
Neo-CEO Ottel hat neben Wirtschaft auch Maschinenbau studiert, seine Technikleidenschaft kann er bei Feuerwehrfahrzeugen nun ausleben.
©trend/Lukas IllgnerEin Manager, der niemanden kalt lässt: Nach 27 Jahren Voestalpine schmiss der langjährige Finanzchef Robert Ottel ohne Plan B hin. Nun ist er CEO beim Feuerwehrausrüster Rosenbauer – und wird schon als künftiger Voestalpine-Aufsichtsratschef gehandelt.
Selbst nach mehr als zwei Jahrzehnten fremdelt Robert Ottel mit seiner Wahlheimat noch immer ein wenig. „Oberösterreich ist sehr oberösterreichisch“, räsoniert der in Wien Aufgewachsene staubtrocken: „Ich kann die Landeshymne ‚Hoamatlaund‘ singen, aber das macht mich noch nicht zum Oberösterreicher.“
Er selbst ist ins Land ob der Enns gezogen, um bei der Voestalpine in Linz anzudocken, wo er eine glänzende Karriere hinlegte, ab 2005 als Finanzvorstand. „Er ist zu einer eigenen CFO-Topmarke geworden“, schwärmt der neue Chef der RLB OÖ, Reinhard Schwendtbauer, der als langjährig zuständiger Vorstand die Bankbeteiligung Voestalpine stets genau im Blick hatte: „Scharfer Verstand, starke analytische Fähigkeiten, und wenn es notwendig ist, auch sehr direkt.“
Vielleicht ist Ottel gerade deswegen weder in Oberösterreich ganz angekommen noch an der Spitze des Stahlriesen: Er eckt an, ist unbequem, polarisiert. Dass er gerne Nummer eins geworden wäre, verhehlt er nicht: „Ich wäre bereit gewesen, die Nachfolge von Wolfgang Eder anzutreten, und ich hätte es mir zugetraut.“ Das Rennen machte Herbert Eibensteiner, und Ottel schmiss vor zwei Jahren zur Überraschung aller nach 27 Jahren im Konzern hin – ohne Plan B.
Angeheuert hat der 58-Jährige nun als CEO bei einem Unternehmen, das ebenso wie die Voestalpine börsennotiert ist, aber mit 1,5 Milliarden Euro Umsatz und weltweit 4.600 Mitarbeiter:innen nur ein Zehntel der Voestalpine-Größe erreicht: beim Feuerwehrausrüster Rosenbauer, Hauptsitz in Leonding nahe Linz.
Aufwärtstrend bei Rosenbauer
Die neuen Eigentümer des zuletzt krisengeschüttelten RosenbauerKonzerns, ein Konsortium rund um Mark Mateschitz, Ex-KTM-Chef Stefan Pierer und RLB Oberösterreich, geben sich überzeugt, mit Ottel den „Mr. Right“ gefunden zu haben. „Ich bin froh, dass er bei der Voestalpine nicht zum Zug gekommen ist“, frohlockt Pierer, er vertraue auf dessen Fähigkeiten als Finanzer. „Er hat den Auftrag, dieses wichtige Unternehmen langfristig weiterzuentwickeln“, fügt Schwendtbauer hinzu.
Die jüngsten Zahlen geben Anlass zur Hoffnung, dass es beim traditionsreichen Hersteller von Fahrzeugen und sonstigem Equipment für Feuerwehren nach verlustreichen Zeiten schon bald „Brand aus“ heißen könnte. Wegen der weltweit wachsenden Investitionen in Sicherheit sind Löschfahrzeuge hoch im Kurs, der Auftragspolster ist zuletzt wieder kräftig gewachsen. „Je wohlhabender die Gesellschaften sind, umso mehr Werte gibt es zu schützen. Das ist ein Wachstumstreiber“, wähnt sich der neue CEO im richtigen Gefährt: „Investitionen in Feuerwehren sind wie eine Versicherungsprämie.“
Wäre es da nicht ein logischer nächster Schritt, wie der US-Konkurrent Oshkosh auch stärker ins Militärgeschäft einzusteigen? Immerhin hat Rosenbauer 2024 bereits mit der Deutschen Bundeswehr einen Rahmenvertrag zur Lieferung von bis zu 60 Löschfahrzeugen für Militärflughäfen geschlossen.
Ottel horcht bei solchen Fragen auf und antwortet diplomatisch treffsicher. „Es geht darum, zu löschen und nichts Aggressives zu machen. Rosenbauer ist defensiv, Leben retten, passiv. Aus dieser Firmenphilosophie, aber auch aus der Komplexität von Exportgenehmigungen aus einem neutralen Land heraus macht es Sinn, dass wir uns auf die Märkte konzentrieren, die wir beherrschen.“ Wichtiger Nachsatz: „Wir werden aber sicher von den steigenden Ausgaben im Rahmen von ‚Readiness 2030‘ (EU-Verteidigungsinitiative, Anm.) profitieren.“
Die größten Wachstumschancen sieht er in Zeiten der Zollkonflikte mit Donald Trump ausgerechnet in den USA, wo Rosenbauer mit drei Werken vertreten ist und als Dritter am Markt noch Aufholpotenzial hat.
