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Kundenzentrierung statt Kostenwahn: Warum CX der vergessene Wachstumshebel ist

In Kooperation mit Top Service Österreich
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CX ist nicht tot, sie wird nur oft falsch angepackt: Statt Effizienz und Tool-Hype braucht es echte Kundenzentrierung als Wachstumshebel. Dr. Christian Rauscher zeigt drei Stellhebel, die wirken: klare Strategie mit Fokus, eine gelebte Kultur des Lernens und ein individueller Blick auf Mitarbeiter:innen wie Kund:innen. Entscheidend ist am Ende die Steuerung: Wer CX ernst nimmt, misst, benchmarkt und verbessert systematisch.

Zwei Erlebnisse in den letzten Wochen: zuerst die Deloitte Leadership Survey 2025 mit der Aussage < 82 Prozent der Unternehmen hierzulande befinden sich in einer Transformation>. “Cool” denke ich – endlich angekommen, dass wir uns wandeln dürfen. Doch dann verblasst meine Freude. Die Hauptziele der Transformation? Effizienzsteigerung. Kosteneinsparungen. Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. Wichtig, keine Frage, doch Kundenzufriedenheit kommt mit deutlichem Abstand. Interner Fokus als Rezept gegen die Krise? Echt jetzt? Dazu passt die Aussage eines Bankvorstandes: „Customer Experience ist doch Zeitverschwendung. Wir sind froh, wenn wir die Regulatorik packen. Unsere Projekte kommen nicht in Wirkung und Kunden sind sowieso nicht zu begeistern. Auch das neue CRM hat nichts verändert." Ich halte inne. CX ist nicht tot – es wird falsch angepackt, denn CX ist kein digitales Tool. Wer die essenziellen Grundlagen missachtet, wird enttäuscht. 

„Customer Experience ist doch Zeitverschwendung."

Letzte Woche, Workshop in einer Bank, es geht um die strategischen Weichen für die Zukunft. Eine Mischung aus Resignation und Müdigkeit macht sich breit. „Unsere Projekte kommen nicht in Wirkung. Überall aufgerissene Baustellen. Wir sind getrieben von ständig neuen regulatorischen Anforderungen und froh, wenn wir das implementieren können, was gesetzlich gefordert wird. Kunden sind sowieso nicht zu begeistern. Die neue CRM hat nichts verbessert." Ich musste erst mal durchatmen. Denn genau dieser Frust zeigt das eigentliche Problem: CX ist nicht tot. CX wurde nur nie richtig praktiziert. Wer hofft, dass ein neues technisches Tool die Welt verändert, der muss enttäuscht werden. Eine Schaufel baut kein Haus, ein Bagger auch nicht, obgleich beides hilfreich ist!  

Das Problem heißt Kundenanamnese und Silodenken

Lass mich konkret werden: Wenn ich bei einer Onlinestrecke zum dritten Mal nach meiner Postleitzahl gefragt werde, dann nervt das. Immer wieder dieselben Abfragen. Dieselben Klickstrecken. Dieselben Barrieren. Während die Literatur nicht mehr über den “low effort” beim Kunden, sondern über den “no effort” diskutiert, habe ich immer wieder das Erleben, dass mich meine Unternehmen nicht kennen. Egal ob Möbelhaus, Supermarkt oder Bank. Immer wieder Neustart. Gestatten, ich bin es, dein Kunde.  

Aber nicht nur Online, auch beim physischen Service. Da will ich ein Wertpapierdepot übertragen, quäle mich über ein 5seitiges Auftragsformular inklusive FATCA Auskunft und erhalte über Wochen keine Rückmeldung. Natürlich auch keinen Zugang zu meinen Wertpapieren und das in Zeiten, wo Donald Trump den Liberation Day feiert und die Börsen verrückt spielen! Auf die Nachfrage, ob mein Auftrag in Bearbeitung sei, die telefonische Antwort “das müsste eigentlich schon auf dem Weg sein”. Aha. Was bitte heißt das ? Wann habe ich Zugriff? Keine verbindliche Aussage. Zwei Wochen später auf mein weiteres und wiederholtes Insistieren, der völlige Bankrott: „Rufen Sie doch bitte bei der anderen Bank an, mehr kann ich da auch nicht anbieten” Silos intern und tiefe Gräben extern.  

„Das ist keine Customer Experience. Das ist Kundenanamnese. Und es nervt."

