
Walter Oblin
©trend/Lukas IlgnerNach knapp einem Jahr im Amt fordert Post-Chef Walter Oblin schnellere Deregulierung, lässt 100 SB-Filialen vor Spar-Supermärkte bauen und denkt an Expansion in neue Märkte.
Ende dieses Monats begeht Walter Oblin sein einjähriges Jubiläum als Boss der Österreichische Post AG. Fürs erste Halbjahr präsentierte er respektable Zahlen angesichts des schwierigen Marktumfelds: 1,1 Prozent Umsatzrückgang auf knapp 1,5 Milliarden Euro. Umso mehr setzt der frühere McKinsey-Berater konsequent auf Technologie: „Die Postindustrie befindet sich im Umbruch, und trotz wachsenden Paketmarkts ist es nicht selbstverständlich, dass man vorne mit dabei ist. Unsere großen Kunden sind Technologiekonzerne wie Amazon, Temu oder Zalando. Da müssen wir mithalten. Das heißt konkret: modernste Sortieranlagen, Digitalisierung der Kundenschnittstelle mit der Post-App – einer der meistgenutzten Apps des Landes – und Einsatz von Robotik. Unser Robin, wie wir ihn nennen, hat im Logistikzentrum in Wien bereits weit über eine Million Pakete sortiert.“
Künstliche Intelligenz hat Einzug gehalten, um optimale Zeitfenster für die Paketzustellung vorherzusagen und Mengen-Forecasts auf lokaler Ebene zu erstellen. Oblin: „Und wir beginnen, KI auch an der Schnittstelle zum Konsumenten einzusetzen. Wir arbeiten an Chat- und Sprachbots, wollen aber die Kunden nicht als Versuchskaninchen benutzen, sondern sie nur mit reifen Lösungen konfrontieren.“
Amazon ist der größte Kunde der Post und gleichzeitig auch ein starker Konkurrent. „Der fordert uns jeden Tag. Aber wir sind mit 1.100 IT-Experten im Haus ein technologisch starkes Unternehmen, investieren pro Jahr ungefähr 150 Millionen in moderne Systeme und können in diesem herausfordernden Wettbewerb bestehen.“
Oblin fordert radikale Deregulierung
Der CEO würde die Post auch an der Börse gerne mehr als Technologiekonzern positionieren – was sich in der Bewertung aber nicht ausdrückt. „Natürlich hilft uns da nicht, dass unser Kerngeschäft, der Brief, mit sieben bis acht Prozent schrumpft. Wir wachsen jedoch sehr stark im Rest des Portfolios und sind ein Fels in der Brandung der europäischen Postindustrie. Die britische Royal Mail wurde gerade von einem tschechischen Milliardär übernommen. In Dänemark wird die Briefzustellung eingestellt. Und die niederländische Post hat einen herben Verlust veröffentlicht. Wir haben im Vergleich zu unseren Peers durchaus eine Bewertungsprämie, aber Luft nach oben, wenn man auf Tech-Unternehmen schaut.“
Ein anderer Wunsch von Walter Oblin sind radikalere Deregulierungsschritte zur Entlastung der österreichischen Wirtschaft – auch der Post. Das Postmarktgesetz aus 2009 sei nicht mehr zeitgemäß. Ein zentraler Punkt ist die vorgeschriebene Zahl der Postgeschäftsstellen, wobei Selbstbedienungslösungen regulatorisch nicht anerkannt werden. „Da braucht es ein Umdenken. Letztes Jahr wickelten Kunden 32 Millionen Sendungen selbst ab. Und wir sind als einziges reguliertes Unternehmen in einem Wettbewerb mit nicht regulierten ausländischen Konzernen. Wir stoßen auf Verständnis bei den politischen Stakeholdern und hoffen auf eine Modernisierung in den nächsten Monaten.“
In einer neuen Kooperation mit der Spar-Gruppe wird die Post „als Baustein einer großen SB-Initiative“ in nächster Zeit schon einmal 100 Poststationen vor deren Supermärkten errichten.
Laut Oblin zog sich der Logistikkonzern wegen aufwendiger Regulierungen bereits aus Geschäften zurück, etwa aus der Bereitstellung von Zielgruppendaten für den Handel, wie sie von Meta oder TikTok sehr wohl angeboten werden. „Wir haben auch die Geschlechtsansprachen in unseren kundenführenden Systemen gelöscht, weil wir den Aufwand, ein drittes, viertes, fünftes, sechstes Geschlecht zu verankern, leider wirtschaftlich nicht rechtfertigen können.“
Ost-Expansion geplant
Ein Hauptwachstumstreiber in den kommenden Jahren wird die internationale Expansion sein. Die Post besetzt heute eine Region mit 150 Millionen Menschen in Österreich, Osteuropa und der Türkei – „wobei es noch weiße Flecken gibt, beispielsweise Rumänien oder das eine oder andere Land am Balkan. Alle diese Märkte haben noch Wachstumspotenzial im E-Commerce und damit im Paketgeschäft.“
Über die türkische Tochter Aras Kargo ist außerdem der Vorstoß weiter nach Osten geplant. Oblin nennt etwa „Usbekistan oder Aserbaidschan, wo wir vorsichtige Expansionsschritte machen. So wie in Georgien und vielleicht zukünftig auch einmal in Syrien und dem Irak. Das sind alles interessante Märkte, die noch nicht verteilt sind.“
In einen hoch entwickelten Markt, den USA, hat die Post die Annahme von Warensendungen aktuell so gut wie eingestellt, nachdem Präsident Donald Trump die Zollfreigrenze auf null setzen ließ und die Gebühr nicht vom Empfänger, sondern vorab bezahlt werden muss. „Die USA hat die dafür notwendigen Systeme nicht bereitgestellt“, erklärt Oblin: „Sobald das der Fall ist, nehmen wir wieder an.“
Zur Person
Walter Oblin, 56, startete als Berater bei McKinsey und trat 2009 in die Post AG ein. Seit Oktober 2024 ist der Wirtschaftsingenieur (TU Graz) CEO der Post – mit Fokus auf Technologie.
Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 5. September 2025 erschienen.