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„Wir sind hungrig nach Beschleunigung“

IN KOOPERATION MIT DELOITTE
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 © GregorHartlPhotography

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Innovation und Geschwindigkeit heißen zwei Zauberworte gegen die Krise. Aber wie geht das? KEBA-Chef Christoph Knogler und Deloitte-Experte Albrecht Rauchensteiner über die Zusammenarbeit mit Start-ups als Ideengeber, Problemlöser und Tempomacher.

TREND: Zu hohe Lohnkosten, zu hohe Energiekosten, Zollschranken, Wettbewerbsfähigkeit unter Druck: In der Industrie herrscht eine gewisse Endzeitstimmung. Zu Recht?

Christoph Knogler: Endzeitstimmung – nein. Es gibt große Herausforderungen. Deutschland ist wirtschaftlich unter Druck, das spürt auch Österreich. Aber vieles ist auch haus­gemacht. In unserer Industrie sind die Personalkosten in den vergangenen vier Jahren um rund 30 Prozent gestiegen, damit stehen Standorte natürlich unter Druck. Umgekehrt mangelt es uns als Industrie aber auch an Selbstbewusstsein. Europa verfügt über alle Ressourcen für eine erfolgreiche Zukunft, zum Beispiel den stärksten Binnenmarkt der Welt und somit Potenzial auf ein hohes Maß an Souveränität. Selbstverständlich kostet es Geld, die Abhängigkeit bei der Energie zu reduzieren, nachhaltige Kraftwerke zu errichten und Netze auszubauen. Aber diese Kosten sind umgekehrt ja auch Investitionen. Es wäre aber notwendig, statt schwarzzumalen endlich gemeinsam ins Tun zu kommen.

Albrecht Rauchensteiner: Ich kann das nur bestätigen. Im Rahmen unseres Programmes „Best Managed Companies“ habe ich mit vielen mittelständischen Betrieben zu tun. Wir sind hier auf eine beeindruckende unter­nehmerische Qualität gestoßen, oft ­verbunden mit einem hohen Maß an ­sozialer Verantwortung. Viele dieser Unternehmen ziehen aktuell strategische Investitionen vor, weil sie von ­einem kommenden Aufschwung überzeugt sind. Mit diesen hervorragend geführten Unternehmen vor Augen gibt es wenig Grund für Pessimismus.

Welche Rolle spielen Innovationen als eine Antwort auf die Krise?

Knogler: Innovationen sind immer wichtig, nicht nur in der Krise. Für ein Technologieunternehmen wie KEBA sind sie der Schlüssel zur Zukunfts­fähigkeit.

Das ist leicht gesagt, aber wie lässt sich so ein Anspruch managen?

Knogler: Wir setzen auf Open Innovation. Das bedeutet, sich bewusst nach außen zu öffnen und gemeinsam mit Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Experten, Start-ups, Kunden und Lieferanten an neuen Ideen zu arbeiten. Hier geht es nicht um die Verbesserung des Bestehenden, die geschieht unabhängig davon in den einzelnen Geschäftsbereichen, sondern um echte, radikale Innovationen. Aktuell arbeiten wir in einem Netzwerk von rund 75 Personen an 20 Zukunftsprojekten parallel. Darin enthalten sind zum Beispiel On-Device-AI-Anwendungen für autonome, intelligente Maschinen oder auch neuartige Bedienungskonzepte für Automaten mittels Avatar-Assistenten.

Was sind die Vorteile solcher Netzwerke?

Knogler: Sie sind schneller und effizienter. Auf viele Ideen wären wir sicher selbst auch gekommen, aber es hätte wahrscheinlich viel länger gedauert und mehr Geld gekostet. Ein Beispiel: Wenn bei der Entwicklung eines Prototyps ein potenzieller Kunde einbezogen ist, merkt man schnell, ob man auf dem richtigen Weg ist oder nicht.

Rauchensteiner: Partnering wird wichtiger, das sehen wir in vielen Branchen, denn der Innovationsdruck ist gerade für mittelständische Unternehmen oft sehr hoch. Führende Unternehmen haben erkannt, dass eine Diversifizierung des Portfolios und der Geschäftstätigkeit im Alleingang sehr schwierig ist.

Start-ups für jedermann

Steckt diese Idee auch hinter dem „Venture Clienting“, das Deloitte nun auch nach Österreich gebracht hat?