Von einem vorausschauenden „Wir verstehen, was du brauchst, bevor du es aussprichst" sind wir meilenweit entfernt. Dabei wäre genau das der Anspruch. Amazon macht es vor – und wird damit zur Benchmark für alle Branchen. Egal ob Banking oder Handel. Einmal erlebter Amazon-Service wird zum Standard, den Kunden überall erwarten. Das ist nicht fair, aber die Amazonisierung findet statt. In einer repräsentativen Studie haben wir bereits vor 4 Jahren diesen Effekt klar benannt. 17% aller Österreicherinnen nennen - ungestützt (!) - Amazon als jenes Unternehmen, dass sie in den vergangenen 12 Monaten begeistert hat. An zweiter Stelle folgen Spar und Hofer mit knapp 2% der Nennungen. Ich will klar sein; das ist kein Zufall und auch kein Instrument, es ist ein System, das diese Wirkung entfacht. Amazon nennt das Flywheel, wir begnügen uns mit Strategie, Kultur und Denken in Individualität.  

Der einzige Zweck eines Unternehmens ist es, Kunden zufriedenzustellen – und dabei Gewinne zu erzielen.

Peter DruckerUS-amerikanischer Ökonom

Drucker hatte recht – und keiner hört zu

Peter Drucker brachte es vor Jahrzehnten auf den Punkt: Der einzige Zweck eines Unternehmens ist es, Kunden zufriedenzustellen – und dabei Gewinne zu erzielen. Nicht umgekehrt. Nicht „erst Kosten sparen, dann irgendwann mal Kunden zufriedenstellen". 

Wer den Kunden nicht ins Zentrum stellt, landet in der Austauschbarkeit. Effizienz mag Kosten sparen und temporär auch Überleben ermöglichen, aber nur Kundenzentrierung schafft Wachstum. 

Die harte Frage lautet: Verfolgst du Kundenorientierung als strategisches Ziel – oder ist sie ein nettes Nebenprodukt, für das allenfalls Restbeträge übrigbleiben, um hie und da ein Projekt zu sponsern? 

Stellhebel 1: Strategie – Fokus statt Beliebigkeit

Wenn wir Kundenzentrierung ernst meinen, braucht es drei Dinge. Nicht zwanzig. Nicht ein neues Framework mit 7 Schritten und 14 Tasks. Sondern drei klare Stellhebel. Der erste: Strategie. Strategie bedeutet zu wissen, was man will – und vor allem: was man nicht will. Fokus heißt NEIN sagen und sich aber auch klar FÜR etwas aussprechen. Ich erlebe ständig Unternehmen, die gleichzeitig die Nr. 1 im Service, bei den Produkten, im digitalen Erlebnis, in der Beratung und in der Kundenbeziehung sein wollen. Ach ja, Innovationsführer, Preisleader sowie großartiger Arbeitgeber auch noch. Das endet nirgendwo. Reise nach Norden oder Süden – aber nicht gleichzeitig. Und dann bleibe auf deinem Pfad, denn monatliche Richtungswechsel sind verlockend, aber auch nicht hilfreich. 

Prozesse radikal vereinfachen

Kundenzentrierung bedeutet nicht „noch ein Touchpoint". Sondern friktionsfreie Erlebnisse. Das Ziel ist „no effort". Und dann höre ich: „Wir optimieren erst mal die Prozesse intern. Da haben wir keine Zeit für Customer Journeys. Es muss mal laufen, bevor wir weiterdenken." 

Das ist der sichere Weg in Mittelmaß. Wer CX ernst nimmt, denkt vom Kunden her – nicht von der internen Ablage. 

Proaktiv statt reaktiv

Du weißt heute oft mehr über deine Kunden als sie selbst. Nutze dieses Wissen. Inspiriere mich! Verantwortungsvoll, aber entschieden. Begeisterung entsteht nicht durch endlose Abfragen, sondern durch kluges Antizipieren. Mache den entscheidenden Schritt vor dem Kunden, nicht drei hinterher. Die unbequeme Frage: Welches strategische Profil nimmst du bewusst ein – und auf welche Verlockungen verzichtest du dafür? 

Stellhebel 2: Kultur – Strategie allein reicht nicht

„Culture eats strategy for breakfast" – ja, kennen wir alle. Aber vielleicht ist es Zeit, diesen Satz neu zu denken. Was wäre, wenn Kultur und Strategie gemeinsam frühstücken? In einer Welt, die sich fragil, ängstlich, nichtlinear und unverständlich zeigt, ist Anpassungsfähigkeit Überlebensbedingung. Strategie ohne gelebte Kultur bleibt ein Papiertiger. Kultur ohne Richtung bleibt riskanter Zufall. Aber wer gestaltet eigentlich die Kultur im Haus? Wenn Kultur laut Hofstede die Software eines Betriebes ist, wann gab es das letzte update im Haus. Wofür wurde die neue “software” - das neue Mindset – programmiert? Wie entwickeln wir unser Denken ständig weiter?  

