffte er Ende 1999 den Börsengang zu einer Bewertung von umgerechnet 700 Millionen Euro – fast das Dreifache des Jahresumsatzes. Rettberg ließ sich auch dank exzessiver Medienarbeit als Starsanierer feiern und wurde „Manager des Jahres“ im Magazin NEWS.

Schon 2001 platzte die Blase. Libro musste zuerst in Ausgleich und dann in Konkurs. Die Justiz ermittelte gegen Rettberg & Co. und stellte fest, dass „die Aktie schon zum Ausgabezeitpunkt praktisch wertlos“ war. Zudem stellte sich heraus, dass viel Geld in die Taschen der Alteigentümer geflossen war, jenes, das die Telekom Austria für ein Viertel von Libro bezahlt hatte. 2008 wurde Rettberg, heute 68, wegen betrügerischer Krida und 2011 wegen Untreue verhaftet. Absitzen musste er von der Strafe nur acht Monate.

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André Rettberg

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Julius Meinl: Der Lockruf des Geldes

Großer Name, lange Tradition: Aber Julius Meinl V. wollte von Handel und Kaffee nicht viel wissen, sondern so richtig Geld mit der Meinl Bank verdienen. Und verstrickte sich dabei tief in Finanzskandale. 

Berühmt und berüchtigt wurde die Meinl European Land (MEL), eine Immobiliengesellschaft, die 2002 an der Wiener Börse platziert wurde und sich an private Kleinanleger richtete. Die MEL-Zertifikate, die Meinl irreführend als mündelsicher anpries, wurden fleißig gekauft. Der Kurs der Papiere stieg kontinuierlich – auch weil er im Verborgenen gestützt wurde. 2008 brachte die Finanzkrise das Konstrukt zu Fall. Der Wert der MEL, kurz zuvor noch mit 4,5 Milliarden Euro angegeben, stürzte ins Bodenlose.

Julius Meinl V. wurde verhaftet und musste 100 Millionen Kaution hinterlegen. Betrugs-Ermittlungen wurden 2024 eingestellt.

Die Meinl Bank organisierte unterdessen etwa Finanzströme zwischen Osteuropa und Steueroasen. 2019 wurde sie in Anglo Austrian Bank umbenannt, bevor sie auf Betreiben der EZB die Lizenz verlor. Das wurde angefochten, bevor Insolvenz und Liquidation das Kapitel endgültig beendeten. Die 2011 an die Odebrecht-Gruppe verkaufte Meinl Bank Antigua spielt eine zentrale Rolle im Mega-Schmiergeld-Skandal des brasilianischen Baukonzerns. 

Julius Meinl, 68, der auch britischer Staatsbürger ist, lebt heute in Prag.

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Julius Meinl

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Helmut Elsner: Hochmut vor dem Fall

Ein Telefax eines anonymen Absenders, das 1994 in der Wirtschaftsredaktion von NEWS einlangte, wurde zur Megastory: Die Karibik-1-Affäre der Bawag, die 20 Milliarden Schilling außerhalb der Bilanz in Übersee-Spekulationen investiert hatte, nahm ihren Lauf. Obwohl seit 1987 umgerechnet 290 Millionen Euro Gewinne angefallen waren, stoppte man die Geschäfte nach der Aufdeckung. Helmut Elsner, der wenig später vom Stellvertreter zum General aufrückte, nahm sie 1995 klammheimlich wieder auf.

Der Gewerkschaftsbanker genoss seine Macht und den luxuriösen Lebensstil, ließ sich allerorts hofieren und agierte mit einem gerüttelt Maß an Selbstherrlichkeit. Bis 2006: Da flogen die Karibik-2-Geschäfte auf – und im Unterschied zum ersten Mal waren nun 1,9 Milliarden Euro bei Zins- und Währungsspekulationen verzockt worden.

Aus der Affäre wurde ein handfester Skandal. In den zwei Bawag-Prozessen 2008 und 2012 fasste Helmut Elsner zehn Jahre Haft aus, von denen er gesundheitsbedingt allerdings nur einen Teil absitzen musste.

Der Banker war übrigens der Einzige, der einen NEWS-Journalisten zu bestechen versucht hatte: für den Namen des „Karibik-Fax-Informanten“. 

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Helmut Elsner

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Mikro Kovats: Industrieller und „Mini-Heuschrecke“

Den rücksichtslosen Kapitalisten gab Mirko Kovats gerne, wie es den Anschein hat. Nach dem Wirtschaftsstudium verdingte er sich als Osthändler, investierte in Diskotheken, die überwiegend in Konkurs gingen, und hatte immensen Hunger nach Anerkennung. Ab 1997 sah er seine Stunde gekommen: Der Wiener kaufte mit Krediten marode Unternehmen wie die Maschinenfabrik Emco, ATB, den Anlagenbauer AE&E und die Montanwerke Brixlegg. Die Holding A-Tec umfasste nach und nach an die 70 Beteiligungen und ging – für ihn und Partner Ronny Pecik gewinnbringend – 2006 an die Börse. Zuvor hatten die beiden schon mit Kauf und Verkauf eines VA-Tech-Anteils guten Profit gemacht.