Rauchensteiner: Der Ansatz von „Venture Clienting“ baut darauf auf, ein konkretes Problem eines Unternehmens in den Fokus zu rücken und dafür eine ebenso konkrete Lösung zu suchen, also international zu scannen, welche Lösungsansätze es gibt bzw. welche Start-ups an diesem Thema arbeiten. Diese Start-ups pitchen dann, das Unternehmen fungiert in der Folge als Kunde, eben als Venture Client. Ist die erste Zusammenarbeit von Erfolg gekrönt, können sich verschiedene Formen der Zusammenarbeit ergeben, von der reinen Kooperation bis zu einer ­Beteiligung oder Übernahme. Das Unternehmen 27pilots, das seit zwei Jahren Teil von Deloitte ist, hat als Pionier diese Logik bei BMW erfolgreich etabliert. Das Venture-Clienting-Modell ist keineswegs nur etwas für Großunternehmen.

Knogler: Wir arbeiten seit Jahren mit Start-ups zusammen, zwei haben wir zuletzt auch übernommen und in die KEBA integriert: 7LYTIX und Ener­Charge – beide sehr innovativ mit unterschiedlichen Perspektiven. EnerCharge produziert Schnellladestationen für ­E-Autos und war uns als Kunde unseres Wallbox-Portfolios bestens bekannt. Durch die Übernahme ist uns eine Portfolioerweiterung zum Vollsortimenter gelungen. 7LYTIX war ein hoch innovativer KI-Spezialist, dem wir beim Thema innovative KI-Lösungen immer wieder am Markt begegnet sind. Dieses Know-how haben wir uns jetzt ins Unternehmen geholt. Denn wir sind hungrig nach neuen Wegen und nach Beschleunigung.

Was sind Hindernisse, wenn eta­blierte Unternehmen mit Start-ups kooperieren?

Rauchensteiner: Viele – speziell mittelständische – Unternehmen sind sehr zurückhaltend, wenn es um die ­Zusammenarbeit mit Start-ups geht. Das ist schade, weil in solchen Kooperationen und konkret auch dem Venture Clienting enorme Chancen liegen, schnell und effizient zu Lösungen zu kommen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass nach drei bis spätestens sechs ­Monaten konkrete und skalierbare ­Ergebnisse auf dem Tisch liegen.

Knogler: Natürlich ist eine ordent­liche Due Diligence notwendig, damit man genau weiß, was man sich einkauft. Das senkt das Risiko und ist wichtig für die Post-Merger-Integration. ­EnerCharge haben wir voll integriert, 7LYTIX heißt zwar heute schon KEBA DIGITAL, wir haben im ersten Schritt aber bewusst entschieden, das Team ­eigenständig mit Büro in Linz weitermachen zu lassen. So stellen wir sicher, dass der Fokus auf dem digitalen Geschäftsmodell bleibt. In beiden Fällen braucht es jemanden, der als Übersetzer zwischen den Unternehmenskulturen fungiert und mögliche Gräben als Brückenbauer – bei KEBA ist es eine erfolgreiche Brückenbauerin – überwindet.

Sind solche Modelle auch für den Mittelstand geeignet?

Rauchensteiner: Unbedingt, denn es gibt für fast alle Fragen irgendwo auf der Welt eine Antwort, oft eben bei innovativen Start-ups. Und dieses Know-how sollten natürlich auch mittelständische Unternehmen nutzen. Unser Ansatz des Venture Clienting ist durchaus risikoavers: Man muss sich eben nicht sofort mit viel Geld und unge­wissem Ausgang an einem Start-up beteiligen, sondern kauft als Kunde eine ­Lösung oder entwickelt sie gemeinsam.

Knogler: Dieses Modell ist gerade für den Mittelstand reizvoll, weil dort oft entsprechende Kapazitäten fehlen. Und es ist auch eine Chance, rein geografisch die Ideen-Grenzen zu erweitern und nicht weitgehend im oberösterreichischen Zentralraum zu bleiben, um bei unserem Beispiel zu bleiben.

Rauchensteiner: Allein in Europa gibt es aktuell rund 35.000 etablierte Start-ups. Es wäre verrückt, dieses Potenzial nicht zu nutzen. Denn wenn wir als österreichische und auch europäische Wirtschaft eine Zukunft haben wollen, dann nur mit Innovationen.

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