
Das Salzburger Familienunternehmen Geislinger ist ein Musterbeispiel für Österreichs Exporterfolge – und jetzt mit einem weltweiten Handelskonflikt konfrontiert. Ein Gespräch über Strategien, Standortnachteile und Resilienz.
TREND: Der freie Welthandel steht auf der Kippe wie selten zuvor. Was bedeutet das für ein exportorientiertes Land wie Österreich?
Anna Daurer: Aufgrund der geopolitischen Unsicherheiten stehen die Unternehmen vor großen Herausforderungen. Aber ich bin optimistisch: Schon während der Coronapandemie haben die heimischen Betriebe flexibel reagiert und gezeigt, dass sie weitgehend krisenresistent sind.
Torsten Philipp: Als Unternehmen sehen wir das aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Einerseits muss man deutlich betonen, dass Österreich vor allem wegen der hohen Energiepreise und der hohen Lohnkosten erhebliche Standortnachteile hat. Im europäischen Vergleich verlieren wir an Wettbewerbsfähigkeit. Andererseits hat sich Österreichs Mittelstand als erstaunlich flexibel und wandlungsfähig erwiesen, da haben wirklich viele die Krise als Chance begriffen und genutzt.
Daurer: Wir sehen in vielen Unternehmen, dass fehlende Planungssicherheit ein großes Problem darstellt.
Philipp: Ja, die Energiewende ist dafür ein Beispiel. Wir brauchen die Transformation weg von den fossilen Energieträgern. Österreichs Unternehmen bieten dafür hochwertige technische Lösungen an, die auch international gefragt sind. Eine Politik nach dem Motto „einen Schritt vorwärts, zwei zurück“ wird uns nicht weiterbringen.
Angesichts der hartnäckigen Rezession ist das Thema Nachhaltigkeit weitgehend von der Agenda verschwunden. Kommt es wieder – oder war’s das?
Daurer: Nachhaltigkeit bleibt ein Thema. Viele Unternehmen haben erkannt, dass es dabei um die Zukunftsfähigkeit geht. Gerade in herausfordernden Zeiten sind Investitionen wichtig, um sich Wettbewerbsvorteile für die Zukunft zu sichern.
Wichtig war, unsere Supply Chain breiter aufzustellen und in volatilen Märkten auf verschiedene Branchen als Kunden zu setzen.
Geislinger hat auch einen Produktionsstandort in den USA. Welche Bedeutung hat dieser jetzt?
Philipp: Wir haben internationale Standorte in China, Japan, Korea und den USA. Das entspricht unserer Strategie, in der Region für die Region zu produzieren – und ist natürlich in der jetzigen Situation ein Riesenvorteil. Das bedeutet aber nicht, dass uns die Probleme der Weltwirtschaft nicht betreffen. Unsere größten Kunden sind aus dem Transportsektor, und die spüren Einschränkungen unmittelbar. Globale Handelskriege tun niemandem gut.
Es gibt noch einen weiteren „Auslands-Standort“, nämlich im Lavanttal in Kärnten. Macht es Sinn, in Österreich zwei Standorte zu haben?
Philipp: Wir hatten damals keine Expansionsmöglichkeiten hier in Hallwang, weder räumlich noch von den Arbeitskräften her. In Bad St. Leonhard gab es beides, und mittlerweile ist Kärnten unser größter Standort, und es gibt dort eine Geislinger Straße. Das zeigt die Wichtigkeit des Standorts und die Verbundenheit mit der Region.
Zeigt das auch die Probleme des Standortes Salzburg?
Daurer: Der Fachkräftemangel in der Region ist ein Thema, gar keine Frage. Es gibt hier zu wenige Absolventinnen und Absolventen berufsbildender Schulen. Umgekehrt punktet Salzburg mit einer sehr hohen Lebensqualität, allerdings sind auch die Lebenshaltungskosten hoch. Die Antwort der Betriebe ist, dass sie sehr stark selbst ausbilden.
Philipp: So wie Geislinger investieren viele Betriebe in die eigene Ausbildung und versuchen, junge Menschen frühzeitig ins Unternehmen zu holen, was sich im Übrigen auch auf die bestehenden Teams sehr positiv auswirkt. Und als Branche bemühen wir uns, Salzburg auch als Industriestandort sichtbar zu machen, und nicht nur als Kulturstadt.