Die provokante These: Kultur ist Strategie.

Amazon spricht von „It's always Day 1". Tag 1 ist keine Prozess-Philosophie, sondern eine tief verankerte Kultur, die auffordert jeden Tag frisch zu denken. Tag 1 bedeutet: Ständig bereit sein, Kundenzentriert nach der nächsten Verbesserung zu suchen, Feedback einzuholen oder zu beobachten und lernen. Jeden Tag neu. Ressourcen radikal nach Kundenbedürfnissen ausrichten und Routinen hinterfragen.  

Prüfe dein eigenes Haus: Wie intensiv lernen wir aus Kundenerfahrungen? Kennen wir die Pain Points, die es zu lösen gilt und tracken wir die Erfahrungen, die gemacht werden? Wie nutzen wir diese Information, für unsere Weiterentwicklung? Treffen wir Entscheidungen datenbasiert und schnell – oder hierarchisch und schwerfällig? Dürfen Experimente scheitern, solange wir daraus lernen? Wer treibt das bei uns voran? 

Stellhebel 3: Das Individuum zählt – innen wie außen

Der dritte Stellhebel: Wer ernsthaft kundenzentriert agieren will, muss zuerst mitarbeiterzentriert denken. CX beginnt beim eigenen Team. Dienende Führung ist kein Managementtrend, es ist die Haltung, die fragt: „Wie kann ich dich unterstützen?" statt „Warum hast du das noch nicht geschafft?" Leadership bedeutet Beziehungen zu gestalten. Ehrliches Interesse am Wachstum der Menschen. Das verlangt immer wieder den Wechsel der Perspektive und hilft auch scheinbare Generationenkonflikte zu lösen. Also, kein Schubladendenken über Genz Z, sondern individuell für die Menschen dienstbar sein. 

Jeder Kunde als Individuum

Das interne Prinzip der Individualität gilt es auf die Kundenseite zu übertragen: Jeder Kunde will als Individuum wahrgenommen werden. Da reicht klassisches Zielgruppendenken nicht mehr. Wenn sich jeder individuell wahrgenommen fühlen soll, brauchen wir mehr Vorausdenken, mehr Datenpflege, mehr Experimente, mehr Lernen. 

Die Frage: Wie stellen wir sicher, dass wir Kundeninformationen wirklich nutzen – anstatt sie mehrfach anzufragen und Frustration zu erzeugen? Jeder Kontakt ist eine Chance, einen spürbaren Beitrag für Wachstum und Freude zu schaffen. 

„CX beginnt beim eigenen Team. Wer ernsthaft kundenzentriert agieren will, muss zuerst mitarbeiterzentriert denken." 

Finale: Ohne Steuerung kein Fortschritt

Alle drei Stellhebel – Strategie, Kultur, Individuum – entfalten ihre Wirkung nur, wenn sie systematisch gesteuert werden. In Organisationen gilt weiterhin: What gets measured, gets managed. Wer CX ernst nimmt, braucht klare Metriken, relevante KPIs und kontinuierliche Verbesserung. Nur so vermeiden wir, dass gute Ideen im Tagesgeschäft verpuffen. Hier setzen wir mit Top Service Österreich und Emotion Banking an: CX gezielt messen, via Benchmarks bewerten, Wirksamkeit analysieren und systematisch verbessern. In einer Community mit anderen, die den gleichen Weg gehen.   

„Zurecht meinte Qualitätsguru Deming: . Wer nur über Kundenzentrierung spricht, wird sie nie erreichen." 

Fazit: Effizienz allein rettet niemanden

CX ist nicht tot. Sie wurde nur falsch verstanden. Weder CRM-Tools noch AI-Agents werden uns retten. Sie sind hilfreich, ersetzen aber nicht die einen systematischen Zugang: klare Strategie, gelebte Kultur und Fokus auf das Individuum. 

„Wer morgen noch relevant sein will, muss heute den Mut haben, Kundenzufriedenheit - besser noch Begeisterung - zur härtesten Kennzahl des Unternehmens zu machen." Die Frage an dich: Was ist dein größter Hebel und wo geht´s noch wirksamer – Strategie, Kultur oder Individuum?  

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