Von CFO zu CEO
Der Rollenwechsel vom CFO eines Stahlkonzerns zum CEO eines Fahrzeugherstellers sollte ihm der Papierform nach nicht schwer fallen. Ottel hat neben Betriebswirtschaft an der WU Wien auch Maschinenbau an der TU Wien studiert, in seiner Voestalpine-Frühphase war er in der Automotivsparte der Linzer tätig.
Seinen ersten Job nach dem Studium hatte er jedoch bei Haas Waffelmaschinen. Diese Expertise brachte ihm ab 2006 auch ein Aufsichtsratsmandat beim Waffelerzeuger Manner ein. Manner-Vorstand Hans Peter Andres erinnert sich an Ottel als jemand, der dem Familienpatriarchen Carl Manner „mit Geduld und Einfühlsamkeit, aber auch Beharrlichkeit, klarer Zahlensprache und Härte“ begegnete: „Wenn er trotz guter und richtiger Argumente nicht gehört wurde, ging er Konflikten nicht aus dem Weg.“
Das gezeichnete Bild vom unbequemen Ottel, der im Aufsichtsrat offen Probleme ansprach und Kritik übte, kontrastiert jedoch merkwürdig mit einer hohen Empfindlichkeit in eigener Sache. Andres: „Er reagiert eher mimosenhaft, wenn er selber kritisiert wird.“
In der Voestalpine lief es ähnlich. Seine eigenen Teams hatte er immer hinter sich, viele verehrten ihn als „schrägen Vogel im positiven Sinn“, wie ein langjähriger Mitarbeiter sagt. In der Vorstandsetage jedoch krachte es häufig. Als der damalige Boss Eder 2007 ein großes Stahlwerk in Rumänien ins Visier nahm („Projekt Edelweiß“), war es Ottel, der sich in der Vorstandssitzung der Stimme enthielt. Jahre später stimmte er einer Großinvestition in eine neue Eisenschwamm-Fabrik im texanischen Corpus Christi zwar zu. Mit ausufernden Baukosten sorgte das 2015 eröffnete Werk jedoch für wachsende Spannungen insbesondere zwischen Eder und ihm.
Publizistisch schlugen sich die „Oberösterreichischen Nachrichten“ auffällig oft an Ottels Seite: „Mit Aufsichtsratschef Eder bleibt die Vergangenheit, die Zukunft geht“, kommentierte die Zeitung anlässlich seines Abgangs.
Keiner der beiden Manager will sich zu diesem Thema äußern.
Beim trend-Besuch in Leonding lässt sich Ottel nicht anmerken, dass er nun kleinere Brötchen bäckt. Er hat keinen Chauffeur mehr, und um wie viel weniger er verdient, wird erst mit dem nächsten Rosenbauer-Vergütungsbericht klar sein. 2024 erhielt der dreiköpfige Rosenbauer-Vorstand weniger als Ottel alleine als CFO in seinem letzen Jahr 2023/24, wo er rund zwei Millionen Euro verdiente. Dazu kam eine Abfindung in Höhe von drei Millionen Euro. Und zusätzlich wird er sich dank Altvertrags auch über eine satte Betriebspension freuen können.
Zukunftsaussichten
Materiell fällt er also nicht ins Bodenlose – dennoch ging es dem Vater von drei Kindern, Liebhaber von Designsesseln und leidenschaftlichen Fan der Johann-Sebastian-Bach-Interpretationen von Vikingur Ólafsson um mehr. Er will sich, aber auch den Voestlern, ja den Oberösterreichern beweisen, dass er die Nummer eins kann. Die starke Achse zu Schwendtbauer, der eben in den Voestalpine-Aufsichtsrat eingezogen ist, sollte in seiner neuen und in künftigen Rollen jedenfalls nicht schaden. Es machen bereits erste Spekulationen die Runde, die Ottel als möglichen Aufsichtsratschef des Stahlriesen und damit Nachfolger von Eder sehen. „Es gibt keine wie immer gearteten Diskussionen dazu“, antwortet Schwendtbauer geschmeidig auf eine entsprechende trend-Frage.
Bei den Feuerwehrlern fühlt sich Ottel fürs Erste gut aufgehoben, sein Hang zu Technik findet hier eine blühende Spielwiese. „Eine positive Überraschung nach meinen ersten Monaten als CEO ist die Emotionalität und die Identifikation mit dem Produkt, die ich im Unternehmen vorgefunden habe. Jeder ist stolz auf Rosenbauers Beitrag zur Leistung der Feuerwehren“, sagt er.
Man kann aber darauf wetten, dass über Rosenbauer hinaus in den nächsten Jahren von ihm zu hören sein wird – und dass er mit Sicherheit niemanden dabei kalt lassen wird.
Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 5. September 2025 erschienen.