Selbstkritisch die eigenen Prozesse zu hinterfragen und die etablierten Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen – das sind entscheidende Faktoren für mehr Resilienz
Haben Familienunternehmen wie Geislinger in Krisenzeiten Vorteile, weil sie flexibler sind, oder Nachteile, weil sie oft weniger Kapitalpuffer haben?
Daurer: Familienbetriebe haben in der Regel einen langen Zeithorizont und denken in Generationen. Das gibt in Krisenzeiten Stabilität. Zudem kann schneller reagiert werden, wenn Management und Eigentümer zusammenfallen oder es einen kurzen Draht gibt.
Philipp: Aus meiner Erfahrung haben Familienbetriebe zwei große Vorteile: kurze Entscheidungswege, weil nicht diverse Gremien einbezogen werden müssen, und eine geringe Fremdfinanzierungsquote. Dadurch ist die Finanzkonstruktion stabiler, was bei finanziellen Durststrecken hilft. Und das bedeutet auch Stabilität für die Mitarbeitenden.
Daurer: Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, der Familienbetriebe auszeichnet: Sie haben meist eine starke Unternehmenskultur, die durch eine hohe Mitarbeiterbindung und langfristige Geschäftsbeziehungen gekennzeichnet ist – beides Faktoren, die die Resilienz stärken.
Umfassender „Fitness-Check“ für Unternehmen
Best Managed Companies
ist ein seit über 30 Jahren international etabliertes Programm, bei dem die teilnehmenden Betriebe einem echten „Fitness-Check“ unterzogen werden. Der Fokus liegt auf den Bereichen Strategie, Produktivität und Innovation, Governance und Finanzen sowie Kultur und Engagement. Im Rahmen von Workshops werden die Schwerpunktbereiche gemeinsam mit Expertinnen und Experten von Deloitte analysiert. Anschließend entscheidet eine unabhängige Jury auf Basis der Erkenntnisse aus den Coachings und der Bewerbungsunterlagen, welche Unternehmen die begehrte Auszeichnung erhalten.
Nähere Infos unter www.deloitte.at/bestmanaged
Je mehr Krise, desto mehr wird von Resilienz gesprochen. Aber was bedeutet das in der Praxis? Was hat Geislinger getan, um resilienter zu werden?
Philipp: Ein wichtiger Schritt war, unsere Supply Chain breiter aufzustellen, also auf mehrere Lieferanten zu setzen. Eine weitere Strategie war, in volatilen Märkten auf verschiedene Branchen als Kunden zu setzen, also etwa Hersteller von Schiffen und von Windrädern. Also Branchen, die nichts miteinander zu tun haben und auch nicht den gleichen Konjunkturzyklen unterworfen sind. Zusätzlich haben wir uns genau angeschaut, welche Produkte wir wo am sinnvollsten produzieren.
Daurer: Damit sind die wesentlichen Faktoren genannt, nämlich selbstkritisch die eigenen Prozesse zu hinterfragen und die etablierten Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen, ob diese auch Zukunftspotenzial haben. Das ist genau das, was wir auch mit unserem Programm „Best Managed Companies“ anbieten.
Philipp: Und ich kann bestätigen, dass das ein geeignetes Tool ist, sich selbst und die Abläufe im Unternehmen zu hinterfragen. Es werden die richtigen Fragen gestellt, weil das Unternehmen ganzheitlich betrachtet wird. Und das Programm bietet die Chance auf den externen Blick von außen und gleichzeitig die Möglichkeit, sich international zu vergleichen. Das ist absolut hilfreich.
Zu den Personen:
Anna Daurer ist Partnerin in der Wirtschaftsprüfung bei Deloitte in Salzburg. Als Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin liegt ihr Tätigkeitsschwerpunkt in der Prüfung von Jahres- sowie Konzernabschlüssen von national wie auch international tätigen Unternehmen.
Torsten Philipp ist Geschäftsführer der Geislinger GmbH und führt gemeinsam mit Adrian Geislinger das Familienunternehmen. Das Salzburger Unternehmen entwickelt und produziert Kupplungen und andere Elemente für Hochleistungsantriebe u. a. für Schiffe, Lokomotiven und Windräder und setzt mit 800 Beschäftigten 136,7 Millionen Euro um.