Kovats ließ sich als Großindustrieller und Sanierer feiern, war zu dieser Zeit auch Stammgast auf den Wirtschaftsseiten der Medien. In Wahrheit aber war er ein Finanzjongleur. Im Oktober 2010 musste die A-Tec Insolvenz anmelden. Kovats, 77, wurde in mehrere Strafverfahren verwickelt. Versuche, die A-Tec danach neu aufzustellen, scheiterten. An der „Mini-Heuschrecke“, wie Ex-Erste-Boss Andreas Treichl ihn einmal bezeichnet hatte, störte Mirko Kovats wohl vor allem das „Mini“. 

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Mirko Kovats

 © Trend Michael Rausch-Schott

Markus Braun: Die Story vom Opfer

Der Aufstieg von Markus Braun, 56, blieb in Österreich lange relativ unbeachtet. Um 2000 wurde der Wiener Chef des deutschen Start-ups Wirecard, das nach dem Börsengang 2005 seine digitalen Zahlungsdienstleistungen global ausrollte.

Besonders lukrativ schien das Geschäft mit Drittpartnern, über die hohe Umsätze mit dubiosen Kunden etwa aus der Glücksspiel- oder der Pornobranche verbucht wurden, vor allem in Dubai und in Singapur. 2018, bei Aufnahme in den DAX, war Wirecard plötzlich mehr wert als die Deutsche Bank. „Unser Ziel ist jetzt, der größte DAX-Konzern zu werden“, tönte Braun selbstbewusst. Sogar Ex-Kanzlerin Angela Merkel suchte seine Nähe: Endlich hatte Deutschland einen neuen Tech-Star! Und Ex-Kanzler Sebastian Kurz holt ihn in sein Beratergremium Think Austria.

Brauns Absturz kam mit Getöse. Im Juni 2020 stellte sich heraus, dass 1,9 Milliarden Euro auf philippinischen Treuhandkonten nicht existieren. Der Konzern brach zusammen. Seit fünf Jahren sitzt der gefallene Held in U-Haft. Die Schuld schiebt er auf den österreichischen Ex-Vorstand Jan Marsalek, mittlerweile ein in Moskau untergetauchter russischer Spion. Im Prozess widersprechen jedoch die meisten Zeugen Brauns Darstellung vom Opfer einer betrügerischen Verschwörung.

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Markus Braun

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René Benko: Hall of Shame

27,6 Milliarden Euro an Verbindlickeiten: Damit stellte René Benko einen Landesrekord auf, der lange halten wird.

Was er in 20 Jahren erreichte, macht trotzdem Eindruck. Der frühere trend-„Mann des Jahres“ hätte es in die Hall of Fame geschafft, wäre nicht seine Großmannssucht im Weg gestanden. „Signa soll eine Industrie- und Beteiligungsholding sein, ähnlich wie die der Familien Agnelli, Oetker oder Reimann“, formulierte er im trend seinen Anspruch, zum europäischen Geldadel zu gehören. Dafür war ihm jedes Mittel recht: immer mehr Geld von Investoren, institutionellen Anlegern und Banken, Expansion in Retail und Medien. Wenn es sein musste, wurden Immobilien mehrfach belehnt oder Geldverschiebungen in seinem undurchsichtigen Konzern als wundersame Eigenkapitalvermehrung dargestellt. Zur Schau gestellter Luxus – Yacht, Privatjets, Villen, Jagden – lockte reiche Geldgeber an. Für einen Spitzenplatz im trend-Reichsten-Ranking präsentierte er persönlich ausführliche – später als geschönt erkannte – Zahlen.

Die Immo-Krise ab 2022 brachte das Pyramidenspiel zu Fall. Seit Ende 2023 überrollt die Konkurslawine seine Gruppe. Benko sitzt seit acht Monaten in U-Haft und landete in der „Hall of Shame“. Erste Prozesse gegen ihn starten demnächst.

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René Benko

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Stefan Pierer: Der Lack ist ab

Insolvente Betriebe standen am Beginn von Stefan Pierers Karriere, als er ab 1987 mit seiner Cross Industries durchaus erfolgreich als Käufer und Sanierer auftrat. 1992 erfolgte die Übernahme der oberösterreichischen Motorrad-Marke KTM, die sich als Coup erweisen sollte. Der steirische Diplomingenieur führte sie in lichte Höhen, wurde mit perfektem Marketing, Design und Red-Bull-Kooperationen zum größter Zweirad-Hersteller Europas, Rennsporterfolge inklusive.

Pierer, 68, wurde bejubelt, war „Mann des Jahres“ und einer der einflussreichsten Industriellen des Landes. Als wortgewaltiger OÖ-Industriepräsident prangerte er Missstände in der Politik an, „die Dinge schönredet, um sich Reformen zu ersparen“ – und tat genau das selbst, als es galt, einen Abschwung bei KTM zu managen.

Die Insolvenz Ende 2024 überraschte selbst Insider. KTM hatte – in der Hoffnung auf das Anspringen der Nachfrage – eine Viertelmillion Motorräder zu viel produziert und den Händlern vorfinanziert. Die Schulden waren nicht mehr zu stemmen. Der indische Partner Bajaj machte Hunderte Millionen Euro zur Rettung locker und hat jetzt das Sagen. Pierer wird bei KTM bald Geschichte sein. Ein reicher Mann ist er mit -Beteiligungen an Pankl, Rosenbauer und Leoni immer noch. Aber der Lack ist ab.

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Stefan Pierer

 © Format Franz Neumayr

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